Entscheidungsstichwort (Thema)
Abgabe von Popkorn und Nachos in Kinos als umsatzsteuerpflichtige sonstige Leistung
Leitsatz (amtlich)
Die Abgabe von Popkorn und Nachos in Kinos ist im Rahmen einer Gesamtbetrachtung als umsatzsteuerpflichtige sonstige Leistung i.S. § 3 Abs. 9 Satz 1 UStG zu behandeln. § 3 Abs. 9 Sätze 4 und 5 haben indizielle Bedeutung im Rahmen richtlinienkonformer Auslegung.
Normenkette
UStG § 3 Abs. 9 Sätze 4-5; EWGRL 388/77 Art. 6 Abs. 1
Nachgehend
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Frage, ob Umsätze aus dem Verkauf von Popcorn und Nachos als sonstige Leistung zu besteuern sind.
Die Klägerin betreibt ... Kinos ... in mehreren Städten. In den Foyers der Kinos befinden sich in unterschiedlicher Anzahl jeweils Stehtische, Barhocker, zum Teil Sitzbänke, Stühle, Sitztische und teilweise so genannte Stehboards bzw. Wandtresen. Es sind jedoch nicht in jedem Kino sämtliche der genannten Einrichtungsgegenstände vorhanden. Neben diversen Süßwaren und Getränken können Kinobesucher in den Foyers auch Popcorn und Tortilla-Chips (Nachos) in verschiedenen Größen erwerben. An den Verkaufsständen selbst befinden sich keine Ablageflächen, Tische oder ähnliche Gegenstände. In den Kinosälen befinden sich lediglich in den Kinos ... an drei Standorten Getränkehalter an den Kinosesseln. Sonstige Ablageflächen sind in den Kinosälen nicht vorhanden. Die Einlasskontrolle in die Kinosäle befindet sich, unter anderem abhängig von dem jeweiligen Besucheraufkommen und je nach Kino, vor oder hinter den Verkaufstresen oder aber direkt vor den jeweiligen Kinosälen. Das Popcorn wird derart hergestellt, dass Zucker, Mais, Popcornsalz und Fett in einem bestimmten Verhältnis in eine Popcornmaschine gefüllt wird. Durch Erhitzen brechen die Maiskörner auf und quellen auf. Ein Teil der Ware gelangt danach umgehend in die an der Verkaufstheke vorhandenen Tresenwärmer, in denen das Popcorn mittels warmer Luft lauwarm gehalten wird. Bei einer Bestellung durch die Kinobesucher wird dann aus diesem Tresenwärmer das Popcorn mittels einer Schaufel in unterschiedlich große Papiertüten gefüllt und an den Kinobesucher verkauft. Die restliche Ware wird in großen Tüten oder Wannen gelagert und dann nach Bedarf in die Tresenwärmer umgefüllt. Die Nachos werden in der Regel in Packungen zu je 500 g bei entsprechenden Lieferanten bestellt. Ein Teil der Ware gelangt dann ebenfalls in einen Tresenwärmer, in dem die Nachos mittels warmer Luft lauwarm gehalten werden. Der zu den Nachos angebotene Salsa- und Käsedip wird in größeren Behältern servierfertig angeliefert. Ein Teil der Salsasauce wird in eine extra hierfür vorgesehene Schale am Tresen umgefüllt, aus der dann die Portionierung erfolgt. Die Käsesauce wird zwecks Erwärmung in ein spezielles Gefäß gestellt. Bei Bedarf wird sie direkt aus diesem portioniert. Eine Zubereitung der Saucen findet nicht statt. Die servierfertigen Saucen werden lediglich (zum Teil) gewärmt und portioniert. Bei einer Bestellung durch die Kinobesucher wird eine Einwegschale, die ein größeres Fach für die Nachos und ein kleineres für den Dip enthält, von einem Mitarbeiter mit den lauwarmen Nachos und der gewünschten Sauce befüllt.
In der Umsatzsteuervoranmeldung für Juni 2005, die einen Umsatzsteuer-Überschuss in Höhe von 66.331,63 EUR zu ihren Gunsten auswies, erklärte die Klägerin die Umsätze aus dem Verkauf des Popcorns und der Nachos als steuerpflichtige Umsätze zu 7 v.H. Auf diese Umsätze entfiel ein Betrag in Höhe von 105.691,66 EUR brutto (Umsatzsteuernebenakten Bl. 59 f.). Der Beklagte stimmte dieser Voranmeldung nicht zu und erließ am 05.09.2005 einen Bescheid über die Festsetzung der Umsatzsteuer-Vorauszahlung für den Monat Juni 2005, in dem er einen Umsatzsteuerüberschuss zugunsten der Klägerin in Höhe von 58.667,94 EUR festsetzte. Dabei setzte er diese Umsätze mit dem entsprechend ermittelten niedrigeren Nettobetrag an und besteuerte sie mit dem Regelsteuersatz (Umsatzsteuernebenakten Bl. 63 f.).
Gegen diesen Bescheid legte die Klägerin am 14.09.2005 Einspruch ein, den der Beklagte mit Einspruchsentscheidung vom 09.01.2006 zurückwies.
Am 08.02.2006 hat die Klägerin Klage erhoben. Die Klägerin ist der Auffassung, dass es sich bei dem Verkauf von Popcorn und Nachos um eine Lieferung von in der Anlage 2 zu § 12 Abs. 2 Nr. 1 UStG aufgeführten Gegenständen handele und deshalb ermäßigt zu besteuern sei. Eine sonstige Leistung liege nicht vor, da die Waren in der Regel in den Kinosälen verzehrt würden. Zwischen den Foyers, in denen die Waren gekauft werden, und den Kinosälen fehle ein räumlicher Zusammenhang, da beispielsweise die Einlasskontrolle eine räumliche Grenze bilde. Die Kinosäle befänden sich auch teilweise in verschiedenen Stockwerken, was eine besondere räumliche Trennung zu den Verkaufstresen zur Folge habe. Die vorhandenen Ablage- und Sitzgelegenheiten im Foyer seien nicht für den Verzehr be...