Entscheidungsstichwort (Thema)
Zugang und Bekanntgabe eines Steuerbescheids bei Bestreiten des Zugangs durch den Adressaten
Leitsatz (redaktionell)
1) Für das Bestreiten des Zugangs eines Bescheids ist einfaches Bestreiten ausreichend; in diesem Fall muss das FA den Zugang des Bescheids nach den allgemeinen Beweisregeln nachweisen.
2) Die Übergabe einer Kopie des Bescheids zu dem Zweck der Unterrichtung des Adressaten über einen bereits zuvor erlassenen Bescheid beinhaltet mangels Bekanntgabewillen des FA keine (erneute) Bekanntgabe des Bescheids.
Normenkette
AO § 124; FGO § 69
Tatbestand
I.
Der Antragsteller begehrt die Aussetzung der Vollziehung hinsichtlich Einkommensteuer 2019 und Umsatzsteuer 2019.
Der Antragsteller wurde für das Streitjahr alleine zur Einkommensteuer veranlagt. Er erzielte im Jahr 2019 Einkünfte aus einer selbständigen Tätigkeit als … sowie Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit als …. Darüber hinaus erzielte er Einkünfte aus der Vermietung diverser Eigentums- und Ferienwohnungen.
Der Antragsteller reichte beim Antragsgegner für das Streitjahr am 31.7.2020 eine Einkommensteuererklärung über ELSTER ein. Die Erklärung enthielt unter der Rubrik „Ergänzende Angaben zur Steuererklärung” folgende Ausführungen:
„Die Eingaben setzen auf den Daten für 2018 auf. Ich reiche einzelne Belege/Ergänzungen (Korrekturen) nach. Weiter ergänze ich ein Objekt, zu dem die Daten noch nicht vorliegen”.
Auf den insgesamt elf Anlagen V waren bei den Werbungskosten neben den Abschreibungen für Absetzungen unter anderem auch Schuldzinsen sowie weitere Werbungskosten eingetragen. Für nähere Einzelheiten wird auf die Steuererklärung vom 31.7.2020 Bezug genommen. Belege wurden nicht vorgelegt.
Mit Schreiben vom 29.10.2020 forderte der Antragsgegner den Antragsteller auf, eine Steuererklärung für das Streitjahr mit den „Daten des Jahres 2019” einzureichen.
Der Antragsteller teilte daraufhin mit Schreiben vom 29.11.2020 mit, dass die „Überarbeitung der Einkommensteuererklärung gerne” nachgeliefert werde. Hierfür werde „noch eine Woche” benötigt. In diesem Zuge werde auch die Einkommensteuererklärung für 2018 nebst Umsatzsteuererklärung 2018 „aktualisiert”. Auch die Umsatzsteuererklärung für 2017 werde „geliefert”.
Mit Schreiben vom 3.12.2020 forderte der Antragsgegner den Antragsteller nochmals auf, die Einkommensteuererklärung 2019 einzureichen und wies auf eine andernfalls bestehende Schätzungsbefugnis hin.
Der Antragsteller teilte mit Schreiben vom 20.1.2021 mit, dass er die „Daten” („Aktualisierung 2018 und Neueingabe 2019”) umgehend in das ELSTER-Programm eingeben und übermitteln werde.
Mit Datum vom 26.1.2021 ging beim Antragsgegner eine geänderte Einkommensteuererklärung für 2019 des Antragstellers ein. Die Steuererklärung enthielt 13 Anlagen V, auf denen jeweils neben Absetzungen für Abnutzungen unter anderem auch Schuldzinsen als Werbungskosten geltend gemacht wurden. Belege lagen nicht bei. Für nähere Einzelheiten wird auf die Steuererklärung vom 26.1.2021 Bezug genommen.
Mit Schreiben vom 9.4.2021 – auf das für weitere Einzelheiten Bezug genommen wird – bat der Antragsgegner den Antragsteller hinsichtlich diverser steuermindernd geltend gemachter Positionen (Schuldzinsen und weitere Werbungskosten, Aufwendungen für haushaltsnahe Dienstleistungen, Ermittlung der jeweiligen Abschreibungen für Absetzungen etc.) um nähere Erläuterung sowie um Vorlage von Nachweisen bis zum 26.4.2021. Zudem wies er darauf hin, dass bei Nichtvorlage der angeforderten Belege nach Aktenlage entschieden werde.
Da der Antragsteller hierauf nicht reagierte, setzte der Antragsgegner die Einkommensteuer mit Bescheid vom 7.5.2021 auf 96.962 Euro fest. Der Steuerbescheid führte zu einer Nachzahlung von insgesamt 53.790,58 Euro (Einkommensteuer, Kirchensteuer und Solidaritätszuschlag). In den Erläuterungen zum Bescheid wies der Antragsgegner darauf hin, dass die im Schreiben vom 9.4.2021 angeforderten Unterlagen nicht vorgelegt worden seien und die in diesem Schreiben genannten Aufwendungen daher nicht anerkannt worden seien. Der Bescheid erging nicht unter dem Vorbehalt der Nachprüfung.
Mit gleichem Datum setzte der Antragsteller zudem die Einkommensteuer für 2018 auf 98.871,00 Euro fest. Der Bescheid führte zu einer Gesamtnachzahlung von 53.555,01 Euro. Auch dieser Bescheid enthält einen Hinweis, dass die in einem das Jahr 2018 betreffenden Schreiben vom 9.4.2021 angeforderten Unterlagen nicht vorgelegt worden seien und die dort genannten Aufwendungen daher nicht anerkannt worden seien. Der Bescheid für 2018 erging unter dem Vorbehalt der Nachprüfung.
Die Einkommensteuerbescheide für 2018 und 2019 wurden mit Datum vom 7.5.2021 zentral vom Rechenzentrum der Finanzverwaltung versandt. Beide Steuerbescheide bestanden jeweils aus drei Blättern; zusätzlich erging für jedes Jahr auf jeweils einem Blatt Papier ein Bescheid über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags zur Einkommensteuer zum 31.12.2018 bzw. 2019.
Der Einkommensteuerbeschei...