Entscheidungsstichwort (Thema)
Keine Spontanauskünfte an die türkische Steuerverwaltung
Leitsatz (redaktionell)
Aufgrund der Würdigung eines vorgelegten Privatgutachtens ist bei summarischer Prüfung die Wahrung des Steuergeheimnisses in der Türkei faktisch nicht hinreichend gewährleistet, mit der Folge, dass das FA nicht befugt ist, der türkischen Steuerverwaltung gemäß § 117 Abs. 2 AO i. V. mit Art. 26 DBA Türkei eine Spontanauskunft über Zahlungen der Antragstellerin - eine in der Türkei sehr renommierte und marktstarke Firmengruppe - zu erteilen.
Normenkette
AO § 117 Abs. 2; DBA Türkei Art. 26; FGO § 114
Tatbestand
I.
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die beabsichtigte Weiterleitung von zwei Spontanauskünften des Finanzamtes für Groß- und Konzernbetriebsprüfung X durch den Antragsgegner an die türkische Steuerverwaltung zulässig ist.
Im Jahre 2000 schloss die Antragstellerin mit einem öffentlichen Auftraggeber in der Türkei einen Vertrag zur Errichtung einer militärtechnischen Anlage in D. In diesem Zusammenhang arbeitete die Antragstellerin mit zwei türkischen Beratungsunternehmen, der Fa. A sowie der Fa. B zusammen. Für ihre Beratungsleistungen zahlte die Antragstellerin diesen beiden Unternehmen Anfang 2001 das geschuldete Entgelt i.H.v. 385.976 DM sowie 500.000 DM. Die Überweisung dieser Beträge erfolgte auf Wunsch der beiden Unternehmen jeweils auf deren Schweizer Konten. Die Antragstellerin machte die Zahlungen als Betriebsausgaben geltend.
Im Rahmen einer bei der Antragstellerin durchgeführten Außenprüfung durch das Finanzamt für Groß- und Konzernprüfung X kündigte diese an, der türkischen Steuerverwaltung Auskünfte und Unterlagen bezüglich der beiden Zahlungen übermitteln zu wollen und leitete den Vorgang über die Oberfinanzdirektion Y an den Antragsgegner weiter, der der Antragstellerin mitteilte, dass entsprechende Spontanauskünfte an die türkische Steuerbehörde beabsichtigt seien.
Nach erfolglosen Verhandlungen zwischen den Beteiligten stellte die Antragstellerin den vorliegenden Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung.
Zu dessen Begründung trägt die Antragstellerin vor, dass sie einen Unterlassungsanspruch analog § 1004 Abs. 1 Satz 1 BGB i.V.m. § 30 AO habe. Denn mit den geplanten Spontanauskünften würde der Antragsgegner den türkischen Behörden Daten übermitteln, die dem Steuergeheimnis unterfielen. Es bestünde keine Duldungspflicht ihrerseits, insbesondere nicht aus § 30 Abs. 4 Nr. 2 AO i.V.m. § 117 Abs. 2 AO und Art. 26 DBA-Türkei.
Die geplante Übermittlung der Spontanauskunft sei insbesondere rechtswidrig, weil es an einer Absicherung des Steuergeheimnisses in der Türkei mangele.
Zwar sei die Türkei aufgrund des internationalen Steuergeheimnisses (vgl. Art. 26 Abs. 1 Satz 2 DBA-Türkei) verpflichtet, die ihr übermittelten Informationen geheim zu halten. Es bestünden jedoch ernsthafte Zweifel daran, dass in der Türkei das Steuergeheimnis in einem ausreichenden Umfang praktiziert werde. Die Verwaltungsstrukturen ließen eine effektive Wahrung des Steuergeheimnisses nach derzeitigem Stand nicht zu. Es könne nicht ausgeschlossen werden, dass die in die Türkei übermittelten Informationen außerhalb der Finanzverwaltung bekannt würden. Sogar eine Veröffentlichung einzelner Daten scheine möglich.
In diesem Zusammenhang bezieht sich die Antragstellerin auf ein Privatgutachten von Prof. FC vom 4. Juni 2007, das am 15. Februar 2008 ergänzt wurde. Hierin wird u.a. ausgeführt, dass die exemplarisch im einzelnen näher aufgeführten Pressemitteilungen und Aussagen von Steuerberatern, Verbänden, Journalisten und Anwälten belegen würden, dass es einfach sei, bei entsprechenden Kontakten an alle denkbaren Informationen zu gelangen. Es fehle die Hemmschwelle beim einzelnen Beamten. Sie stelle sich gegenüber mittel- und langfristigen Überlegungen oder Gefühlen des Einzelnen als zu niedrig heraus. Die Rangstelle des Steuergeheimnisses habe keinen Wert an sich, der seitens des einzelnen Beamten für verteidigungswürdig gehalten werden könnte. Die Rechtslage sei nur bedingt interessant, so lange sowohl potente Steuerzahler als auch säumige Steuerzahldurch die Finanzverwaltung selbst der Öffentlichkeit preisgegeben werden. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf das Gutachten nebst Ergänzungsfassung verwiesen (Bl. 81 ff. und 123 ff. der FG-Akte).
Die Antragstellerin trägt weiterhin vor, dass massive Lücken im Steuergeheimnis der Türkei auch insoweit bestünden, als Besteuerungsgrundlagen und Steuerbeträge von natürlichen und juristischen Personen durch die zuständige Steuerbehörde zur Sicherstellung der Steuern öffentlich bekannt gegeben würden.
Vor diesem Hintergrund schließe auch das Schreiben des türkischen Finanzministeriums vom 14. April 2008, wonach aus Deutschland übermittelte Informationen in der Türkei geheim gehalten würden, da sich aus Art. 26 Abs. 1 DBA-Türkei eine entsprechende Pflicht zur Geheimhaltung ergebe (Bl. 143 der FG-Akte), zumindest eine Gefährdung der Vertraulichkeit nicht aus. Die rechtst...