Entscheidungsstichwort (Thema)
Bestandskraft des Gewerbesteuermeßbescheides unter dem Vorbehalt der Nachprüfung
Leitsatz (redaktionell)
1) Die Jahresfrist des § 189 Satz 3 AO 1977 für den Antrag auf Änderung oder Nachholung einer Gewerbesteuerzerlegung läuft bei Meßbescheiden, die zunächst unter dem Vorbehalt der Nachprüfung ergehen, ab Unanfechtbarkeit des Bescheides, mit dem der Vorbehalt der Nachprüfung aufgehoben wird.
2) Der unmittelbar bevorstehende Fristablauf der Jahresfrist nach § 189 Satz 3 AO kann den Fall einer Geschäftsführung zur Gefahrenabwehr für die Zerlegungsbeteiligten im Sinne des § 680 BGB begründen. Die zivilrechtlichen Vorschriften zur Geschäftsführung ohne Auftrag gemäß § 677 ff. BGB sind im Steuerrecht entsprechend anzuwenden.
Normenkette
AO 1977 § 189 S. 3; GewStG § 28 Abs. 1; BGB § 677 ff., § 680
Nachgehend
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit der Nachholung einer Gewerbesteuerzerlegung, insbesondere über die Frage, ob die Abgabe einer erstmaligen Zerlegungserklärung der Beigeladenen zu 9. (A. GmbH) die Frist des § 189 Satz 3 der Abgabenordnung (AO) für alle steuerberechtigten Gemeinden gewahrt hat.
Im Februar 1990 meldete die Rechtsvorgängerin der Beigeladenen zu 9. die B. GmbH (B. GmbH), bei der Klägerin ein Transportgewerbe an. Im Mai 1992 wurde die erstmalige Gewerbesteuererklärung 1991 für die B. GmbH beim Beklagten abgegeben. Darin erklärte die B. GmbH, daß nur im Gemeindegebiet der Klägerin (Stadt C.) eine Betriebsstätte im Streitjahr 1991 bestanden habe.
Diese Gewerbesteuererklärung führte zum erstmaligen Bescheid über den einheitlichen Gewerbesteuermeßbetrag 1991, den die Klägerin der B. GmbH bekanntgab. Der Gewerbesteuermeßbescheid stand unter dem Vorbehalt der Nachprüfung. Der Bescheid wurde bestandskräftig.
Der Vorbehalt der Nachprüfung wurde im Februar 1995 aufgehoben. Der entsprechende Bescheid wurde vom Beklagten am 24.02.1995 zur Post gegeben.
Erstmals mit der im Mai 1995 eingereichten Gewerbesteuererklärung für das Jahr 1994 deklarierte die B. GmbH, Betriebsstätten in mehreren Gemeinden unterhalten zu haben. Aus der Erklärung für die Zerlegung des einheitlichen Gewerbesteuermeßbetrages für das Kalenderjahr 1994 ergibt sich, daß neben der Hauptniederlassung im Bereich der Klägerin neun weitere Niederlassungen bestanden.
Nachdem Zerlegungsmitteilungen für das Jahr 1994 versandt worden waren, wandte sich im November 1995 die Beigeladene zu 2. (Stadt D.) an den Beklagten und bat um Übersendung der Zerlegungsmitteilungen für das Streitjahr.
Die Beigeladene zu 4. (Stadt E.) erbat eine Zerlegungsmitteilung für das Jahr 1993.
Daraufhin forderte der Beklagte die B. GmbH im November 1995 auf, Erklärungen zur Zerlegung der einheitlichen Gewerbesteuermeßbeträge 1990 bis 1993 nachzureichen. Nachdem die Aufforderung trotz mehrfacher Erinnerung unbeachtet geblieben war, drohte der Beklagte im März 1996 die Festsetzung eines Zwangsgelds an.
Unter dem 15.03.1996 wurde die Erklärung für die Zerlegung des einheitlichen Gewerbesteuermeßbetrages für das Kalenderjahr 1991 beim Beklagten eingereicht. Nach dieser Erklärung unterhielt die B. GmbH im Jahr 1991 neben der Betriebsstätte im Bereich der Klägerin acht weitere Betriebsstätten im Bereich der Beigeladenen zu 2. und 4. sowie der Beigeladenen zu 1. (Stadt F.), der Beigeladenen zu 3. (Gemeinde G.), der Beigeladenen zu 5. (Stadt H.), der Beigeladenen zu 6. (Stadt I.), der Beigeladenen zu 7. (Gemeinde J.) und der Beigeladenen zu 8. (Stadt K.). Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Zerlegungserklärung 1991 Bezug genommen.
Daraufhin erließ der Beklagte unter dem 24.04.1996 einen erstmaligen Bescheid über die Zerlegung des einheitlichen Gewerbesteuermeßbetrags 1991. Die Erläuterung enthielt den Hinweis, daß die Zerlegung gemäß § 189 AO nachgeholt worden sei.
Dagegen wandte sich die Klägerin mit Einspruch vom 8.05.1996. Neben der Aufforderung, die Daten über die Aufhebung des Vorbehalts der Nachprüfung mitzuteilen, wies die Klägerin lediglich auf § 189 Satz 3 AO hin. Daraufhin erklärte der Beklagte, die Zerlegung für das Streitjahr aufheben zu wollen.
Vor Erlaß des Änderungsbescheides, nach Lage der Akten zum 27.08.1996, ging die B. GmbH durch Verschmelzung mit der Beigeladenen zu 9. unter. Rechtsnachfolgerin der B. GmbH wurde demnach die Beigeladene zu 9.
Die Rechtsnachfolge wurde dem Beklagten – ausweislich der vorliegenden Gewerbeabmeldung – erst im Oktober 1996 bekannt.
Ohne Hinzuziehung der Beigeladenen zu 1. bis 8. als betroffene Steuerberechtigte und der Beigeladenen zu 9. als Steuerpflichtiger erließ der Beklagte bereits unter dem 26.09.1996 einen geänderten Bescheid über die Zerlegung des einheitlichen Gewerbesteuermeßbetrages für 1991. In diesem Bescheid wurde der gesamte Meßbetrag der Klägerin zugeordnet. Die acht anderen in dem vorangegangenen Bescheid berücksichtigten Städte und Gemeinden erhielten keinen Anteil am Gewerbesteuermeßbetrag mehr. Der Bescheid war an...