rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Begriff des Kirchenangehörigen
Leitsatz (redaktionell)
1) Der Wille, einer Religionsgemeinschaft anzugehören, muss sich in einem postiven Bekenntnis zum Glauben manifestieren.
2) Setzt die innerkirchliche Regelung ein formalisiertes Bekenntnis zur Begründung der Mitgliedschaft nicht voraus, so ist der in den staatlichen Kirchensteuergesetzen verwandte Begriff "Kirchenangehöriger" verfassungskonform dahin zu interpretieren, dass als kirchensteuerpflichtiger Angehöriger einer Kirche bzw. Religionsgemeinschaft nur eine solche Person behandelt wird, die sich persönlich oder durch ihre gesetzlichen Vertreter mit einer nach außen hin erkennbaren und zurechenbaren Willensäußerung als der Religionsgemeinschaft zugehörig bekennt.
Normenkette
GG Art. 140, 4 Abs. 1; KiStG NW § 3 Abs. 1, § 15 Abs. 1; GG Art. 137
Tatbestand
I.
Das Klageverfahren befindet sich im zweiten Rechtszug.
Die Klägerin wohnte mit ihrem am ………. 1993 verstorbenen Ehemann im Streitjahr 1989 in …… und wurde dort mit ihm zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Die Mütter der Eheleute waren Jüdinnen.
Nach § 4 der Satzung der Beklagten waren Gemeindemitglieder alle in ihrem Gemeindegebiet wohnhaften Personen, die Juden sind. Das für die Einkommensteuerveranlagung der Eheleute zuständige Finanzamt ……… setzte neben dem an beide Ehegatten gerichteten Einkommensteuerbescheid für 1989 zugleich israelitische Kultussteuer fest. Der hiergegen gerichtete Einspruch hatte keinen Erfolg und wurde mit Einspruchsentscheidung vom 26.11.1993 durch die Beklagte als unbegründet zurückgewiesen.
Mit ihrer dagegen erhobenen Klage wandte sich die Klägerin gegen die Heranziehung zur israelitischen Kultussteuer 1989 und trug vor, dass nicht ausschließlich auf eine formelle Religionszugehörigkeit im Sinne der Satzung der Beklagten abgestellt werden könne, denn es dürfe niemand verpflichtet werden, gegen seinen ausdrücklichen Willen oder ohne seine Kenntnis als Mitglied einer steuerberechtigten Kirche geführt zu werden. Die Klägerin trägt weiter vor, sie und ihr verstorbener Ehemann seien 1978 aus der ehemaligen Sowjetunion in das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland nach …… gekommen. Entsprechend den personenstandsrechtlichen Gepflogenheiten in der ehemaligen Sowjetunion sei die Klägerin in dem sowjetischen Paß als „Jüdin” geführt worden, ihr verstorbener Ehemann …………… als „Lette”. Die Eltern des Verstorbenen hätten sich nicht als Mitglieder einer jüdischen Gemeinde betrachtet und „keine Religion ausgeübt”; gleiches gelte auch für den Verstorbenen.
Die Klägerin legte einen von der Zentralwohlfahrtsstelle der Juden in Deutschland e.V. herausgegebenen „Leitfaden für jüdische Zuwanderer aus der ehemaligen Sowjetunion” (Auszug) vor und berief sich darauf, dass der Eintritt in das Gemeindeleben auf freiwilliger Basis geschähe. Erst mit dem Beitritt zur Gemeinde werde gleichsam das Bekenntnis abgelegt, sich bewußt der jüdischen Gemeinschaft anzuschließen. Ein Bekenntnis sei aber von den Eheleuten weder im Streitjahr noch zuvor abgelegt worden.
Im übrigen sei zur Begründung der Gemeindemitgliedschaft erforderlich, dass zusätzlich ein formalisiertes Aufnahmeverfahren durchlaufen werden müsse.
Zudem trug die Klägerin vor, die steuerpflichtigen Einkünfte für das Jahr 1989 seien ausschließlich ihrem verstorbenen Ehemann zuzuordnen. Daher sei die Berechtigung für die Erhebung von Kultussteuer 1989 allein nach der Person des Verstorbenen zu beurteilen. Demnach käme es auf die Frage, ob die Klägerin Jüdin sei, im Streitfall nicht an.
Während des Klageverfahrens erließ das zuständige Finanzamt mehrere Änderungsbescheide, die jeweils gemäß § 68 FGO zum Gegenstand des Verfahrens gemacht wurden.
Durch Beschluß vom 14.04.1997 wurden die Töchter der Klägerin als Beteiligte zum Verfahren beigeladen.
Mit Urteil des Senats vom 25. Juni 1997 – 11 K 7468/94 – wurde der Kirchensteuerfestsetzungsbescheid zu Gunsten der Klägerin und der Rechtsnachfolgerinnen ihres verstorbenen Ehemannes aufgehoben (Entscheidungen der Finanzgerichte – EFG – 1998, 230). Die Begründung wurde im wesentlichen auf die verfassungsrechtlichen Grundsätze der Glaubens- und Bekenntnisfreiheit gemäß Art. 4 Abs. 1 und 2 GG gestützt, dass jemand nicht lediglich durch seine Geburt der jüdischen Glaubensgemeinschaft zugerechnet werden dürfe. Vielmehr bliebe erforderlich, dass der Betroffene über sein Bekenntnis und seine Zugehörigkeit zu einer Kirche, die durch dieses Bekenntnis bestimmt werde (hier: jüdische Glaubensgemeinschaft), selbst und frei von staatlichen Zwängen entschiede. Deshalb müßte außerhalb der Satzung der beklagten Synagogengemeinde zusätzlich die Voraussetzung erfüllt sein, dass für eine Mitgliedschaft bei der Beklagten auch ein Bekenntnis offenbart sein müßte. Nicht entscheidungserheblich sei, wer Empfänger derartiger Bekenntniserklärungen sei. Dies könnten auch staatliche Behörden sein. Es sei nicht erforderlich, dass der Steuerpflichtige sich für jeden Veranlagungszeitraum gesondert zur R...