Entscheidungsstichwort (Thema)
Regelbesteuerung,; Steuersatz, ermäßigter
Leitsatz (redaktionell)
1. Laut Anlage 2 Nr. 4 und Nr. 35 zu § 12 Abs. 2 des UStG unterliegen Milch, Milcherzeugnisse und Milchmischgetränke dem ermäßigten Steuersatz von 7%.
2. Im Rahmen einer richtlinienkonformen Auslegung umfasst der Begriff Milch' nicht nur Milch tierischen Ursprungs, sondern auch Milch pflanzlichen Ursprungs kann darunter subsumiert werden. Folglich ist der ermäßigte Steuersatz von 7% auch auf pflanzliche Milchersatzprodukte anzuwenden.
Normenkette
UStG § 12 Abs. 2 Nr. 1 i.V.m. Anl. 2 Nr. 4, Nr. 35, Nr. 1
Nachgehend
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die von der Klägerin vorgenommene Lieferung von sogenannten Milchersatzprodukten pflanzlichen Ursprungs dem ermäßigten Steuersatz gemäß § 12 Abs. 2 Nr. 1 UStG unterliegt, insbesondere ob diese Milchersatzprodukte zu den in der genannten Anlage 2 zu § 12 Abs. 2 Nr. 1 UStG aufgeführten Gegenständen gehören.
Die Klägerin verkauft und liefert Milchersatzprodukte pflanzlichen Ursprungs, die wie sonstige Lebensmittel und Getränke für Verbraucher im allgemeinen Handel erhältlich sind. Dabei handelte es sich um aus Soja, Reis oder Hafer gewonnene Flüssigkeiten, die als Substitut für trinkbare Kuhmilch eingesetzt werden.
Die pflanzlichen Milchersatzprodukte verfügen wie tierische Milchprodukte über den für den Verbraucher maßgeblichen Eiweißgehalt sowie über vergleichbare Mengen an Kohlehydraten und an Mineralstoffen.
Sie sind ebenso wie tierische Milch zur Prävention vor Osteoporose geeignet. Die Nährwerte der pflanzlichen Milchersatzprodukte entsprechen den Nährwerten tierischer Kuhmilch, insbesondere hinsichtlich des Brennwerts, des Eiweiß, der Kohlenhydrate, der Fette und des Calciums ist eine Vergleichbarkeit gegeben.
Die pflanzlichen Milchersatzprodukte sind ebenso wie tierische Milch zum direkten Verzehr als Getränk, zur Zubereitung anderer Lebensmittel, für Nachspeisen oder als Beigabe für Kaffee und Tee zu verwenden. Aufgrund der übereinstimmenden Eigenschaften tierischer Milch und pflanzlicher Milchersatzprodukte werden beide Milcharten in Kochrezepten gleichermaßen für die Zubereitung von Speisen empfohlen.
Die pflanzlichen Milchersatzprodukte dienen darüber hinaus als Substitut für Verbraucher, die an einer Überempfindlichkeit gegen Milchzucker (sogenannte Laktoseüberempfindlichkeit) leiden und deshalb keine Milch tierischen Ursprungs verzehren können. Dies trifft auf ca. 15 % der erwachsenen Bevölkerung in Deutschland zu. Darüber hinaus ersetzen pflanzliche Milchersatzprodukte tierische Milch im Fall einer Kuhmilcheiweißallergie, von der ca. 2 % der deutschen Bevölkerung betroffen sind. Die Milchersatzprodukte ersetzen aufgrund ihrer Cholesterinfreiheit und ihres günstigen Fettsäureprofils Milch tierischen Ursprungs auch bei Verbrauchern, die an Fettstoffwechselstörungen leiden.
Die pflanzlichen Milchersatzprodukte ähneln schließlich in ihrer Beschaffenheit und ihrem Aussehen tierischen Milchprodukten.
Die Klägerin unterwarf unter anderem auch für das zweite Quartal 2002 den Verkauf dieser pflanzlichen Milchersatzerzeugnisse dem ermäßigten Steuerersatz gemäß § 12 Abs. 2 Nr. 1 UStG.
Im Rahmen einer am 12.03.2002 für den Voranmeldungszeitraum Januar bis Dezember 2001 angemeldeten und am 30.09.2002 für den Zeitraum des ersten und zweiten Quartals 2002 erweiterten Umsatzsteuersonderprüfung gelangte der Beklagte zu der Auffassung, dass es sich bei den pflanzlichen Milchersatzprodukten nicht um solche Waren handele, die in der Liste der Anlage 2 zu § 12 Abs. 2 Nr. 1 UStG als dem ermäßigten Steuersatz unterliegende Gegenstände aufgeführt seien und deshalb auch nicht dem ermäßigten Steuersatz von 7 % zu unterwerfen seien.
Im Rahmen des Umsatzsteuerprüfungsberichts vom 21.10.2002 wies der Beklagte daraufhin, dass die Umsätze aus dem Verkauf der von der Klägerin produzierten Milchersatzprodukte dem ermäßigten Steuersatz unterworfen worden seien. Der ermäßigte Steuersatz gemäß § 12 Abs. 2 UStG sei jedoch nur anzuwenden, wenn das Produkt in der Liste der Anlage 2 zu § 12 Abs. 2 UStG aufgeführt sei. Dies sei jedoch nicht der Fall. Insbesondere seien die von der Klägerin produzierten und vertriebenen Milchersatzprodukte nicht dem Kapitel 21 des Zolltarifs zuzuordnen. Auch Position 22.02 des Zolltarifs können nicht herangezogen werden, da es sich insoweit nicht um ein Milchmischgetränk handele. Die Anwendung des ermäßigten Steuersatzes sei daher nicht möglich und die betreffenden Umsätze der Regelbesteuerung zu unterwerfen.
Auf der Grundlage dieses Umsatzsteuersonderprüfungsberichts erließ der Beklagte am 06.12.2002 einen geänderten Umsatzsteuervorauszahlungsbescheid für das zweite Kalendervierteljahr 2002, in dem nunmehr die Lieferung der Milchersatzprodukte nicht mehr mit dem ermäßigten Steuersatz von 7 %, sondern dem Regelsteuersatz von 16 % unterworfen wurde, was insoweit zu einer Mehrsteuer in Höhe von 155.011 EUR fü...