Entscheidungsstichwort (Thema)
Verfassungsmäßigkeit der Steueridentifikationsnummer
Leitsatz (redaktionell)
1) Die Vergabe und Mitteilung der Steueridentifikationsnummer stellt keinen Verwaltungsakt i.S.d. § 118 Satz 1 AO dar.
2) Die Vergabe der Steueridentifikationsnummer ist verfassungsgemäß.
Normenkette
AO §§ 139a, 139b, 139d; EGAO Art. 97 § 5; GG Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1, Art. 108 Abs. 5; AO § 118
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Vergabe der Steueridentifikationsnummer verfassungsgemäß ist.
Dem Kläger wurde vom Beklagten unter der Bezeichnung „Persönliche Identifikationsnummer” die steuerliche Identifikationsnummer … zugeteilt. Diese Nummer wurde ihm mit Schreiben vom 4. August 2008 mitgeteilt. In dem Schreiben heißt es u.a. wörtlich:” … Sie ≪Anm.: die Steueridentifikationsnummer≫ wird für steuerliche Zwecke verwendet und ist lebenslang gültig. Sie werden daher gebeten, dieses Schreiben aufzubewahren, auch wenn Sie derzeit steuerlich nicht geführt werden. Bitte geben Sie Ihre Identifikationsnummer bei Anträgen, Erklärungen und Mitteilungen zur Einkommen-/Lohnsteuer gegenüber Finanzbehörden immer an. …” Es folgt die Angabe der gespeicherten Daten: Name, Vorname, Geschlecht, vollständige Adresse, Geburtstag und -ort.
Insgesamt sieht die Mitteilung – je nach Gegebenheiten – folgende Eintragungen vor: 1) Titel, Familienname; 2) Ehename; 3) Lebenspartnerschaft; 4) Geburtsname; 5) Vornamen; 6) Geschlecht; 7) vollständige Adresse; 8) Geburtstag und -ort; 9) Geburtsstaat (bei Geburt im Ausland).
Eine Rechtsmittelbelehrung ist dem Schreiben nicht beigefügt.
Am 4. September 2008 erhob der Kläger Klage.
Der Kläger trägt vor, dass die Klage zulässig sei. Statthafte Klageart sei die Feststellungsklage nach § 41 Abs. 1 FGO auf Feststellung des Nicht-Bestehens eines Rechtsverhältnisses. Die Vergabe der Steueridentifikationsnummer sei ein im Steuerrecht wurzelndes gegenwärtiges, konkretes Rechtsverhältnis. Mangels Verwaltungsaktes scheide eine Anfechtungsklage aus. Die Feststellungsklage sei im Streitfall auch nicht subsidiär zu einer allgemeinen Leistungsklage. § 41 Abs. 2 Satz 1 FGO sei seinem Zweck entsprechend einschränkend auszulegen. Wenn die Feststellungsklage den effektiveren Rechtsschutz biete, stehe ihr nichts entgegen. Es drohe auch keine Umgehung der für Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen geltenden Bestimmungen über Fristen und Vorverfahren. Könne eine streitige Frage sachgerecht und umfassend durch Feststellungsurteil geklärt werden, verbiete es sich, den Kläger auf eine Gestaltungs- oder Leistungsklage zu verweisen. In deren Rahmen wäre das Rechtsverhältnis, an dessen selbständiger Feststellung er ein berechtigtes Interesse habe, nur eine Vorfrage.
Die Klage sei zudem begründet.
Die Vergabe von Steueridentifikationsnummern aufgrund von § 139b AO sei rechtswidrig und verletze ihn, die Kläger, in seinem aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG abgeleiteten Recht auf informationelle Selbstbestimmung.
Informationelle Selbstbestimmung sei das Recht des Einzelnen, grundsätzlich selbst über die Preisgabe und Verwendung seiner personenbezogenen Daten zu bestimmen. Jedem Bürger werde damit grundsätzlich das Recht garantiert, über die Preisgabe und die Verwendung seiner persönlichen Daten selbst entscheiden zu können.
§ 139b AO greife in diese grundrechtlich geschützte Rechtsposition ein, da er die Erhebung, Speicherung, Weitergabe und Verwendung von persönlichen Daten ermögliche. Gespeichert würden vom Bundeszentralamt für Steuern die in § 139b Abs. 3 AO vorgesehenen Daten. Ferner würden die Finanzbehörden und andere (nicht-) öffentliche Stellen zur Erhebung, Verwendung und Weitergabe der Identifikationsnummer ermächtigt.
Dieser Eingriff in die informationelle Selbstbestimmung sei aus mehreren Gründen verfassungsrechtlich nicht gerechtfertigt.
Das Bestimmtheitsgebot verlange, dass der Anlass, der Zweck und die Grenzen des Eingriffs in der Ermächtigung bereichsspezifisch, präzise und normenklar festgelegt werden müssten.
Soweit es um die Ermächtigung zur Erhebung, Verwendung und Weitergabe der Identifikationsnummer durch andere öffentliche oder nicht öffentliche Stellen nach § 139b Abs. 2 AO geht, mangele es an der hinreichenden Bestimmtheit der Ermächtigungsgrundlage.
Insbesondere eine wirksame Zweckbindung für die Verwendung der Steueridentifikationsnummer fehle in der Ermächtigungsgrundlage. Der unbestimmte Begriff der „andere(n) öffentliche(n) oder nicht öffentliche(n) Stellen” aus § 139b Abs. 2 Satz 2 AO werde nicht näher definiert und sei auch einer einschränkenden Auslegung nicht zugänglich. In Anbetracht der Vielzahl von Steuergesetzen und den darüber hinaus bestehenden Möglichkeiten zum Datenaustausch zwischen Finanz- und Sozialbehörden sowie Dritten sei für den Bürger nicht überschaubar, welchen Stellen der Zugriff auf die Steueridentifikationsnummer gestattet sei.
§ 139b Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 AO eröffne den Finanzbehörden die Möglichkeit, die Steueridentifikationsnummer für sämtliche Formen d...