Entscheidungsstichwort (Thema)
Verfassungsmäßigkeit der Steueridentifikationsnummer
Leitsatz (redaktionell)
Die Vergabe einer Steueridentifikationsnummer ist verfassungsgemäß.
Normenkette
AO § 139b; GG Art. 2, 1 Abs. 1, Art. 4; AO § 139a
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Vergabe der Steueridentifikationsnummer verfassungsgemäß ist.
Der Klägerin wurde vom Beklagten unter der Bezeichnung „Persönliche Identifikationsnummer” eine steuerliche Identifikationsnummer zugeteilt. Diese Nummer wurde ihr mit Schreiben vom 14. September 2008 mitgeteilt. In dem entsprechenden Schreiben heißt es u.a. wörtlich: „ … Sie ≪Anm.: die Steueridentifikationsnummer≫ wird für steuerliche Zwecke verwendet und ist lebenslang gültig. Sie werden daher gebeten, dieses Schreiben aufzubewahren, auch wenn Sie derzeit steuerlich nicht geführt werden. Bitte geben Sie Ihre Identifikationsnummer bei Anträgen, Erklärungen und Mitteilungen zur Einkommen-/Lohnsteuer gegenüber Finanzbehörden immer an. …” Es folgt die Angabe der gespeicherten Daten: Name, Vorname, Geschlecht, vollständige Adresse, Geburtstag und -ort.
Insgesamt sieht die Mitteilung – je nach Gegebenheiten – folgende Eintragungen vor: 1) Titel, Familienname; 2) Ehename; 3) Lebenspartnerschaft; 4) Geburtsname; 5) Vornamen; 6) Geschlecht; 7) vollständige Adresse; 8) Geburtstag und -ort; 9) Geburtsstaat (bei Geburt im Ausland).
Am 10. März 2009 erhob die Klägerin Klage.
Zur Begründung trägt die Klägerin vor, dass die Vergabe der Steueridentifikationsnummer aufgrund von § 139b AO rechtswidrig sei und sie in ihrem aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG abgeleiteten Recht auf informationelle Selbstbestimmung verletze.
§ 139b AO greife in diese grundrechtlich geschützte Rechtsposition ein, da er die Erhebung, Speicherung, Weitergabe und Verwendung von persönlichen Daten ermögliche. Gespeichert würden vom Bundeszentralamt für Steuern die in § 139b Abs. 3 AO vorgesehenen Daten. Ferner würden die Finanzbehörden und andere (nicht-) öffentliche Stellen zur Erhebung, Verwendung und Weitergabe der Identifikationsnummer ermächtigt.
Dieser Eingriff in die informationelle Selbstbestimmung sei aus mehreren Gründen verfassungsrechtlich nicht gerechtfertigt. Die Regelung der §§ 139 a und 139b AO würden weder dem Gebot der Normenklarheit und Tatbestandsbestimmtheit noch dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entsprechen.
Soweit es um die Ermächtigung zur Erhebung, Verwendung und Weitergabe der Identifikationsnummer durch andere öffentliche oder nicht öffentliche Stellen nach § 139b Abs. 2 AO gehe, mangele es indes an der hinreichenden Bestimmtheit der Ermächtigungsgrundlage.
Insbesondere eine wirksame Zweckbindung für die Verwendung der Steueridentifikationsnummer fehle in der Ermächtigungsgrundlage. Der unbestimmte Begriff der „andere(n) öffentliche(n) oder nicht öffentliche(n) Stellen” aus § 139b Abs. 2 Satz 2 AO werde nicht näher definiert und sei auch einer einschränkenden Auslegung nicht zugänglich. In Anbetracht der Vielzahl von Steuergesetzen und den darüber hinaus bestehenden Möglichkeiten zum Datenaustausch zwischen Finanz- und Sozialbehörden sowie Dritten sei für den Bürger nicht überschaubar, welchen Stellen der Zugriff auf die Steueridentifikationsnummer gestattet sei. Letztlich dürfe jede Stelle die Identifikationsnummer erheben und verwenden. Damit sei die Bestimmung grenzenlos.
Auch der Verwendungszweck für die Erhebung und Verwendung der Steueridentifikationsnummer sei nicht genau geregelt.
Nicht hinreichend bestimmt sei auch § 139b Abs. 4 Nr. 4 AO. Danach erfolge die Speicherung, um Daten, die aufgrund eines Gesetzes oder nach über- oder zwischenstaatlichem Recht entgegenzunehmen seien, an die zuständigen Stellen weiterleiten zu können. Diese Regelung mache nicht eingrenzend klar, um welche Gesetze es sich handele.
Entsprechendes gelte für § 139b Abs. 4 Nr. 5 AO, der die Datenspeicherung zum Zwecke der Erfüllung der den Finanzbehörden durch Rechtsvorschrift zugewiesenen Aufgaben vorsehe. Es sei nicht auszuschließen, dass im Nachgang zur Einführung der Identifikationsnummer neue Gesetze geschaffen würden, die den Finanzbehörden Aufgaben auferlegen würden, zu deren Erfüllung sie auf die Identifikationsnummer zugreifen müssten. Insofern komme auch § 139b Abs. 4 Nr. 5 AO keine begrenzende Funktion zu. Vielmehr sei eine beliebige Erweiterung der Datenverwendung möglich.
Darüber hinaus verstoße § 139b AO gegen das Übermaßverbot.
Die neue zentrale Steuernummer sei nicht erforderlich. Es gebe nämlich ein gleich wirksameres, milderes Mittel: die jetzige Steuernummer. Das bisherige System mit den Steuernummern der Bundesländer gebe es schon seit 80 Jahren – und es sei erfolgreich. Wenn man etwas hätte verbessern wollen, hätte die Zusammenarbeit der Bundesländer besser abgestimmt werden können, um eine größere Steuergerechtigkeit zu gewährleisten. Außerdem könne beim Schreiben von Zahlen ein Fehler einfacher unterlaufen als beim Schreiben von Namen.
Der Hinweis auf internationale Standards...