Entscheidungsstichwort (Thema)
Keine Anrechnung von Arbeitgebersozialversicherungsbeiträgen bei der Einkommensteuer
Leitsatz (redaktionell)
1) Arbeitgebersozialversicherungsbeiträge, die jedenfalls zu 10 v.H. für versicherungsfremde Leistungen verwendet werden, können beim Steuerpflichtigen nicht etwa als gezahlte Steuern betrachtet und deshalb auf dessen Einkommensteuerschuld angerechnet werden. Hierfür gibt es im Einkommensteuergesetz keine Grundlage.
2) Der Gesetzgeber ist verfassungsrechtlich nicht verpflichtet, den Verlustabzug erst nach Ansatz eines steuerlichen Existenzminimums anzusetzen. Solange der Verlustvortrag nicht verbraucht ist, braucht der Steuerpflichtige keine Einkommensteuern zu zahlen.
Normenkette
EStG § 10d Abs. 1; GG Art. 1 Abs. 1; EStG § 36 Abs. 2
Nachgehend
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist die Verfassungsmäßigkeit der Berücksichtigung von Arbeitgeberbeiträgen zur Sozialversicherung sowie die Behandlung des Verlustvortrags streitig.
Der Kläger erzielt als Kfz-Sachverständiger und die Klägerin als Krankengymnastin Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit. Sie werden gemeinsam zur Einkommensteuer veranlagt.
In den angefochtenen Einkommensteuerbescheiden für 1993 bis 1999 bzw. den gesonderten Feststellungen des verbleibenden Verlustvortrags zum 31.12.1993 ff. ermittelte der Beklagte die Besteuerungsgrundlagen unstreitig anhand der geltenden Gesetze und erließ entsprechende Einkommensteuer- bzw. Verlustfeststellungsbescheide. Wegen der Einzelheiten wird auf die entsprechenden, angefochtenen Bescheide Bezug genommen.
Die gegen die Bescheide eingelegten Einsprüche wies der Beklagte jeweils als unbegründet zurück.
Mit der Klage tragen die Kläger vor:
Sie fühlten sich durch die derzeitigen gesetzlichen Regelungen in ihren Grundrechten verletzt. Nach 26 Jahren als Inhaberin einer Krankengymnastikpraxis bzw. 8 Jahren als Inhaber eines Sachverständigenbüros werde jeglicher nennenswerte Erlös durch die Überlastung der Arbeitgebersozialversicherungsanteile mit anderen Aufgaben und daraus folgenden Erhöhungen aufgezehrt. Nach Meinung von Experten der Bundes- und Landesministerien verschlängen zur Zeit bei den bis zu 42% liegenden Sozialversicherungspflichtbeiträgen allein die versicherungsfremden Leistungen einen Prozentsatz von über 10 v.H. des Bruttolohnes, d.h. mindestens 25 % der gezahlten Gesamtsozialversicherungsbeiträge. Diese gesetzliche Zweckentfremdung von Sozialversicherungsbeiträgen im Bereich versicherungsfremder Leistungen sei eine Sondersteuer für alle Arbeitsplätze, die bei Steuerzahlungen angerechnet oder bei Verlusten zurückerstattet werden müsse. Ansonsten entstehe durch die Steuerzahlungen ein grundgesetzwidriger Bestandsverzehr und die Gefahr der Existenzvernichtung.
Des Weiteren sei es verfassungswidrig, dass Verlustvorträge bei der Ermittlung des zu versteuernden Einkommens abgezogen würden. Sie dürften erst nach Berücksichtigung des steuerlichen Existenzminimums angesetzt werden, da ansonsten der Verlustvortrag steuerlich verbraucht werde, ohne dass zuvor das Existenzminimum berücksichtigt worden sei.
Wegen der Berechnungen im einzelnen wird auf den Schriftsatz der Kläger vom 27. September 2002 Bezug genommen.
Die Kläger beantragen,
- das Verfahren auszusetzen und dem Bundesverfassungsgericht die Frage vorzulegen, ob die einkommensteuerliche Behandlung der Sozialversicherungsbeiträge und die Berücksichtigung einer Verlustverrechnung vor dem Ansatz des Existenzminimums verfassungsgemäß sei;
- hilfsweise, unter Änderung der angefochtenen Bescheide den Beklagten zu verurteilen, 10 % der gezahlten Arbeitgebersozialversicherungsbeiträge als bezahlte Steuer zu betrachten und zu erstatten bzw. diese Summe bei einem Verlust auf den Verlustvortrag anzurechnen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Senat hat die getrennt erhobenen Klagen 10 K 3225/99, 5005/00, 4823/01 und 6755/01 in der mündlichen Verhandlung zu gemeinsamer Verhandlung und Entscheidung verbunden.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Anfechtungsklage ist unbegründet.
1. Anrechnung von Sozialversicherungsbeiträgen als gezahlte Steuern
Soweit die Kläger begehren, 10 % der gezahlten Arbeitgebersozialversicherungsbeiträge als gezahlte Steuern zu betrachten und zu erstatten, wenden sie sich gegen die Anrechnungsverfügungen zu den Einkommensteuerbescheiden für die Streitjahre. Insoweit greifen sie nämlich nicht die Steuerfestsetzung als solche an, sondern begehren die Berücksichtigung weiterer Zahlungen als Einkommensteuervorauszahlungen.
Die angefochtenen Anrechnungsverfügungen sind jedoch rechtmäßig und verletzen die Kläger deshalb nicht in ihren Rechten, vgl. § 100 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung – FGO –.
Der Beklagte hat zu Recht nicht Teile der Arbeitgebersozialversicherungsbeiträge als bezahlte Steuern berücksichtigt.
§ 36 Abs. 2 des Einkommensteuergesetzes in der jeweils geltenden Fassung – EStG – enthält die Zahlungen, die auf die festgesetzte Einkommensteuer ange...