Entscheidungsstichwort (Thema)
Veranlagung von Arbeitnehmern
Leitsatz (redaktionell)
Eine ESt-Veranlagung von Amts wegen unterbleibt (entgegen der Rechtsprechung des BFH), wenn die sonstigen negativen Einkünfte 800 Euro übersteigen. Voraussetzung für die Anwendung des § 46 Abs. 2 Nr. 1 EStG ist ein positiver Saldo über 800 Euro.
Normenkette
EStG § 46 Abs. 2 Nrn. 1, 8
Nachgehend
Tatbestand
Streitig ist, ob es der Beklagte zu Recht abgelehnt hat, für das Streitjahr 2000 eine Einkommensteuerveranlagung durchzuführen.
Die ledige Klägerin ist Angestellte bei der E AG und erzielte im Streitjahr Einkünfte aus nichtselbständiger Tätigkeit. Die Einkommensteuererklärung 2000 reichte sie durch ihren Prozessbevollmächtigten am 17.08.2005 (Begleitschreiben vom 15.08.2005) beim Beklagten – dem Finanzamt (FA) – ein. Neben den Einkünften aus nichtselbständiger Tätigkeit erklärte die Klägerin Einnahmen aus Kapitalvermögen i. H. v. 1.694,– DM nebst Steuerabzugsbeträgen sowie vorab entstandene Werbungskosten aus Vermietung und Verpachtung aus dem im Februar des Streitjahres angeschafften Objekt B i. H. v. 4.247,– DM.
Mit Bescheid vom 26.08.2005 lehnte das FA die Durchführung der Einkommensteuerveranlagung ab, weil die Antragsfrist gem. § 46 Abs. 2 Nr. 8 EStG bereits am 31.12.2002 abgelaufen sei.
Mit dem hiergegen fristgerecht erhobenen Einspruch begehrte die Klägerin unter Hinweis auf die EStG 217 Abs.1 die Durchführung einer Veranlagung von Amts wegen nach den Vorschriften des § 46 Abs. 2 Nr. 1 bis 7 EStG. Die Festsetzungsfrist gem. §§ 169, 170 Abgabenordnung (AO) stehe dem nicht entgegen.
Mit Einspruchsentscheidung vom 18.11.2005 wies der Beklagte den Einspruch als unbegründet zurück, weil sowohl die Voraussetzungen für eine Veranlagung von Amts wegen als auch die einer Antragsveranlagung nicht vorlägen. Insbesondere scheide eine Veranlagung nach § 46 Abs.2 Nr. 1 EStG aus, weil die Einkünfte, die nicht dem Lohnsteuerabzug unterlägen (Einkünfte aus § 20 EStG und § 21 EStG) in der Summe negativ seien und damit den Betrag von 800,– DM nicht überstiegen. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Einspruchsentscheidung Bezug genommen.
Mit der fristgerecht erhobenen Klage verfolgt die Klägerin ihr Begehren auf Durchführung der Einkommensteuerveranlagung weiter. Vorliegend sei § 46 Abs. 2 Nr. 1 EStG einschlägig, wonach eine Veranlagung von Amts wegen durchzuführen sei, soweit die nicht dem Steuerabzug unterliegenden steuerpflichtigen Einkünfte mehr als 800,– DM betragen würden. Entgegen der vom FA vertretenen Meinung komme es nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) nicht auf den positiven Betrag von 800,– DM sondern auf den absoluten Betrag, egal ob positiv oder negativ, an. So habe der BFH beispielsweise in seinen Urteilen vom 02.12.1971 (Az. IV R 142/70, veröffentlicht im Bundessteuerblatt – BStBl – Teil II 1972, S. 278) und vom 24.04.1961 (Az. VI 246/60 veröffentlicht in BStBl III 1961, S. 310) in den Gründen ausgeführt: „Um den begünstigten Betrag dieser Einkünfte zu ermitteln, sind die positiven mit den negativen Einkünften zu verrechnen. Übersteigt der Saldo den Betrag von 800,– DM…” und an anderer Stelle: „Der Betrag von 800,– DM ist also z.B. nicht überschritten, wenn ein Arbeitnehmer Einkünfte aus selbständiger Arbeit in Höhe von 1.200,– DM und einen Verlust aus Vermietung und Verpachtung in Höhe von 600,– DM gehabt hat.” Der Saldo betrage – so der Prozessbevollmächtigte – im Ergebnis nämlich 600,– DM und liege damit unter der Freigrenze von 800,– DM. Vorliegend belaufe sich der Saldo auf 4.247,– DM, womit er unzweifelhaft über 800,– DM liege. Dass der Saldo als solcher positiv sein müsse, sei der Vorschrift nicht zu entnehmen. Im Gegenteil, es würde dem Ziel des § 46 EStG, nämlich überflüssige Veranlagungen wegen Kleinstbeträge zu vermeiden, zuwiderlaufen. Im übrigen wäre es für den Gesetzgeber ein leichtes gewesen, „mehr als plus 800,– DM” zu formulieren, hätte er es denn gewollt. Schließlich könne die Summe der Einkünfte gemäß der Einkommensteuerrichtlinie 3 zu § 2 EStG Ziffer 4 auch negativ sein.
In gleicher Weise werde der Begriff der Freigrenze in zahlreichen Urteilen der Finanzgerichte und des BFH, z. B. zur Bestimmung der Gewerblichkeit beim gewerblichen Grundstückshandel verwandt, wo ein gewerblicher Grundstückshandel in der Regel bei dem Verkauf von drei oder mehr Grundstücken angenommen werde, unabhängig davon, ob diese mit Verlust oder Gewinn verkauft worden seien. Es komme also auch hier nur auf den absoluten Betrag/die absolute Zahl von 3 an.
Folglich stehe auch § 46 Abs. 2 Nr. 1 EStG der begehrten Veranlagung von Amts wegen nicht entgegen. Es stelle das Recht auf den Kopf, wenn bei einem Steuerpflichtigen unterhalb der Saldofreigrenze von 800,– DM liegende Beträge unversteuert blieben, dieser andererseits aber – wie vorliegend – zur Versteuerung von 4.247,– DM (Verlust) zuviel gezwungen würde. Sinn u...