Entscheidungsstichwort (Thema)
Ermittlung des behinderungsbedingten Mehrbedarfs
Leitsatz (redaktionell)
Beansprucht der Steuerpflichtige im Rahmen der Kindergeldfestsetzung nach § 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 3 EStG die Berücksichtigung eines den Pauschbetrag übersteigenden höheren behinderungsbedingten Mehrbedarfs, hat er diesen substantiiert darzulegen und nachzuweisen.
Normenkette
EStG § 32 Abs. 4 Sätze 1, 1 Nr. 3, § 63 Abs. 1, 1 S. 2, § 32 Abs. 4
Nachgehend
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Gewährung von Kindergeld an die schwerbehinderte Schwester des Klägers. Im wesentlichen geht es um die Frage, ob die Schwester aufgrund einer Erwerbsunfähigkeitsrente in der Lage ist, sich selbst zu unterhalten.
Die Schwester des Klägers, Frau …, ist 1937 geboren. Ausweislich ihres Schwerbehindertenausweises beträgt der Grad der Minderung der Erwerbsfähigkeit 70 v.H. Frau … leidet an einer endogenen Depression mit vegetativer und psychischer Erregbarkeitssteigerung. Sie steht ständig unter Psychopharmaka. Es ist von einer ständigen Überwachungs- und Pflegebedürftigkeit auszugehen. Für den Fall der Nichtbetreuung durch Verwandte dürfte eine Einweisung erforderlich sein.
Der Kläger hatte seine Schwester in seinen Haushalt aufgenommen und sie wenigstens zum Teil auf seine Kosten unterhalten. Der Kläger hatte bereits am 10. Dezember 1981 ein Urteil des Sozialgerichts Köln (Az. S 10 Ar 74/80) erstritten, mit welchem seiner Schwester die Zahlung von Kindergeld bewilligt worden war.
Mit Bescheid vom 25.05.1998 hob der Beklagte die Festsetzung des Kindergeldes ab Juni 1998 auf, da Frau … in der Lage sei, sich selbst zu unterhalten.
Im Rahmen des nachfolgenden Einspruchsverfahrens sandte der Beklagte unter dem 20.07.1998 ein Erörterungsschreiben an den Kläger, in dem es u.a. heißt:
„… Ihre Schwester hat Einkommen, das die Grenze übersteigt. … Die Grenze des Selbstunterhalts ist 12.360 DM … plus Behindertenpauschbetrag. … Im Falle Ihrer Schwester sind das 1.740 DM, daher beträgt die Einkommensgrenze 14.100 DM. Über diesen Freibetrag hinaus kann behinderungsbedingter Mehrbedarf nachgewiesen werden … Falls dies bei Ihrer Schwester zutrifft, … bitte ich um Mitteilung.”
Nachdem eine Antwort hierauf nicht erfolgt war, wies der Beklagte den Einspruch mit Einspruchsentscheidung vom 10.11.1998 als unbegründet zurück.
Mit der unter dem 14.12.1998 erhobenen Klage verfolgt der Kläger sein Begehren auf fortdauernde Bewilligung von Kindergeld für seine Schwester weiter.
Der Kläger ist der Auffassung, daß nach wie vor die Voraussetzungen für die Gewährung von Kindergeld erfüllt seien. So wie in dem durch das Urteil vom 10. Dezember 1981 abgeschlossenen Rechtsstreit gehe es auch heute um die Beurteilung, ob trotz der an die Schwester gezahlten Erwerbsunfähigkeitsrente – heute Altersrente – Kindergeld zu zahlen sei.
Der Kläger trägt unwidersprochen vor, die Verhältnisse hätten sich gegenüber 1981 nicht verbessert. Seine Schwester erhalte nach wie vor Einkommen aus der damals schon bestehenden Rente. Der Gesundheitszustand der Schwester sei altersbedingt noch schlechter geworden. Da der Gesetzgeber mit der Aufnahme der Kindergeldvorschriften in das Einkommensteuergesetz keine sachliche Änderung habe vornehmen wollen, sei der Betreuungsbedarf durch das Urteil des Sozialgerichts hinreichend dargelegt. Zudem könne hinsichtlich des Bedarfes an persönlicher Betreuung auch kein konkreter Betrag beziffert werden.
Der Kläger beantragt,
den Aufhebungsbescheid vom 25.05.1998 und die Einspruchsentscheidung vom 10.11.1998 aufzuheben.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Beklagte weist darauf hin, daß die Behinderung der Schwester … nachgewiesen und im übrigen auch unstreitig sei. Streitig sei zwischen den Beteiligten nur noch, ob die Schwester des Klägers außer Stande sei, sich selbst zu unterhalten.
Nach Auffassung des Beklagten ist dies nicht der Fall: Der Beklagte hat – und die folgenden Berechnungen sind unstreitig – einen Ertragsanteil der Rente (§ 22 EStG) in Höhe von jährlich 5.530,66 DM errechnet. Daneben hat der Beklagte Bezüge i.H.v. jährlich 11.017,72 DM festgestellt; hierunter fallen die über den Ertragsanteil hinausgehenden Rentenbeträge und die Zuschüsse des Rententrägers zu den Aufwendungen für die Kranken- und Pflegeversicherung.
Der Beklagte trägt somit unwidersprochen vor, die Summe der Einkünfte und Bezüge betrage 17.348,32 DM (wegen der Einzelheiten wird auf die Berechnung Blatt 41 GA verwiesen).
Der Beklagte meint, der für die Klägerin ausschlaggebende Grenzbetrag sei damit überschritten. Den Grenzbetrag i.H.v. 14.100,– DM errechnet der Beklagte aus der Grenze i.H.v. 12.360,00 DM des § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG in der im Streitjahr gültigen Fassung zuzüglich eines Behinderten-Pauschbetrages analog § 33 b Abs. 3 Satz 2 i.H.v. 1.740,00 DM. Wegen der Überschreitung dieses Grenzbetrages, so der Beklagte, bestehe für eine steuerliche Entlastun...