Entscheidungsstichwort (Thema)
Rückforderung einer auf ein Anderkonto des Insolvenzverwalters erfolgten ESt-Erstattung für einen Zeitabschnitt nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens, Nachtragsverteilung, Treu und Glauben
Leitsatz (redaktionell)
1) Für die insolvenzrechtliche Entstehung des Erstattungsanspruchs ist nicht dessen steuerrechtlicher Entstehungszeitpunkt maßgebend, sondern der Zeitpunkt, in dem nach insolvenzrechtlichen Grundsätzen der Rechtsgrund für den Erstattungsanspruch gelegt worden ist.
2) Zahlungen, die auf einem vom Insolvenzverwalter eingerichteten Anderkonto (offenes Vollrechtstreuhandkonto) eingehen, fallen weder in das Schuldnervermögen noch in die Masse, sondern stehen ausschließlich dem Insolvenzverwalter als Leistungsempfänger zu und können von diesem gemäß § 37 Abs. 2 AO zurückgefordert werden.
3) Der Rückforderungsanspruch des FA ist gemäß den Grundsätzen von Treu und Glauben um den aus der ESt-Erstattung für den Zeitabschnitt nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens und im Rahmen der Nachtragsverteilung ausgezahlten Betrag zu mindern.
Normenkette
AO § 37 Abs. 2
Nachgehend
BFH (Aktenzeichen VII B 43/19) |
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Rechtmäßigkeit der Rückforderung einer auf ein Konto des Insolvenzverwalters erfolgten Einkommensteuererstattung für einen nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens liegenden Zeitabschnitt.
Der Kläger war Insolvenzverwalter in dem am ….5.2011 eröffneten Insolvenzverfahren der Frau A – AG C Az. … IN …/11 –, das mit Beschluss vom 08.07.2014 mit Wirkung vom gleichen Tage nach Vollzug der Schlussverteilung aufgehoben wurde. Am ….7.2017 wurde der Schuldnerin antragsgemäß die Restschuldbefreiung erteilt.
Mit dem am 10.7.2015 eingegangenen Schreiben vom 9.7.2015 übersandte der Kläger die von ihm unterzeichnete Einkommensteuererklärung der Schuldnerin und ihres Ehemannes für das Jahr 2014. Dabei wies er darauf hin, dass sämtliche Erstattungsbeträge ausschließlich der Insolvenzmasse zustünden und unverzüglich an ihn zu leisten seien. Mit dem an den Kläger als Insolvenzverwalter der Frau A ergangenen Einkommensteuerbescheid 2014 vom 17.8.2015 setzte der Beklagte die Einkommensteuer antragsgemäß fest und bezifferte in der hierauf bezogenen Abrechnung den auf die Insolvenzschuldnerin entfallenden Erstattungsbetrag mit 1232,52 €. Dieser Betrag wurde sodann auf das von dem Kläger benannte Konto bei der B-Bank in C Nr. 1 erstattet. Einen weiteren auf dieses Konto überwiesenen Erstattungsbetrag aufgrund der Einkommensteuerfestsetzung 2015 vom 11.10.2016 überwies der Kläger am 19.5.2017 an die Finanzkasse zurück.
Im Rahmen des die Einkommensteuer 2016 betreffenden Veranlagungsverfahrens teilte der Kläger dem Beklagten mit Schreiben vom 1.8.2017 mit, dass das Insolvenzverfahren am 08.07.2014 aufgehoben und eine Nachtragsverteilung für die Jahre 2015 und 2016 nicht angeordnet worden sei. Sodann legte er dem Beklagten auf dessen Nachfrage mit Schreiben vom 11.10.2017 den im Verfahren Az. … IN …/11 ergangenen Beschluss des AG C vom ….10.2017 vor, mit dem hinsichtlich der Erstattung der Einkommensteuer für das Jahr 2014 anteilig bis zur Verfahrensaufhebung die Nachtragsverteilung (§ 203 Abs. 1 InsO) angeordnet wurde.
Nach vorangegangener Anhörung des Klägers forderte der Beklagte mit Bescheid vom 20.11.2017 gemäß § 37 Abs. 2 der Abgabenordnung – AO – die an den Kläger geleistete Erstattung der Einkommensteuer 2014 der Insolvenzschuldnerin i.H.v. 1232,52 € zurück. Im Rahmen des hiergegen gerichteten Einspruchsverfahrens erkannte der Beklagte den Einwand des Klägers als zutreffend an, dass die anteilige Erstattung der Einkommensteuer 2014 bis zur Aufhebung des Verfahrens am 08.07.2014 der Insolvenzmasse zustehe, und setzte deshalb den Rückforderungsbetrag mit dem geänderten Rückforderungsbescheid vom 2.1.2018 auf 594,32 € herab (Einkommensteuer: 443,54 €; Kirchensteuer ev.: 86,53 €; Solidaritätszuschlag: 64,25 €). Zur Begründung führte er aus, dass der verbleibende Rückforderungsbetrag der Insolvenzschuldnerin zustehe. Das bei der Erstattung adressierte Anderkonto sei nicht der Insolvenzmasse zuzurechnen, sondern dem Kläger, so dass das Geld auch nur von ihm zurückgefordert werden könne.
Den weiterhin aufrechterhaltenen Einspruch wies der Beklagte sodann mit Einspruchsentscheidung vom 4.6.2018 als unbegründet zurück. Zur Begründung führte er aus, dass der Insolvenzbeschlag mit der Aufhebung des Verfahrens am 08.07.2014 geendet habe. Nach diesem Zeitpunkt ausgezahlte Erstattungsansprüche seien daher grundsätzlich an die Steuerpflichtige auszuzahlen. Aber auch für den gemäß Beschluss des AG C vom ….10.2017 von der Nachtragsverteilung betroffenen Teilerstattungsbetrag für den Zeitraum 1.1. bis 7.7.2014 bleibe der Insolvenzbeschlag bestehen, so dass die Erstattung i.H.v. 638,20 € im Ergebnis zu Recht erfolgt sei. Demgegenüber sei der darüber hinaus für den Zeitraum 8.7. bis 31.12.2014 erstattete Teilbetrag i.H.v. 594,32 € (48,22 % von 1232,52 €) von dem Kläger zurückzufordern. D...