Entscheidungsstichwort (Thema)
Grob fahrlässiges Handeln trotz erwarteter AdV
Leitsatz (redaktionell)
Allein der Hinweis des Steuerberaters, das Finanzamt werde die Aussetzung der Vollziehung eines Steuerbescheides gewähren und zwischenzeitlich nicht vollstrecken, lässt die grobe Fahrlässigkeit des Geschäftsführers für die Nichtzahlung der Steuer zum Fälligkeitstag nicht entfallen.
Normenkette
GmbHG § 34 Abs. 1; AO § 69
Tatbestand
I.
Streitig ist, ob der Antragsteller für Steuerschulden einer GmbH haftet.
Der Antragsteller ist seit Gründung am 00.00.1993 Geschäftsführer der E. GmbH (im Folgenden GmbH). Durch rechtskräftigen Beschluss des Amtsgerichts B. (…) vom 00.00.2005 wurde die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen dieser Gesellschaft abgelehnt.
Auf Grund einer steuerlichen Außenprüfung erließ der Antragsgegner am 00.00.2001 geänderte Körperschaftsteuerbescheide 1995 bis 1998 für die GmbH. Die hieraus resultierenden erheblichen Steuernachforderungen basierten darauf, dass der Antragsgegner Provisionszahlungen der GmbH an den Sohn des Antragstellers als verdeckte Gewinnausschüttungen versteuerte.
Hiergegen legte die GmbH, vertreten durch ihren damaligen Steuerberater O., am 00.00.2001 Einsprüche ein; gleichzeitig beantragte sie Aussetzung der Vollziehung.
Mit Schreiben vom selben Tag teilte Herr O. dem Antragsteller mit:
„als Anlage übersende ich Ihnen die Originale ihrer Steuerbescheide zu meiner Entlastung zurück. Ich habe Kopien zu meinen Akten genommen.
Gleichzeitig erhalten Sie als Anlage die Durchschrift meines Einspruchs an das Finanzamt C. zu Ihrer Kenntnisnahme.
Ich bitte Sie, keine Zahlung auf Grund dieser Bescheide zu leisten. Ich gehe davon aus, dass das Finanzamt die Vollziehung der Bescheide aussetzt.”
Am 00.00.2001 teilte Herr O. dem Antragsteller mit:
„als Anlage zu diesem Schreiben übersende ich Ihnen die Durchschriften meiner heutigen Schreiben an das Finanzamt C. und an die Stadtverwaltung B. zur Kenntnisnahme.
Ich bitte Sie, vorläufig keine Zahlungen zu leisten.
Die Originalbescheide übersende ich Ihnen zu meiner Entlastung zurück.”
Zu den Einzelheiten wird auf das Einspruchsschreiben vom 00.00.2001 und die Schreiben des Herrn O. an den Antragsteller verwiesen (Anlage A 10 bis 12 der Antragsschrift vom 00.00.2006).
Nachdem der Antragsgegner die am 00.00.2001 fälligen Abgabenforderungen am 00.00.2001 und 00.00.2002 angemahnt hatte, setzte er die Steuerbeträge rückwirkend ab Fälligkeit von der Vollziehung aus. Mit bestandskräftiger Einspruchsentscheidung vom 00.00.2004 wies er die Einsprüche als unbegründet zurück (Anlage A 15 zur Antragsschrift vom 00.00.2006). Wegen der Steuernachzahlungen nahm die GmbH Steuerberater O. in Haftung. Mit Pfändungsverfügungen vom 00.00.2005 pfändete der Antragsgegner bei dem Versicherer des Herrn O. fällige bzw. fällig werdende Schadensersatzansprüche aus der von der GmbH geltend gemachten Falschberatung.
Mit Haftungsbescheid vom 00.00.2005 nahm der Antragsgegner den Antragsteller in Höhe von 51,6 % der noch offenen Steuerschulden (Körperschaftsteuer plus Nebenleistungen) 1995 bis 1998 in Höhe von … EUR (= Haftungssumme … EUR) in Anspruch. Zur Begründung führte er aus, der Antragsteller sei als gesetzlicher Vertreter nach § 34 Abs. 1 der Abgabenordnung – AO – verpflichtet, die steuerlichen Pflichten der GmbH zu erfüllen, insbesondere fällige Steuern aus den von ihm verwalteten Mitteln zu entrichten. Dies sei nicht geschehen. Die rückständigen Steuern und steuerlichen Nebenleistungen seien „bis heute” nicht getilgt, obwohl verfügbare Mittel, wenn auch nur teilweise, vorhanden gewesen seien. Hinsichtlich der Höhe der verfügbaren Mittel verwies der Antragsgegner im Haftungsbescheid auf eine am 00.00.2005 eingereichte Aufstellung des Antragstellers.
Weiter führte er aus, es liege eine Pflichtverletzung vor. Dabei sei zu berücksichtigen, dass die Pflicht zur Steuerentrichtung nicht erst bei Fälligkeit der Steuerschulden entstehe. Ein Geschäftsführer verletzte die ihm auferlegten Pflichten schon dann, wenn er sich durch Vorwegbefriedigung anderer Gläubiger oder in sonstiger Weise vorsätzlich oder grob fahrlässig außer Stande setze, eine bereits entstandene aber erst künftig fällig werdende Steuerforderung im Zeitpunkt der Fälligkeit zu tilgen. Hierzu verwies er auf die im BStBl 1984 II, 776 und 1986 II, 657 veröffentlichten Urteile des Bundesfinanzhofs. Die Pflichtverletzung sei zumindest grob fahrlässig und ursächlich für den Steuerausfall. Der Haftungszeitraum beginne mit der ursprünglichen Fälligkeit der Steuerfestsetzung. Die Aussetzung der Vollziehung schiebe die Steuerforderung nicht hinaus. Die Verpflichtung zur Zahlung der Steuern bestehe weiterhin. Als Geschäftsführer sei der Antragsteller verpflichtet gewesen, für den Fall, dass der Einspruch keinen Erfolg haben werde, Mittelvorsorge für die rechtzeitige Bezahlung der dann fällig werdenden Ansprüche zu treffen.
Ferner enthielt der Haftungsbescheid Ausführungen zur Ermessensausübung. Zu den Einzelheiten wir...