Entscheidungsstichwort (Thema)
Gestaltungsmissbrauch durch Erwerb nicht wesentlicher Beteiligungen und nachfolgender Liquidation der Gesellschaft
Leitsatz (redaktionell)
Bei einem nicht wesentlich i. S. des § 17 EStG beteiligten Anteilsveräußerer wie auch beim dem Erwerber des Anteils kann ein Missbrauch von rechtlichen Gestaltungsmöglichkeiten vorliegen, wenn nach den gegebenen wirtschaftlichen Umständen der wirkliche Wille des Veräußerers und des Erwerbers nicht auf eine Anteilsveräußerung, sondern auf die alsbaldige Liquidation der Gesellschaft gerichtet ist.
Normenkette
EStG § 17; AO 1977 § 42
Nachgehend
Tatbestand
Strittig ist, ob ein Gestaltungsmißbrauch im Sinne des § 42 AO vorliegt.
Der Kläger ist Steuerberater und Wirtschaftsprüfer. Mit notariellem Vertrag vom 4.6.1984 gründete er als alleinvertretungsberechtigter Geschäftsführer der … Steuerberatungsgesellschaft mbH zusammen mit seiner Ehefrau als Geschäftsführerin der … Gesellschaft … mbH die K. GmbH mit Sitz in …. Gegenstand des Unternehmens war die Übernahme von Verwaltungsaufgaben, insbesondere durch Beitritt von Handelsgesellschaften unter Übernahme der Komplementärfunktionen. 1984 und 1985 übte die K. GmbH keine nennenswerte geschäftliche Tätigkeit aus.
Mit notariellem Vertrag vom 14.4.1986 (UR.-Nr. …, Notar …) veräußerten die bisher beteiligten Gesellschaften ihre Anteile an der K. GmbH. Erwerber waren die Eheleute R., E. und F., die vom Stammkapital von 50.000,–DM jeweils einen Anteil von 8.300,–DM oder 8.400,–DM erwarben, so daß sich ein Gesamtkaufpreis von 50.000,–DM ergab. Die K. GmbH gewährte ihren Gesellschaftern ein Darlehen i.H. von 52.000,–DM. Die Stammeinlagen wurden voll eingezahlt.
Die neuen Anteilseigner änderten den Namen der K. GmbH in … mbH (M. GmbH), verlegten den Sitz der GmbH nach … und nahmen u.a. in den Geschäftszweck den An- und Verkauf von Grundstücken sowie die Planung und Erschließung von Baumaßnahmen auf. Neuer Geschäftsführer wurde … R.
Mit notariellem Vertrag vom 24.4.1986 erwarb die M. GmbH von ihrem Gesellschafter … F. das unbebaute Grundstück … Str. in … zu einem Kaufpreis von 740.000 DM. Die Zahlung des Kaufpreis erfolgte durch Übernahme entsprechender Darlehensverpflichtungen des Verkäufers. Der Gesellschafter F. hatte das Grundstück von einem fremden Dritten mit Vertrag vom 20.1.1986 zum gleichen Preis erworben.
In der Bilanz der M. GmbH wurde das Grundstück einschließlich Anschaffungsnebenkosten mit 865.344,52 DM bilanziert. Mit notariellem Vertrag vom 11.6.1987 veräußerte die M. GmbH das Grundstück an einen Fremden zu einem Kaufpreis von 1.200.000 DM. Der Übergang von Besitz, Nutzungen und Lasten erfolgte am 30.6.1987.
Mit notariellem Vertrag vom 25.9.1987 (UR.-Nr. …, Notar …) traten die bisherigen Anteilseigner ihre Anteile an den Kläger ab. Der Kaufpreis betrug pro Anteil von 8.300 bzw. 8.400 DM jeweils 44.000 DM (gesamt 264.000 DM). Zuvor hatte die M. GmbH der Sozietät … mit Vertrag vom 23.9.1987 ein Darlehen in Höhe von 300.000 DM zu einem Zinssatz von 7 % zugesagt, das am 28.9.1987 ausgezahlt werden sollte. Mit Wertstellung vom 1.10.1987 wurde der Darlehensbetrag auf dem Konto der Sozietät gutgeschrieben. Von diesem Konto der Sozietät wurde ein Kaufpreisanteil von jeweils 26.000 DM an die Anteilsveräußerer überwiesen. Der Restbetrag von 16.000 DM wurde dem Kläger gestundet. Die Restzahlung sollte erfolgen, wenn dem Kläger eine von ihm erwartete höhere Steuererstattung zugegangen war. Die Übertragung der Anteile erfolgte unter Einbeziehung der noch beststehenden Gewinnbezugsrechte. Die Sozietät behandelte das Darlehen als Ausleihung des Klägers und berechnete ihm die der M. GmbH geschuldeten Zinsen weiter (Bl. 380 und 382).
Mit notariell beurkundetem Beschluß vom 9.11. 1987 wurde die GmbH aufgelöst und der bisherige Geschäftsführer R. abgelöst. Der Sitz der M. GmbH wurde nach … verlegt. Zum Liquidator wurde der Kläger bestellt. Gemäß einem Aktenvermerk des Beklagten teilte der Kläger zu dieser Gestaltung dem Finanzamt mit, die bisherigen Gesellschafter der M. GmbH seien an ihn herangetreten, weil sie die GmbH liquidieren wollten. Man sei entschlossen gewesen, das Geschäft zu beenden. Er selbst sei in der Liquidation von Gesellschaften erfahren. Bei Erwerb der Anteile sei er nicht sicher gewesen, ob er die GmbH fortführen oder liquidieren sollte. Nach Streitigkeiten mit dem früheren Geschäftsführer R. habe er sich zur Liquidation entschlossen.
Mit Vertrag vom 25.11.1987 stockte die M. GMbH i.L. das an die Sozietät gewährte Darlehen um weitere 30.000,–DM auf. Die Sozietät behandelte auch den Aufstockungsbetrag als Darlehen an den Kläger und belastete ihm die dafür anfallenden Zinsen von 7 %. Der Kläger trat die von ihm aus der Einkommensteuerveranlagung 1987 erwartete Erstattung an die Sozietät ab. Die Abtretung wurde im Jahr 1989 wieder aufgehoben, nachdem wegen von der Erklärung abweichender Veranlagung...