Entscheidungsstichwort (Thema)
Klage auf Teilnahme am Schiedsverfahren
Leitsatz (redaktionell)
1) Eine Klage, die das Finanzamt verpflichten soll, an einem Verständigungsverfahren nach der EU-Schiedskonvention teilzunehmen, ist nur innerhalb der Frist des Art. 6 Abs. 1 S. 2 der EU-Schiedskonvention zulässig.
2) Ein empfindlich zu bestrafender Verstoß gegen steuerliche Vorschriften im Sinne des Art. 8 Abs. 1 der EU-Schiedskonvention ist "jeder Verstoß gegen die Steuergesetze, der mit Freiheitsstrafe, Geldstrafe oder Bußgeld geahndet" wird.
3) Die diesbezügliche einseitige Erklärung Deutschlands ist zulässig und bindend.
Normenkette
EU-Schiedskonvention Art. 8 Abs. 1, Art. 6 Abs. 1
Nachgehend
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob der Beklagte verpflichtet werden kann, an dem von der Klägerin zu 1) am dem 27. September 2010 beantragten Verständigungsverfahren nach der EU-Schiedskonvention teilzunehmen.
Die Klägerin zu 1) ist eine in Spanien ansässige Kapitalgesellschaft, die in der Rechtsform einer Sociedad de responsabilidad limitada (SL) geführt wird. Bei der Klägerin zu 2) handelt es sich um eine deutsche GmbH, die die Rechtsnachfolgerin der deutschen E AG (AG) ist. Die Klägerinnen sind verbundene Unternehmen, deren gemeinsame Mutter die spanische G S.L. ist. Diese wiederum wird von Herrn R beherrscht.
Während der Veranlagungszeiträume 2000-2006 war Herr R Geschäftsführer der Klägerin zu 1). Vorstand der Rechtsvorgängerin der Klägerin zu 2) war dessen damalige Ehefrau Frau S.
Die AG vertrieb „… Produkte”, während die Tätigkeiten der SL sich im Wesentlichen in „Handels- und Marketingdienstleistungen” für die AG erschöpften. Für diese Tätigkeiten wurden der AG Vergütungen in Rechnung gestellt.
Das Finanzamt für Großbetriebsprüfung M (Finanzamt) führte in der Zeit vom 6. Dezember 2006 bis zum 29. August 2008 bei der AG eine Betriebsprüfung durch. Dabei wurden „bilanzielle Unstimmigkeiten” bei den Geschäftsbeziehungen zwischen der spanischen SL und der deutschen AG während der Wirtschaftsjahre 1999/2000 bis 2005/2006 (Veranlagungszeiträume 2000 – 2006) festgestellt. Diese bezogen sich u.a. auf bilanzierte unternehmensberatende Dienstleistungen der SL an die AG, bei welchen sich die Zahlungen der AG an die SL als überhöht herausstellten und damit einhergehend auch zu überhöhten Betriebsausgaben bei der AG führten.
Zum Zweck der Verfahrensbeschleunigung und zur Herstellung des Rechtsfriedens schlossen das zuständige Finanzamt M und die AG unter dem 29. August 2008 eine tatsächliche Verständigung. Man einigte sich dabei u.a. darauf, dass bei der gegebenen Bandbreite an Verrechnungspreisen das bereinigte Einkommen im Verhältnis 75 (AG) zu 25 (SL) aufzuteilen sei. Zudem seien diverse, in den geprüften Wirtschaftsjahren von der AG an die SL getätigte Ausgaben als nicht betrieblich anzusehen (insgesamt 1,6 Mio. Euro). Des Weiteren stehe der Klägerin zu 2) aus der Überzahlung ein Rückforderungsanspruch gegenüber der Klägerin zu 1) zum 30. Juni 2006 in Höhe von 1,2 Mio. Euro zu.
Daraufhin wurden am 26.11.2008 entsprechende Änderungsbescheide durch das FA M erlassen. Die festgesetzten Steuern wurden entrichtet.
Die als Überzahlung qualifizierten, an die SL geleisteten Zahlungen wurden in Spanien der Besteuerung zugeführt. Die Neubewertung der abzugsfähigen Betriebsausgabenwurde jedoch im Rahmen der Besteuerung der SL in Spanien bislang nicht nachvollzogen.
Im Nachgang der steuerlichen Ermittlungen erging am …. Juli 2009 ein Strafbefehl gegen den Geschäftsführer und mittelbarer Alleingesellschafter der Klägerin zu 1) sowie mittelbarer Alleingesellschafter der Rechtsvorgängerin der Klägerin zu 2), Herrn R. In diesem wurde er wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung in der Zeit vom 20.12.2003 bis zum 27.11.2006 in sechs Fällen zu einer Gesamtgeldstrafe von 200 Tagessätzen verurteilt. Die Steuerhinterziehung betraf die Körperschaftsteuererklärungen für 2002 bis 2004 sowie die Gewerbesteuererklärungen für 2002 bis 2004 der Rechtsvorgängerin der Klägerin zu 2) und beruhte darauf, dass die von der AG an die SL zu zahlenden Vergütungen für die erbrachten Leistungen unangemessen hoch angesetzt worden waren. Hierbei wurden allerdings vom Betriebsprüfungsbericht abweichende, niedrigere Steuerverkürzungsbeträge als Folge des Handelns des Geschäftsführers angesetzt.
Ein Strafverfahren gegen die Vorstandsvorsitzende der Rechtsvorgängerin der Klägerin zu 2), Frau S, frühere Ehefrau von Herrn R, wegen Steuerverkürzung wurde gegen Zahlung einer Geldbuße von 50.000,- € aufgrund staatsanwaltlicher Verfügung vom 03.07.2009 gemäß § 153a StPO eingestellt. Die Staatsanwaltschaft hatte festgestellt, dass Frau S intern an die Weisungen des alleinigen wirtschaftlichen Eigentümers der AG, Herrn R, gebunden gewesen sei.
Mit Schreiben vom 27. September 2010 stellte die Klägerin zu 1) bei der zuständigen spanischen Behörde einen Antrag auf Einleitung eines Verständigungsverfahr...