Entscheidungsstichwort (Thema)

Fahrtkosten eines am Asperger-Syndrom sowie an einer hyperkinetischen Störung des Sozialverhaltens (ADHS) leidenden Kindes als außergewöhnliche Belastungen

 

Leitsatz (redaktionell)

Aufwendungen für Fahrten zwischen der Familienwohnung und einer Privatschule eines am Asperger-Syndrom sowie an einer hyperkinetischen Störung des Sozialverhaltens (ADHS) leidenden Kindes sind, falls keine ärztliche Bescheinigung vorliegt, die die medizinische Notwendigkeit des Privatschulbesuchs zur Linderung/Heilung der Erkrankung des Kindes bestätigt, nicht als außergewöhnliche Belastungen abziehbar.

 

Normenkette

EStG § 33 Abs. 1

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten darüber, ob Aufwendungen für Fahrten aus Anlass eines Besuches eines an Asperger-Syndrom und hyperkinetischer Störung des Sozialverhaltens leidenden Kindes in einer Privatschule zwecks Abholung in der Familienwohnung und zurück sowie weitere Krankheitskosten als außergewöhnliche Belastungen nach § 33 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) abzugsfähig sind sowie darum, ob weitere Aufwendungen in Höhe von 10 € als Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit zu berücksichtigen sind.

Die Kläger sind Eheleute, die für das Streitjahr zusammen zur Einkommensteuer veranlagt werden. Der in 2002 geborene Sohn S der Kläger wechselte im 3. Grundschulklassenjahr, d.h. 2010, an eine Förderschule für emotionale und soziale Entwicklung. Nach Abschluss der 4. Schulklasse an der Förderschule wechselte er im Sommer 2012 auf die Realschule als weiterführende Schule. Seit dem 15.5.2013 besuchte der Sohn die B, ein privates Gymnasium für Jungen und Mädchen in C. Seit November 2015 besuchte er ein Internat in N und ist nur noch an den Wochenenden Zuhause.

Die B ist ein staatlich anerkanntes Gymnasium, das in 9 Jahren zum Abitur führt. Die Schule wendet sich auch an Schülerinnen und Schüler, die aus gesundheitlichen oder aus entwicklungspsychologischen Gründen an großen Gymnasien ihre Chancen oft nicht wahrnehmen können. Die Schule ist ein kleines einzügiges Gymnasium mit ca. 20 Schülerinnen und Schülern je Klasse. Auf der Internetseite wird ausgeführt, die Schule könne die Persönlichkeit der Schülerinnen und Schüler beachten und ihren Bedürfnissen gerecht werden. Sie sei bemüht, in einer familiären Atmosphäre Erziehung und Wissen zu vermitteln. Der Gründungsgedanke der Schule beruhe auf einem ganzheitlich positiven Schülerverständnis, das auf Orientierung und Unterstützung ausgerichtet sei. Große Schulsysteme hätten häufig auf Seiten der Schüler eine Orientierungslosigkeit zur Konsequenz. Veränderte Familiensysteme, berufliche Anforderungen und falsch verstandene Erwartungen begründeten Unsicherheiten bei den Schülern, wodurch Krankheit, Lernstörung, eine schwierige persönliche Konstellation sowie ein Lern- und Verhaltensdefizit einen Schulerfolg häufig in Frage stellten. Neben der fachlichen Förderung sowohl Hochbegabter als auch von Schülerinnen und Schülern mit höherem Förderbedarf stünde die ganzheitliche Bildung, die die kulturellen, sozialen und künstlerischen Elemente umschließe, im Vordergrund.

In ihrer Einkommensteuererklärung 2014 beantragten die Kläger neben Krankheitskosten in Höhe von 1.918 € (1.953 € abzgl. Erstattungen i.H.v. 35 €) den Abzug von Fahrtkosten für Fahrten mit dem eigenen Fahrzeug i.H.v. 12.240 € (102 km × 400 Fahrten × 0,30 €) als Aufwendungen für den Besuch der Privatschule sowie Schulgeld i.H.v. 1.260 € als außergewöhnliche Belastungen. Nach Übernahme von Fahrtkosten durch das Jugendamt der Stadt I i.H.v. 3.180 € verblieb der Abzug von Aufwendungen für Fahrtkosten i.H.v. 9.060 €. Für das Schulgeld beantragten die Kläger gleichzeitig den Abzug als Sonderausgabe nach § 10 Abs. 1 Nr. 9 EStG.

Der Beklagte forderte die Kläger zunächst auf, ein amtsärztliches Gutachten oder eine Bescheinigung eines medizinischen Dienstes der Krankenversicherung vorzulegen, aus denen ersichtlich sei, dass eine Krankheit vorliege, zu deren Heilung oder Linderung der Besuch einer geeigneten Schule unumgänglich sei. Daraufhin legten die Kläger ärztliche Bescheinigungen von Fachärzten sowie den Abschlussbericht der Rheinischen Kliniken W, Fachbereich Psychiatrie und Psychotherapie des Kindes- und Jugendalters vor. Hieraus ergab sich im Wesentlichen folgendes:

  • • Laut ärztlicher Bescheinigung eines Facharztes für Kinder- und Jugendmedizin vom 21.3.2012 sei es für den Sohn wichtig, dass er eine individuelle Förderung erhalte, um sein Leistungspotenzial abrufen zu können. Eine Förderung auf einer Privatschule wäre daher für ihn ärztlicherseits optimal und sinnvoll.
  • • Ausweislich eines ärztlichen Gutachtens eines Facharztes für Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie vom 27.8.2012 wurde beim Sohn der Kläger ein Verdacht auf emotionale Störung des Kindesalters diagnostiziert, wobei seine intellektuellen Fähigkeiten im Bereich überdurchschnittlicher Intelligenz liegen. Es wurde eine intensive Zusammenarbeit mit der neuen Lehrerin an der Rea...

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