Entscheidungsstichwort (Thema)
Wirtschaftliches Eigentum bei Ausübung eines gesetzlichen Vorkaufsrechts
Leitsatz (redaktionell)
Wirtschaftliches Eigentum an einem Grundstück kann bei wirksamer Ausübung eines gesetzlichen Vorkaufsrechts auch ohne Besitz anzunehmen sein.
Normenkette
BewG § 22 Abs. 2, § 19 Abs. 2 Nr. 2; AO § 39 Abs. 2 Nr. 1
Nachgehend
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Zurechnung zweier Grundstücke.
Die W (W) schloss mit der – zu diesem Zweck gegründeten – A Grundbesitz GmbH & Co KG (im Folgenden: KG) einen notarielle Kaufvertrag vom ….01.2006 UR-Nr. 1 über das Gelände der A, Gemarkung S, Flur …, Flurstück … mit einer Größe von … m². Der vereinbarte Kaufpreis betrug … € und der Übergang von Nutzen und Lasten sollte zum ….01.2006 erfolgen.
Der Beklagte führte daher zunächst mit Einheitswertbescheiden und Grundsteuer-Messbescheiden vom 09.02.2007 Zurechnungsfortschreibungen für die Einheiten „K, C-Straße …”, EW-Nummer Alt 2 und „K, C1-Straße” EW-Nummer Alt 3 zum 01.01.2007 auf die KG durch.
Der Klägerin stand an dem Grundbesitz der Gemarkung S, Flur …, Flurstück … ein besonderes Vorkaufsrecht gemäß § 25 Abs. 1 Nr. 2 des Baugesetzbuches (BauGB) zu. Dieses Vorkaufsrecht wurde am ….04.2006 zum vereinbarten Kaufpreis von … € ausgeübt. Die Eigentumsübertragungsvormerkung für die Klägerin wurde aufgrund deren Ersuchen vom ….04.2006 gemäß § 28 Abs. 2 S. 3 BauGB am ….07.2006 im Grundbuch eingetragen.
Gegen die Ausübung des Vorkaufsrechts klagte die KG vor dem Verwaltungsgericht (VG). Die Klage wurde durch Urteil vom ….03.2008 abgewiesen. Die hiergegen eingelegte Berufung wurde vom Oberverwaltungsgericht (OVG) Münster mit Urteil vom ….04.2010 abgewiesen, die Revision wurde nicht zugelassen.
Die Klägerin erwarb nachfolgend mit notariellem Vertrag vom ….09.2010 UR Nr. 4 den Grundbesitz S, Flur …, Flurstück … von der W. Als Tag der Übergabe wurde der ….09.2010 vereinbart, da die KG bis zum ….09.2010 um 14:00 Uhr im Besitz dieses Grundstücks gewesen sei.
Der Beklagte führte – nachdem er von der rechtmäßigen und rechtskräftigen Ausübung des Vorkaufsrechts Kenntnis erlangt hatte – mit Einheitswert- und Grundsteuermessbescheiden vom 11.11.2010 für die Einheiten „K, … G”, EW-Nummer 5 und „K, C1-Straße P”, EW-Nummer 6 sowie mit Einheitswert- und Grundsteuermessbescheiden vom 10.12.2010 für die Einheiten „K, C-Straße …”, EW-Nummer 7 und „K, C1-Straße”, EW-Nummer 8 Zurechnungsfortschreibungen auf den 01.01.2007 auf die Klägerin durch. Der Beklagte erläuterte, dass die Zurechnung unter Hinweis auf das Urteil des OVG Münster vom ….04.2010 aufgrund des bestandskräftig ausgeübten Vorkaufsrechts zum Notarvertrag vom ….01.2006 nach § 464 Abs. 2 BGB erfolgt sei.
Die Klägerin legte hiergegen mit Schreiben vom 10.12.2010 (Eingang: 15.12.2010) bzw. 21.12.2010 (Eingang: 22.12.2010) Einspruch ein und verlangte die Aufhebung der Bescheide. Zur Begründung führte sie an, dass ihrer Ansicht nach Schuldner der Grundsteuer nach § 10 GrStG derjenige sei, dem der Steuergegenstand bei der Feststellung des Einheitswerts zugerechnet werde. Dies sei zum einen der zivilrechtliche Eigentümer, zum anderen nach § 39 Abs. 2 Nr. 1 AO der wirtschaftliche Eigentümer. Die Klägerin sei erst zum 01.01.2011 zivilrechtliche Eigentümerin des betreffenden Grundbesitzes geworden. In der Zwischenzeit sei weiterhin die W zivilrechtliche Eigentümerin des Grundstücks gewesen. Sie sei auch nicht durch die Ausübung des Vorkaufsrechts rückwirkend wirtschaftliche Eigentümerin geworden, sondern dies sei bis zum ….09.2010 die KG gewesen, da diese den Grundbesitz bis zum ….09.2010 in Eigenbesitz gehabt habe.
Der Beklagte zog am 23.12.2011 die KG gemäß § 174 Abs. 5 der Abgabenordnung (AO) zu den Einspruchsverfahren der Klägerin hinzu. Zur Begründung führte er aus, dass die Hinzuziehung erfolge, damit die steuerlichen Folgerungen, die sich aus den Einspruchsverfahren ergeben, auch bei deren Besteuerung gezogen werden könnten.
Die KG legte im weiteren Verlauf des Einspruchsverfahrens verschiedene Beschlüsse und Urteile des VG vor. Sie wies insbesondere darauf hin, dass in einem Verfahren hinsichtlich der Entrichtung von Abwassergebühren das VG im Urteil vom ….11.2010, ausgeführt habe, dass die KG zu keinem Zeitpunkt wirtschaftlicher Eigentümer gewesen sei. In einem weiteren Verfahren hinsichtlich der Straßenreinigungsgebühren sei mit Beschluss vom ….08.2011, das Verfahren eingestellt worden, nachdem die Klägerin erklärt habe, die Bescheide mit denen die KG zu Straßenreinigungsgebühren herangezogen worden war, aufzuheben und die Gebühren zu erstatten.
Mit Einspruchsentscheidung vom 20.2.2014 wies der Beklagte die Einsprüche als unbegründet zurück und vertrat die Auffassung, dass mit der Ausübung des Vorkaufsrechts durch Verwaltungsakt ein Kaufvertrag zwischen dem Veräußerer und dem Vorkaufsberechtigten – hier der Klägerin – zu den im (ersten) Vertrag abgeschlossenen Konditionen zu Stande gekommen sei. Der Vorkaufsberec...