Entscheidungsstichwort (Thema)

Wirksamkeit einer tatsächlichen Verständigung

 

Leitsatz (redaktionell)

1) Die Drohung der Steuerfahndung, noch nicht verfolgte Ermittlungsansätze weiter zu verfolgen, ist nicht rechtswidrig.

2) Eine durch eine solche Drohung erwirkte tatsächliche Verständigung ist daher gemäß § 123 Abs. 1 BGB auch nicht anfechtbar.

3) Das FG kann sich in tatsächlicher Hinsicht Feststellungen eines in das finanzgerichtliche Verfahren eingeführten Strafurteils zu eigen machen, wenn die Beteiligten gegen die strafgerichtlichen Feststellungen keine substantiierten Einwendungen vortragen und keine entsprechenden Beweisanträge gestellt haben, die das FG nach den allgemeinen für die Beweiserhebung geltenden Grundsätze nicht unbeachtet lassen darf.

 

Normenkette

AO § 208; FGO § 76; FGOI § 81; BGB § 123

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Berechtigung des Beklagten, aufgrund einer tatsächlichen Verständigung vom 26.4.2006 zuungunsten der Kläger geänderte Festsetzungen von Einkommensteuer bzw. Feststellungen von verbleibenden Verlustabzügen durchgeführt zu haben.

Die Kläger sind verheiratet und werden in allen Streitjahren zusammen zur Einkommensteuer veranlagt, zunächst beim FA C, später beim Beklagten. Der Kläger ist zum einen beteiligt an der Gesellschaft bürgerlichen Rechts der Rechtsanwälte A1, A & Partner, deren Einkünfte durch das Finanzamt D gesondert und einheitlich festgestellt werden, zum anderen an der Grundstücksgemeinschaft E & A.

Für die Kläger sind durchweg in allen Streitjahren nach den jeweiligen Erstbescheiden diverse Änderungsbescheide ergangen, die zumeist auf Auswertungen von Feststellungsbescheiden über die o. g. Beteiligungen beruhen.

Am …2003 wurde durch das Finanzamt für Steuerstrafsachen und Steuerfahndung F –Steufa – gegen den Kläger wegen des Verdachts der Einkommensteuer-Verkürzung 1997 und 1998 das Strafverfahren eingeleitet, ebenso am …2004 u. a. wegen des Verdachts der Einkommensteuer-Verkürzung für 1999 bis 2001.

In einem umfangreichen Vermerk vom 22.12.2005 legte die Steufa den bis dahin erreichten Ermittlungsstand nieder (Strafakte Bd. III, Bl. 649ff). Im Aktenvermerk über ein Gespräch des Klägers mit den Prüfern vom 1.2.2006 (Strafakte, Bd. IV, Bl. 722 ff) heißt es, diesem seien „basierend auf dem Vermerk vom 22.12.2005 und ergänzt durch das Aufzeigen weiterer diverser Ermittlungsansätze, die aber noch nicht so weit verfolgt wurden, um sie in das vg. Exposé aufzunehmen” der derzeitige Stand des Verfahrens dargelegt worden. Weiter heißt es dort:

„Durch den Besch. wurde sodann deutlich gemacht, dass ihm an einem einvernehmlichen Abschluss des Verfahrens gelegen sei. Hierbei sei es für ihn wesentlich, dass im Rahmen einer etwaigen TV zum einen gemessen am Steueraufkommen sein wirtschaftliches Überleben gewährleistet sei und zum anderen gemessen am zu erwartenden Strafmaß die Zulassung nicht gefährdet werde.”

Es solle – so heißt es am Ende des Vermerks – kurzfristig ein Termin gefunden werden, um die möglichen Modalitäten für eine tatsächliche Verständigung zu besprechen.

Unter dem Datum des 23.1.2006 hat die Steufa einen „vorläufigen Bericht” über ihre Prüfung beim Kläger betreffend die Einkommensteuer 1997 bis 2001 verfasst. Danach seien voraussichtlich folgende Änderungen der Besteuerungsgrundlagen bei der Einkommensteuer vorzunehmen (in DM):

Einkünfte gemäß

1997

1998

1999

2000

2001

§ 22 EStG

+125.000,–

§ 18 EStG

+ 16.281,03

+ 43.101,82

+ 18.913,–

+26.069,–

+56.016,–

§ 20 EStG

+ 15.000,–

+160.000,–

+208.260,36

+67.505,48

+54.180,–

Laut Tz. 12 a.E. des o. g. Berichts sollten hingegen bisher als Arbeitslohn bei der Klägerin erfasste Beträge von 4.666 DM in 1999, 6.451 DM in 2000 und 5.180 DM in 2001 nicht mehr berücksichtigt werden.

Im Vermerk über eine weitere Besprechung des Klägers mit der Steufa vom 15.2.2006 (Strafakte, Bd. IV, Bl. 776) heißt es:

„Schließlich wurde eine einvernehmliche Gewichtung gefunden, welche Zahlungen für das Steuerstrafverfahren als vGA der E GmbH an den Besch. beurteilt werden, und bei welchen Zahlungen an dieser Beurteilung nicht mehr festgehalten werden soll …”

Es solle mit StA G ein Termin gefunden werden, um den erzielten Kompromiss mittels tatsächlicher Verständigung zum Gegenstand des steuerlichen und ggfls. auch strafrechtlichen Verfahrensabschlusses zu machen.

Mit Datum des 16.2.2006 erließ der Beklagte sodann Änderungsbescheide zur Einkommensteuer 1997 bis 2001, in denen er sich für den Ansatz von höheren Einkünften des Klägers aus freiberuflichen Einkünften und aus Kapitalvermögen in den Erläuterungen dieser Bescheide auf die „bisherigen Feststellungen” der Steufa berief.

Ein Entwurf einer tatsächlichen Verständigung – datierend auf den 4.4.2006 – wurde im Termin am 5.4.2006 nicht unterzeichnet, und zwar laut Aktenvermerk vom 5.4.2006 deshalb nicht, weil der Kläger weitere Einwendungen darin nicht berücksichtigt fand. In dem Vermerk heißt es sodann:

„Dem Besch. wurde zu verstehen gegeben, dass es sich bei dem Inhalt und Zahlenwerk der TV um das ...

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