Entscheidungsstichwort (Thema)
Fortsetzungsfeststellungsklage, unmittelbarer Zwang
Leitsatz (redaktionell)
1) Ein berechtigtes Interesse an der Feststellung der Rechtswidrigkeit eines Verwaltungsaktes im Rahmen von Prüfungsmaßnahmen ist gegeben, wenn der Steuerpflichtige beabsichtigt, sich auf ein Verbot der Verwertung aufgrund der Maßnahme getroffener Feststellungen zu berufen.
2) Die Teilnahme eines Steuerfahndungsprüfers als "Sachverständiger" an einer Hausdurchsuchung im Rahmen eines Ermittlungsverfahrens ohne steuerstrafrechtlichen Bezug ist rechtswidrig, wenn dieser Prüfer bereits zuvor in der gleichen Sache wegen Steuerhinterziehung ermittelt hat.
3) Die Rechtswidrigkeit einer solchen Anwesenheit führt zur Rechtswidrigkeit der von diesem Bediensteten unter Ausnutzung des Zutritts zur Wohnung angeordneten Wegnahme von Unterlagen im Wege des unmittelbaren Zwangs.
Normenkette
AO §§ 331, 333; StPO § 22 Nr. 4, § 74 Abs. 1; GG Art. 13 Abs. 1; FGO § 100 Abs. 1 S. 4
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit der Ablehnung eines Herausgabeverlangens.
Im Zuge von Ermittlungen wegen Bestechung gegen eine Firma A GmbH entstand der Verdacht, der Kläger, der zu diesem Zeitpunkt bei der Firma M E GmbH & Co. KG (M) beschäftigt war, könne zum Kreis der bestochenen Personen gehören (vgl. Verdachtsprüfungsvermerk vom 14. Dezember 2011, Steuerfahndungsakte, Blatt 2). Daraufhin wurde der Arbeitsplatz des Klägers bei der Firma M am 15. November 2011 durchsucht.
Am 6. Dezember 2011 erließ das Amtsgericht E aufgrund eines auf polizeiliche Anregung vom 2. Dezember 2011 (Blatt 83/84 d. A.) am 5. Dezember 2011 gestellten Antrages der Staatsanwaltschaft (Blatt 85/86 d. A.) einen Durchsuchungsbeschluss hinsichtlich des Wohnhauses des Klägers. Der Durchsuchungsbeschluss beruhte auf dem Anfangsverdacht der Bestechung bzw. der Bestechlichkeit. Er sollte der Auffindung und Sicherstellung von Aufzeichnungen über Zuwendungen, Kontoauszügen, Schriftverkehr und konkreten Sachzuwendungen im nicht rechtsverjährten Tatzeitraum ab 2007 dienen. Wegen der Einzelheiten wird auf den Durchsuchungsbeschluss (Blatt 41/42 d. A.) verwiesen.
Am 14. Dezember 2011 wurde das Strafverfahren gegen den Kläger wegen des Verdachtes der Einkommensteuer- und Umsatzsteuerhinterziehung für die Jahre 2006 bis 2010 eingeleitet (Blatt 2, 24 Steuerfahndungsakte). Am nächsten Tag wandte sich der Beklagte unter Bezugnahme auf eine Absprache vom 2. Dezember 2011 und beigefügte Straf- und Beweismittelakten mit der Bitte um Erteilung eines Aktenzeichens an die Staatsanwaltschaft (Blatt 31 Steuerfahndungsakte).
Am 16. Dezember 2011 fand sodann die Durchsuchung des Wohnhauses des Klägers durch die Kriminalpolizei statt, an der zwei Beamte des beklagten Finanzamtes für Steuerstrafsachen und Steuerfahndung teilnahmen. Anlässlich dieser Durchsuchung wurde dem Kläger die Einleitung des Strafverfahrens wegen Steuerhinterziehung eröffnet. Bei der Durchsuchung wurden zwei Quittungsblöcke aufgefunden, die Quittungen für den Zeitraum 2002 bis 2005 über diverse Zahlungen des Klägers an verschiedene Personen enthalten. Dazu liegt ein Formular über den Nachweis über die Beschlagnahme bzw. freiwillig überlassene Beweismittel des Beklagten vom 16. Dezember 2011 vor. Ausweislich des Formulars war zunächst angekreuzt: „Nachweisung der beschlagnahmten Beweismittel” und „Über meine Rechte nach § 98 Abs. 2 StPO bin ich belehrt worden.” Diese beiden Anmerkungen wurden ebenso wie der Zusatz „im Strafverfahren gegen” durchgestrichen. Stattdessen wurde der Vermerk „der im Besteuerungsverfahren mitgenommenen Unterlagen §§ 97, 331 AO” aufgenommen. Wegen der Einzelheiten wird auf das Formular (Blatt 29 Steuerfahndungsakte) verwiesen.
Nach übereinstimmendem Vortrag aller Verfahrensbeteiligten war der Prozessbevollmächtigte zu 1. mit der Beschlagnahme der Unterlagen nicht einverstanden, weil diese nur Sachverhalte außerhalb des strafrechtlich relevanten Zeitraums betrafen (Aktenvermerk Blatt 48/49 Steuerfahndungsakte). In einem (weiteren) Vermerk des Finanzamtes für Steuerstrafsachen und Steuerfahndung heißt es dazu:
„Im Rahmen der Durchsuchung wurden zwei Quittungsblöcke (vergleiche Nachweisung vom 16.12.2011 L) aufgefunden. Diese enthalten Quittungen für den Zeitraum 2002 bis 2005 über diverse Zahlungen von Herrn F an verschiedene Personen z.B. an seine Lebensgefährtin, Frau H und weitere. Auf den Quittungen ist als Zahlungsgrund beispielsweise für seine Lebensgefährtin Unterhalt vermerkt und auch Leistungen wie Gartenarbeit, Außenarbeiten, Schweißarbeiten usw.
Die Herkunft dieser durch den Beschuldigten so verwendeten Gelder ist unklar. Es ist zu überprüfen, ob diese aus bisher unversteuerten Einnahmen stammen. Da es sich um Unterlagen handelt, die außerhalb des strafbefangenen Zeitraums (2006 bis 2010) liegen, jedoch für das Besteuerungsverfahren – wie dargelegt – von Bedeutung sind, wurden sie nach den Vorschriften der Abgabenordnung §§ 97 i.V.m. 331 AO mitgenommen. Herrn Rechtsanwalt S wurde...