Entscheidungsstichwort (Thema)

Keine Prozesszinsen bei Streit im Erhebungsverfahren

 

Leitsatz (redaktionell)

Die finanzgerichtliche Änderung eines Abrechnungsbescheides steht der Herabsetzung einer festgesetzten Steuer bzw. der Gewährung einer Steuervergütung nicht gleich. 2. Es besteht daher kein Anspruch auf Prozesszinsen nach § 236 AO.

 

Normenkette

AO § 233 S. 1; EStG § 50d Abs. 3; AO § 236 Abs. 1

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 29.04.2020; Aktenzeichen XI R 14/18)

BFH (Aktenzeichen I R 4/18)

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Festsetzung von Prozesszinsen gemäß § 236 der Abgabenordnung (AO).

Die Klägerin ist eine in Großbritannien ansässige Kapitalgesellschft in der Rechtsform einer Private Limited Company (PLC). Sie war in der Vergangenheit alleinige Gesellschafterin der – zwischenzeitlich durch Ablehnung des Insolvenzverfahrens mangels Masse aufgelösten (Amtsgericht A, Az: …) – B GmbH (im Folgenden: B GmbH).

Am 27. Dezember 1999 beantragte die Klägerin beim damaligen Bundesamt für Finanzen (BfF) eine Freistellungsbescheinigung nach § 50d Abs. 3 EStG a.F. für ihr von der B GmbH zufließende Kapitalerträge, was das BfF ablehnte. Während des hiergegen gerichteten Einspruchsverfahrens schüttete die B GmbH eine Brutto-Dividende in Höhe von … DM an die Klägerin aus, ohne Kapitalertragsteuer einzubehalten und abzuführen, woraufhin der Beklagte mit Bescheid vom 12. März 2001 Kapitalertragsteuer in Höhe von … DM und Solidaritätszuschlag in Höhe von … DM gegenüber der B GmbH als „Schuldner/auszahlende Stelle” unter dem Vorbehalt der Nachprüfung festsetzte. In der Folgezeit zahlten die Klägerin (… DM) und die B GmbH (… DM) die nachgeforderten Beträge.

Nachdem das BfF den Einspruch der Klägerin gegen die Ablehnung der Erteilung einer Freistellungsbescheinigung zurückgewiesen hatte, verpflichtete der 2. Senat des FG Köln das BfF mit Urteil vom 16. März 2006 (2 K 2916/02, Klageerhebung am 29. Mai 2002) zur Erteilung der beantragten Freistellungsbescheinigung. Das (nunmehr zuständige) Bundeszentralamt für Steuern (BZSt) erteilte daraufhin am 20. September 2006 eine Freistellungsbescheinigung für Kapitalerträge, die der Klägerin im Zeitraum vom 1. Dezember 1999 bis zum 30. November 2002 von der B GmbH zugeflossen waren.

Im Hinblick auf diese Freistellungsbescheinigung forderte die Klägerin den Beklagten mit Schreiben vom 25. September 2006 auf, die gezahlte Kapitalertragsteuer nebst Solidaritätszuschlag an sie zu erstatten. Der Beklagte hob daraufhin den Nachforderungsbescheid vom 12. März 2001 gegenüber der B GmbH am 14. Februar 2007 auf, verweigerte aber die Erstattung der gezahlten Beträge an die Klägerin. Vielmehr erklärte er mit weiterem Bescheid vom 14. Februar 2007 gegenüber der B GmbH die Aufrechnung eines seiner Meinung nach aus der Aufhebung des Bescheids vom 12. März 2001 resultierenden Erstattungsguthabens der B GmbH in Höhe von … € mit diversen Steuerschulden der B GmbH in gleicher Höhe. Hierzu erließ er am 4. Juni 2007 einen Abrechnungsbescheid gegenüber der B GmbH und am 18. März 2008 gegenüber der Klägerin. In diesen Bescheiden führte der Beklagte aus, Berechtigte des aus der Aufhebung des Steuerbescheids vom 12. März 2001 resultierenden Erstattungsanspruchs sei die B GmbH, nicht die Klägerin; dieser Erstattungsanspruch sei durch Aufrechnung mit Steuerschulden der B GmbH erloschen.

Die nach erfolglosem Einspruchsverfahren am 3. August 2008 erhobene Klage der Klägerin gegen den Abrechnungsbescheid vom 18. März 2008 hatte Erfolg (FG Köln, Urteil vom 28. November 2012 7 K 2640/08, EFG 2013, 707). Die vom Beklagten hiergegen eingelegte Revision wies der BFH mit Gerichtsbescheid vom 29. Januar 2015 als unbegründet zurück (I R 11/13, BFH/NV 2015, 950). Erstattungsberechtigt sei die Klägerin.

Nachdem der Gerichtsbescheid des BFH als Urteil wirkte, beantragte die Klägerin am 8. Mai 2015 die Auszahlung der anstehenden Beträge auf das Konto ihres Prozessbevollmächtigten. Mit Abrechnungsbescheid vom 28. Mai 2015 änderte der Beklagte daraufhin den Abrechnungsbescheid vom 18. März 2008 dahingehend, dass der Erstattungsanspruch aus der Aufhebung des Bescheids über Kapitalertragsteuer und Solidaritätszuchlag zur Kapitalertragsteuer für den Anmeldungszeitraum Januar 2001 vom 13. Februar 2007 der Klägerin zusteht. Der Betrag von … € sei an die Klägerin zu erstatten. Am 8. Juni 2015 verfügte der Beklagte die beantragte Erstattung.

Mit Schriftsatz vom 31. Mai 2015 bat der Prozessbevollmächtigte „noch um Festsetzung der angefallenen Zinsen”.

Dies lehnte der Beklagte mit Schreiben vom 9. Juni 2015 (ohne Rechtsmittelbelehrung) ab. Für eine Verzinsung nach § 233a AO fehle es an einer gesetzlichen Grundlage. Die Verzinsung nach § 233a Abs. 1 Satz 1 AO sei beschränkt auf die Festsetzung der Einkommen-, Körperschaft-, Vermögen-, Umsatz- und Gewerbesteuer. Von der Verzinsung ausgenommen seien nach § 233a Abs. 1 Satz 2 AO die übrigen Steuern und Abgaben sowie Steuervorauszahlungen und Steuerabzugsbeträge. Da es sich bei den zu erstattende...

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