Entscheidungsstichwort (Thema)
Kindergeldberechtigung eines Italieners in Deutschland für seine volljährigen, bei der Mutter studierenden Kinder
Leitsatz (redaktionell)
Da die Kindesmutter von zwei volljährigen, in Italien bei ihr lebenden und studierenden Kindern selbst keinen Anspruch auf italienisches oder deutsches Kindergeld hat, besteht für den Vater in Deutschland ein Kindergeldanspruch.
Normenkette
EStG § 63 Abs. 1 S. 4; BKGG § 2 Abs. 4 S. 2; VO(EG) Nr. 987/2009 Art. 60 Abs. 1 S. 2; EStG § 64 Abs. 2 S. 1
Nachgehend
Tatbestand
Der Kläger ist italienischer Staatsangehöriger mit Wohnsitz in Deutschland. Mit Antrag vom 26.1.2012 beantragte der Kläger u.a. für seine beiden Kinder A, geb. am 1.4.1987 und B, geb. am 27.7.1991 Kindergeld ab Januar 2012. B war im Streitzeitraum Schüler der 1. Klasse 4 B/S …. (auf die Schulbescheinigung vom 20.4.2013, Bl. 35f. d. FG-Akte wird verwiesen) und lebte im Haushalt der Mutter in Italien. Das Kind A studiert seit August 2008 an der Universität von C (Italien) Psychologie (auf die Studienbescheinigungen vom 20.9.2011, Bl. 28 und v. 20.4.2013, Bl. 37f. d. FG-Akte wird verwiesen) und unterhält dort einen eigenen Haushalt. Bei beiden Kindern handelt es sich um eine erstmalige Berufsausbildung bzw. ein Erststudium. Der Kläger ist in einem Restaurant in D (Deutschland) nichtselbständig tätig. Ein Anspruch auf dem Kindergeld vergleichbare Familienleistungen besteht in Italien nicht, da dort Kindergeld nur bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres gezahlt wird. Einen Antrag auf Kindergeld in Deutschland hat die Kindesmutter nicht gestellt.
Mit Bescheid vom 13.2.2012 wurde der Kindergeldantrag des Klägers abgelehnt, mit der Begründung, das Kindergeld werde nach § 64 Abs. 2 Satz 1 Einkommensteuergesetz (EStG) der Person gewährt, welche das Kind in ihren Haushalt aufgenommen habe. Vorliegend sei das die Mutter in Italien. Daher könne nach § 63 Abs. 1 Satz 4 EStG i.V.m. § 2 Abs. 4 Satz 2 Bundeskindergeldgesetz (BKGG) eine Festsetzung ihm gegenüber nicht erfolgen.
Nach hiergegen erfolglos geführtem Einspruchsverfahren begehrt der Kläger mit seiner Klage weiterhin die Gewährung von Kindergeld für seine beiden Kinder A und B. Er trägt vor, die von der Beklagten zitierten Vorschriften seien nicht einschlägig. Er, der Kläger, erfülle die Voraussetzungen für die Gewährung von Kindergeld, da er hier in Deutschland lebe und unbeschränkt einkommensteuerpflichtig sei. Die Kindesmutter sei demgegenüber keine Berechtigte im Sinne des § 64 EStG. Sie habe auch keinen Antrag auf Zahlung von Kindergeld für die gemeinsamen Kinder gestellt, eine Anspruchskonkurrenz liege daher nicht vor. Seine Tochter A studiere in Italien Psychologie. Sie habe im April 2012 das 25. Lebensjahr vollendet, weshalb ihm für A bis April 2012 das Kindergeld zustehe. Sein Sohn B gehe noch zur Schule.
Der Kläger beantragt,
unter Aufhebung des Ablehnungsbescheides vom 13.02.2012 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 19.09.2012 wird die Beklagte verpflichtet, für das Kind A Kindergeld ab Antragstellung bis April 2012 und für B Kindergeld ab Antragstellung in voller Höhe zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Beklagtenvertreter führt aus, die Mutter der Kinder habe auf Grund der in Art. 67 und 68 der VO(EG) 883/2004 i.V.m. Art. 60 Abs. 1 Satz 2 VO(EG) Nr. 998/2009 niedergelegten sogenannten Familienbetrachtung in Deutschland nach § 64 Abs. 2 Satz 1 EStG einen Anspruch auf Kindergeld, da das Kindergeld nur demjenigen gezahlt werden könne in dessen Haushalt das Kind lebe und dies sei hier die Kindesmutter.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist begründet.
Zu Unrecht hat die Beklagte den Antrag des Klägers auf Kindergeld für seinen Sohn B und seine Tochter A, mit der Begründung, der Kindergeldanspruch stehe dem Kläger aufgrund der Haushaltszugehörigkeit der Kinder bei der Mutter nicht zu, abgelehnt.
Nach § 62 Abs. 1 Nr. 1 Einkommensteuergesetz (EStG) i.V.m. § 63 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG hat u.a. derjenige, der seinen Wohnsitz im Inland hat, Anspruch auf Kindergeld für ein Kind im Sinne des § 32 EStG, das ebenfalls seinen Wohnsitz im Inland oder aber im EU-Ausland oder in einem EWR-Staat hat (Umkehrschluss aus § 63 Abs. 1 Satz 3 EStG). Diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt. Der Kläger hat seinen Wohnsitz im Inland. Die Kinder waren im Streitzeitraum – für A Januar bis April 2012, für B Januar bis September 2012 (Datum der Einspruchsentscheidung) – berücksichtigungsfähig nach § 32 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 a EStG. Beide Kinder befanden sich in einer erstmaligen Ausbildung und beide hatten ihren Wohnsitz im EU-Ausland.
Der hiernach gegebene Anspruch des Klägers auf volles deutsches Kindergeld (§ 66 Abs. 1 Satz 1 EStG) wird weder nach nationalem Recht noch nach Unionsrecht ausgeschlossen.
Insbesondere steht dem Anspruch des Klägers § 63 Abs. 1 Satz 4 EStG i.V.m. § 2 Abs. 4 Satz 2 Bundeskindergeldgesetz (BKGG) nicht entgegen. Dies würde einen Anspruch der Mutter nach § 1 BKGG vorauss...