rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Außergewöhnliche Belastung bei krankheitsbedingtem Besuch einer Privatschule durch ein schwerbehindertes Kind. Einkommensteuer 1991
Leitsatz (amtlich)
1. Ist die Lernfähigkeit eines Kindes durch eine bei der Geburt durch Sauerstoffmangel bzw. eine im Kleinkindalter durch eine Operation Hirnfunktionsstörung sowie dadurch verursachte motorische Schwierigkeiten und sonstige körperliche Behinderung eingeschränkt, so können die Aufwendungen für den Besuch einer –nicht unter den Anwendungsbereich von § 10 Abs. 1 Nr. 9 EStG fallenden– Privatschule als Krankheitskosten bei den außergewöhnlichen Belastungen abziehbar sein, wenn die Hirnfunktionsstörungen nach ärztlicher Sicht durch intensives Lernen behoben werden können und die hierzu nötigen Bedingungen an der Privatschule anders als an „normalen” Schulen gegeben sind.
2. Zur Verfassungsmäßigkeit des je nach Bundesland und dort geltendem Schulrecht unterschiedlichen Abzugs von Schulgeldern als Sonderausgaben.
Normenkette
EStG § 33 Abs. 1, 2 S. 1, § 33a Abs. 5, § 10 Abs. 1 Nr. 9; GG Art. 3 Abs. 1, Art. 100 Abs. 1
Tenor
Unter Aufhebung der Einspruchsentscheidung vom … 1991 und Änderung des Einkommensteuerbescheides 1991 vom … 1993 wird die Einkommensteuer 1991 auf … DM festgesetzt.
Der Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Tatbestand
Aufgrund der dem Gericht vorgelegten gutachterlichen Stellungnahmen (…), auf die verwiesen wird, ergibt sich folgendes Krankheitsbild des am … 1979 geborenen Sohnes der Kläger:
Das Kind litt nach seiner Geburt an Sauerstoffmangel bei einem Foramen ovale und einer Pulmonalstenose. Desweiteren wurde eine Bindegewebsschwäche und eine Hypotonie diagnostiziert. Im Alter von zwei Jahren erfolgte die Operation eines seit Geburt bestehenden Herzfehlers. In der Folgezeit wurde offensichtlich, daß sich das Kind nicht altersgemäß entwickelte. Als Vierjähriger konnte das Kind noch nicht sprechen. Durch vielfache intensive Förderung von Geburt an (vgl. hierzu telefonische Ausführungen der Klägerin Bl 57 der Prozeßakten entwickelte sich das unter einer Hirnfunktionsstörung leidende Kind so, daß es eine Integrationsschule für behinderte und nichtbehinderte Kinder im Rahmen eines in Nordrhein-Westfalen durchgeführten Schulversuchs (vgl. hierzu Ausführungen des … Bl 58 der Prozeßakte) besuchen konnte. Dort wurde das als sonderschuldpflichtig eingestufte Kind als lernbehindert und mit Zeugnis vom … 1991 als geistig behindert geführt. Der Schwerbehindertenausweis (gültig ab Geburt) trägt die Merkzeichen G und H. Die nachgewiesene Notwendigkeit ständiger Begleitung ist festgestellt.
Auch nach Ende der Grundschulzeit lag eine krankheitsbedingte Entwicklungsverzögerung vor, die nach Auffassung für das Kind betreuende Kinderärztin … bei starker individueller Förderung aufholbar erschien und die Möglichkeit einer Eingliederung in eine Regelschule mittelfristig denkbar machte.
Die Kinderärztin … stellte unter dem … 1992 die Notwendigkeit der individuellen Förderung des Kindes durch Betreuung in der … Privatschule fest. Eine bessere oder ebenso gute Förderungsmöglichkeit sei im Einzugsbereich der Kläger nicht gegeben. Daß die … -Privatschule zwanzig Autominuten näher am Wohnsitz der Kläger liegt als die von der Schutzverwaltung im Rahmen des Schulversuchs nach der Grundschulzeit vorgesehene Gesamtschule …, hat die Klägerin dem Gericht gegenüber bestätigt (Bl 57 der Prozeßakte).
Die Art und Weise der Förderung, die das Kind in der … Privatschule seit der Einschulung erhält sowie eine Schilderung des Krankheitsbildes ist dem Gutachten des … sowie dem Gutachten vom … zu entnehmen. Die Beurteilung in dem Schulgutachten, nach der das Kind in einer Regelschule nicht so – wie notwendig – individuell gefördert werden konnte, andererseits aber auch wegen seiner Entwicklungsmöglichkeiten nicht in eine Lernbehindertenschule gehörte, wird mit Gutachten vom … 1993 vom … bestätigt. Danach wurde die Einschulung in die … Privatschule für notwendig und für Erfolg versprechend nicht nur im Hinblick auf die bestehende Erkrankung, sondern auch im Sinne einer Prophylaxe psychischer Auffälligkeiten gehalten. Diese Auffassung teilte auch das Schulamt der Stadt …, das, um dem Kind den Besuch der … – Privatschule trotz seiner Einstufung als sonderschulpflichtig zu ermöglichen, ausnahmsweise die Sonderschulpflicht aufhob (s. Vermerk Bl 58 der Prozeßakte).
Die … -Privatschule ist eine Ergänzungsschule gemäß § 36 und § 45 Schulordnungsgesetz. Die schulaufsichtsbehördliche Feststellung nach § 22 Schulpflichtgesetz liegt vor.
Das Schulgeld betrug im Streitjahr monatlich … DM. Verpflegungs- oder Unterbringungsentgelte waren in dem Betrag nicht enthalten und fielen auch nicht an.
Die Kläger machten die Schulgeldzahlungen 1991 ab Einschulung des Kindes zum … 1991 in Höhe von insgesamt … DM als außergewöhnliche Belastung mit Einkommensteuererklärung 1991 geltend.
Mit Einkommensteuerbescheid 1991 lehnte der Beklagte eine steuerliche Anerkennung der Schulgeldza...