Entscheidungsstichwort (Thema)
Berufliche Veranlassung eines Umzugs, Erreichbarkeit der Arbeitsstätte ohne Verkehrsmittel
Leitsatz (redaktionell)
Die Erreichbarkeit der Arbeitsstätte ohne Verkehrsmittel kann auch dann zu einer wesentlichen sonstigen Verbesserung der Arbeitsbedingungen und damit zu einer beruflichen Veranlassung eines Umzugs führen, wenn die Zeitersparnis weniger als eine Stunde beträgt und der Umzug nicht mit einem Arbeitsplatzwechsel im Zusammenhang steht und auch nicht vom Arbeitgeber gefordert wurde.
Normenkette
EStG § 9 Abs. 1 S. 1
Tatbestand
Der Beklagte veranlagte die Klägerin und ihren Ehemann für 2011 (Streitjahr) zusammen zur Einkommensteuer. Die Klägerin ist Diplom-Kauffrau und Diplom-Handelslehrerin und war im Streitjahr in A als beamtete Lehrerin (Studienrätin) im städtischen Berufskolleg M, D-Straße … beschäftigt.
Zu Beginn des Streitjahres wohnte die Klägerin mit ihrem Ehemann und den beiden gemeinsamen Kleinkindern in A im Stadtteil F in der R-Straße … zur Miete. Den Weg zum Berufskolleg legte die Klägerin mit der Straßenbahnlinie… zurück. Der Fußweg von der Wohnung bis zur U-Bahn-Haltestelle F H-Straße betrug rund 500 Meter. Von dort stieg die Klägerin in die Linie …, die laut Fahrplan im Zehn-Minuten-Takt verkehrte und die U-Bahn-Haltstelle W in acht Minuten erreichte. Der weitere Fußweg von dort bis zum Berufskolleg war etwa 400 Meter lang.
Im Oktober des Streitjahres zog die Klägerin mit ihrem Ehemann und den Kindern in A in den Stadtteil M in die P-Straße … um, wo die Eheleute eine Eigentumswohnung erworben hatten. Von dort konnte die Klägerin das Berufskolleg in weniger als fünf Minuten zu Fuß erreichen. Sie musste hierzu die P-Straße sowie den angrenzenden Schulhof des Gymnasiums P-Straße überqueren und konnte anschließend das Berufskolleg durch eine Tür im rückwärtigen Teil des Gebäudes betreten. Der Fußweg von Tür zu Tür betrug weniger als 100 Meter.
In der Einkommensteuererklärung für das Streitjahr machte die Klägerin für den Umzug Aufwendungen – deren Höhe und Zusammensetzung von 3.940 € ist nach Erörterung durch das Gericht in der mündlichen Verhandlung unstreitig geworden – bei ihren Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit geltend.
Der Beklagte ließ die Umzugskosten im Einkommensteuerbescheid für das Streitjahr vom 08.05.2013 außer Ansatz. Er stellte sich auf den Standpunkt, dass Umzugskosten nur dann als Werbungskosten abziehbar seien, wenn sich die Fahrzeit von der Wohnung zur Arbeitsstätte durch den Umzug um mindestens eine Stunde verkürzt habe. Dies sei bei der Klägerin nicht der Fall.
Die Klägerin legte Einspruch ein und führte aus, dass der Umzug jedenfalls deshalb beruflich veranlasst sei, weil sie ihren Arbeitsplatz nunmehr zu Fuß erreichen könne.
Die Einkommensteuerfestsetzung wurde durch die Bescheide vom 12.07.2013, vom 23.09.2013 und zuletzt mit der Einspruchsentscheidung vom 17.10.2013 aus hier nicht strittigen Gründen geändert. Hinsichtlich der Umzugskosten blieb der Einspruch ohne Erfolg.
Mit der Klage verfolgt die Klägerin den Abzug der Umzugskosten weiter und führt aus:
Die Wegezeitverkürzung von einer Stunde werde erreicht. Sie, die Klägerin, müsse den Unterricht stets pünktlich um 8:00 Uhr beginnen. Die Linie… fahre aber gerade morgens sehr unzuverlässig. Außerdem müsse sie, die Klägerin, an mehreren Fußgängerampeln warten. Diese zeitlichen Verzögerungen habe sie einplanen und dementsprechend früher losfahren müssen. An zwei Abenden müsse sie zudem abends ein zweites Mal zu Besprechungen zur Schule kommen. Durch den mitgeführten Lehrerrucksack, in dem sie Bücher, ihren Laptop und Unterrichtsmaterialien transportiere, sei der Fußweg beschwerlich gewesen. Jedenfalls sei die Zeitvorgabe von einer Stunde Wegezeitverkürzung kein absolutes Kriterium. Es müsse berücksichtigt werden, dass sie, die Klägerin, die Schule nunmehr binnen weniger Minuten zu Fuß erreichen könne.
Nachdem die Klägerin die zu berücksichtigenden Umzugskosten in der Klageschrift noch mit 4.676 € beziffert hatte, hat sie zuletzt beantragt,
den Einkommensteuerbescheid 2011 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung abzuändern und bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit weitere Werbungskosten in Höhe von 3.940 € zu berücksichtigen und die Steuer entsprechend herabzusetzen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er geht weiterhin nicht von einer beruflichen Veranlassung des Umzugs aus. Es müsse beim Kriterium einer Wegzeitverkürzung von einer Stunde, die die Klägerin nach den Fahrplänen nicht erreiche, bleiben. Deshalb spiele die Tatsache, dass die Klägerin ihren Arbeitsplatz nun innerhalb weniger Minuten zu Fuß erreichen könne, keine Rolle. Die übrigen von ihr vorgebrachten Punkte seien lediglich positive Begleiterscheinungen des Umzugs, die einen Werbungskostenabzug nicht begründen könnten. Das Berufskolleg habe von der Klägerin nicht verlangen können, dass sie Vertretungen übernehme.
Entscheidungsgründe
I.
Die zulässige Klage ist begründet.
Der bisher festgesetzte Einkommensteuerbetr...