Entscheidungsstichwort (Thema)
Qualifizierung der Einkünfte nach dem Tod eines freiberuflichen Erfinders
Leitsatz (redaktionell)
1) Der Erbe eines Freiberuflers, der dessen Tätigkeit mit dem geerbten Betriebsvermögen fortführt, erzielt nur dann Einkünfte aus selbständiger Arbeit als Freiberufler, wenn er selbst die persönliche Qualifizierung als Freiberufler erfüllt und die Tätigkeit entsprechend ausübt.
2) Erfüllen nicht alle Miterben einer Erbengemeinschaft die Qualifizierungsvoraussetzungen, gilt für die Einkünfte der Erbengemeinschaft die Abfärberegelung des § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG.
3) Einkünfte i.S. des § 24 Nr. 2 EStG sind jedoch auch beim nicht qualifizierten Erben als freiberufliche zu qualifizieren.
4) Einkünfte aus früherer Tätigkeit liegen nur dann vor, wenn alle den Einkünftetatbestand begründenden Voraussetzungen noch vom Erblasser geschaffen und zu dessen Lebzeiten realisiert wurden, lediglich eine Gegenleistung, also insbesondere der Zufluss, erst nach dem Erbfall erfolgt.
Normenkette
EStG §§ 18, 24 Nr. 2; BGB § 1922; EStG § 15
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Einkünfte, die die Klägerin als Erbengemeinschaft nach einem Erfinder bzw. dessen Betrieb fortführende Gesellschaft bürgerlichen Rechts (BGB-Gesellschaft – GbR) erzielt haben, als freiberuflich oder gewerblich zu qualifizieren sind.
Die beiden Mitglieder der Klägerin sind als Erben je zur Hälfte Gesamtrechtsnachfolger nach ihrem am ….2004 verstorbenen Vater A (nachfolgend Erblasser). Dieser war Diplom-Chemiker gewesen und hatte als freier Erfinder auf dem Gebiet der Phytopharmaka und der …-Forschung ein Entwicklungslabor als Einzelunternehmen mit Sitz in E geführt. Der Erblasser hatte für verschiedene von ihm entwickelte Präparate Arzneimittelzulassungen des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte sowie Patente erlangt und entgeltlich Lizenzen an pharmazeutische Unternehmen zur Produktion und zum Vertrieb dieser Präparate vergeben. Er hatte die Präparate nicht selbst produziert und verkauft. Die von ihm mit verschiedenen Pharmaunternehmen, …, geschlossenen Lizenzverträge sahen Vergütungen des Erblassers in Höhe von zwischen 4,5% und 7% der Nettoumsätze vor, die die Lizenznehmer mit den aufgrund der Lizenzen hergestellten bzw. vertriebenen Präparaten erzielten. Die Vergütungen wurden zeitraumbezogen monatlich (z.T. bei B), quartalsweise (z.B. bei C, D, z.T. bei B) oder halbjährlich (z.T. bei B) ermittelt und gezahlt.
Der Erblasser stand in Geschäftsbeziehungen zu verschiedenen Unternehmen, so zu den Firmen Fa. F GmbH & Co.KG und G GmbH & Co.KG, die für die Arzneimittelzulassungen und andere Rechte erforderliche Untersuchungen und Analysen durchführten.
Die Einkünfte des Erblassers wurden als Einkünfte aus selbstständiger Arbeit deklariert und entsprechend zur Einkommensteuer veranlagt.
Der Miterbe H ist Diplom-Kaufmann und Apotheker, der Miterbe H1 ist Jurist und war zum Zeitpunkt des Erbfalls angestellter und später selbständiger Rechtsanwalt. Mit Schreiben ihres Prozessbevollmächtigten vom 10.11.2004 teilte die Klägerin dem Beklagten mit, dass sie das Unternehmen des Erblassers nach dessen Tod fortführe, wobei sie den Sitz des Unternehmens nach P verlegt habe. Im Außenverhältnis trat sie ausweislich des Briefkopfes ihrer Geschäftsbriefe unter der Bezeichnung „Pharmazeutisches … H und H1” auf, wobei sie zumindest ab dem ….2005 den Zusatz „GbR” verwendete, oder als „… H und H1 GbR” auf. Dabei führte die Klägerin in den Geschäftsbriefen zusätzlich zu ihren Namen die Berufsangaben „Apotheker, Dipl.-Kfm.” für H und „Assessor” für H1 auf. Ein Schreiben mit diesem Briefkopf ist erstmals am 08.08.2005 zu den Akten des Beklagten gelangt.
Der Unternehmensanschrift in P ist zugleich die Anschrift der Fa. B … GmbH, deren Geschäftsführer H ist. Diese stand in ständiger Geschäftsbeziehung zum Erblasser und sodann zu der Klägerin und vertrieb aufgrund verschiedener Verträge mit dem Erblasser Präparate auf der Grundlage von dessen Lizenzen. Daneben stand H als Einzelunternehmer für Pharmaberatung und -entwicklung in Geschäftsbeziehung zum Erblasser und der Klägerin.
Im Rahmen der Fortführung des väterlichen Unternehmens vereinnahmte die Klägerin die Erträge aus den vom Vater geschlossenen Lizenzverträgen und bezahlte die damit zusammenhängenden Ausgaben, wie Miete, Leasinggebühren, Arbeitslöhne. Sie verlängerte bei deren zeitlichem Auslaufen Verträge, brachte weiter vom Erblasser bereits beantragte Zulassungsverfahren zum Abschluss bzw. beantragte Verlängerungen im Falle des Auslaufens bestehender Zulassungen bzw. Patente. Soweit in diesen Zulassungsverfahren neue Untersuchungen, Analysen oder Tests erforderlich wurden, vergab sie diese an Drittfirmen. So beauftragte die Klägerin ausweislich der bei den Prüferhandakten befindlichen Rechnungen, in denen die Auftragsdaten aufgeführt sind, spätestens ab dem 02.02.2005 fortlaufend insbesondere die Fa. F GmbH & Co.KG mit auf die Präparate bzw. Zulassungen bezogenen Laboruntersuchen,...