rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Keine Wiederholung der Prüfung trotz Prüfungsunfähigkeit
Leitsatz (redaktionell)
1) Die krankheitsbedingte Prüfungsunfähigkeit aufgrund eines seit Jahren bestehenden Dauerleidens führt nicht zur Rechtswidrigkeit der negativen Prüfungsentscheidung.
2) Der Prüfling verletzt seine Obliegenheitspflichten, wenn er es versäumt, sich bei seinem behandelnden Arzt Klarheit über eine mögliche krankheitsbedingte Beeinträchtigung seines Leistungsvermögens zu verschaffen.
3) Eine den Prüfling zuzurechnende Obliegenheitsverletzung liegt auch dann vor, wenn er nicht umgehend nach dem Wegfall der Prüfungsunfähigkeit bzw. bereits im Moment der erstmaligen Erkennens seine Zweifel an der Gültigkeit der mündlichen Prüfung mitgeteilt und zur Dokumentation seines Zustandes einen Arzt bzw. Amtsarzt aufgesucht hat.
4) Eine Neubewertung der schriftlichen Arbeiten scheidet aus, wenn beim sog. "offenen Prüfungsverfahren" der jeweilige Zweitkorrektor bei der Korrektur der schriftlichen Aufsichtsarbeiten nur die Note des Erstkorrektors durch Unterschrift oder Hinzufügung eines Einleitungssatzes bestätigt hat.
Normenkette
DVStB § 30 Abs. 1, 1 S. 1, Abs. 2, §§ 24, 24 Abs. 2, 2 S. 1, § 30
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob die dem Kläger am 25. Februar 2002 mündlich bekannt gegebene Entscheidung über das Nichtbestehen der Steuerberaterprüfung 2001 aufzuheben ist.
Nachdem der Kläger bereits zweimal erfolglos am Steuerberaterexamen teilgenommen hatte, meldete er sich zum Steuerberaterexamen 2001 an. Mit Schreiben vom 4. April 2001 ließ der Beklagte ihn zur Prüfung zu. Der Kläger fertigte daraufhin zunächst am 9., 10. und 11. Oktober 2001 die schriftlichen Aufsichtsarbeiten an. Der Prüfungsausschuss 18 für Steuerberater setzte für diese Arbeiten folgende Noten fest (auf den Inhalt der Aufsichtsarbeiten sowie die entsprechenden Prüfervermerke wird verwiesen):
Verfahrensrecht und andere Steuerrechtsgebiete: |
5,0 |
Ertragsteuerrecht: |
4,0 |
Buchführung und nun Bilanzwesen: |
4,5 |
Gesamtnote schriftlich |
4,50. |
Nach der Zulassung zur mündlichen Prüfung legte der Kläger diese am 20. Februar 2002 vor dem vorgenannten Prüfungsausschuss ab und erhielt folgende Einzelnoten:
Vortrag: |
4,0 |
Prüfung A: |
4,5 |
Prüfung B: |
5,0 |
Prüfung C: |
4,0 |
Prüfung D: |
3,5 |
Prüfung E: |
4,5 |
Prüfung F: |
4,5 |
Gesamtnote mündlich: |
4,28 |
schriftlich: |
4,50 |
Gesamtnote: |
4,39 |
Der Ausschuss teilte dem Kläger daraufhin mit, dass er die Prüfung nicht bestanden habe (auf die Niederschrift über die mündliche Prüfung wird verwiesen).
Mit Schreiben vom 14. März 2002 beantragte der Kläger nach § 29 Abs. 1 der Verordnung über die Durchführung der Vorschriften über Steuerberater, Steuerbevollmächtigte und Steuerberatungsgesellschaften (DVStB) die Überdenkung des Prüfungsergebnisses. Zur Begründung führte er aus, dass auf Grund des Nichtbestehen der Prüfung nunmehr ein Verkauf der väterlichen Steuerberaterpraxis drohe. Dadurch seien neugeschaffene Arbeitsplätze gefährdet. Er, der Kläger, sei während der gesamten Prüfungsvorbereitungszeit wegen extremer Migräneattacken, Magengeschwüre und starker Muskelverspannungen in ärztlicher Behandlung gewesen. Hinzu sei eine weitere Erkrankung (Pfeiffer'sches Drüsenfieber) gekommen. Der behandelnde Arzt sehe hinsichtlich der Erkrankungen einen kausalen Zusammenhang zur Prüfungssituation.
Der Beklagte leitete das Überdenkungsverfahren ein und forderte die beteiligten Prüfer zu Stellungnahmen auf. Die Prüfer hielten allerdings an ihrer jeweiligen Benotung fest (auf die Stellungnahmen der einzelnen Prüfer wird verwiesen). Dies teilte der Beklagte dem Kläger mit Schreiben vom 18. April 2004 mit.
Der Kläger hält sein Begehren aufrecht und hat gegen die am 25. Februar 2002 mündlich bekannt gegebene Entscheidung des Prüfungsausschusses über das Nichtbestehen der Steuerberaterprüfung 2001 Klage vor dem erkennenden Senat erhoben, die er wie folgt begründet: Am Tag der mündlichen Prüfung sei er krankheitsbedingt in seiner Leistungsfähigkeit stark eingeschränkt und nicht in der Lage gewesen, dem Prüfungsablauf zu folgen. Dies habe er nicht erkennen können.
Seit 1984 leide er an einer therapieresistenten Migräne und sei daher auf die Einnahme starker Schmerzmittel sowie Spritzen zur Entkrampfung der Nackenmuskulatur angewiesen (auf das vom Kläger zur Akte gereichte ärztliche Attest vom 14. Mai 2002 wird verwiesen). Sämtliche Medikamente hätten Nebenwirkungen, die sich auf den psychischen Zustand und die Konzentrationsfähigkeit auswirkten. Er, der Kläger, habe am 18. Februar 2002 eine starke Migräneattacke erlitten, die ihn veranlasst habe, die Praxis seines behandelnden Arztes aufzusuchen. Dieser habe ihm eine starke Dosis Avamigran verschrieben, die er in den nächsten acht Tagen habe einnehmen sollen. Das Medikament beeinträchtige allerdings die Aufmerksamkeit und Konzentrationsfähigkeit und dürfe z. B. nicht bei aktiver Teilnahme am Straßenverkehr eingenommen werden. Bei ihm sei es nach der entsprechenden Einnahme zu Sehstörungen gekommen. D...