Entscheidungsstichwort (Thema)
Haftung eines Strohmannes für Lohnsteuer - Verwertung von Beweisergebnissen aus einem Steuerstrafverfahren
Leitsatz (redaktionell)
1) Beweisergebnisse anderer Gerichtsverfahren dürfen im Wege des Urkundenbeweises in finanzgerichtliche Verfahren eingeführt werden; das FG kann sich daher Feststellungen aus eingeführten Strafurteilen zu Eigen machen.
2) Ein Stpfl., der keine Verfügungsbefugnis über die Konten einer GmbH hat und damit weder rechtlich noch wirtschaftlich über die Mittel der GmbH verfügen kann, ist kein Verfügungsberechtigter i. S. des § 35 AO; eine etwaige Verfügungsbefugnis der Ehefrau kann nicht zugerechnet werden.
Normenkette
AO §§ 69, 191, 35
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Haftungsinanspruchnahme des Klägers wegen Lohnsteuer für den Streitzeitraum (die Jahre 1998 bis 2000 und Januar bis Juni 2001) für Lohnsteuerschulden der … (B-GmbH).
Die B-GmbH wurde mit Vertrag vom … 1998 (HRB…) von dem bestellten und eingetragenen, alleinvertretungsberechtigten Gesellschafter und Geschäftsführer E und anderen nicht zur Geschäftsführung berufenen Gesellschaftern gegründet. Als Unternehmenszweck wurde … benannt, für dessen Ausübung zahlreiche Arbeitnehmer beschäftigt wurden.
Nach den Feststellungen einer bei der B-GmbH durchgeführten UmsatzsteuerSonderprüfung bezüglich der Erlangung von ungerechtfertigten Betriebsausgaben sowie Vorsteuern unter Verwendung von Abdeckrechnungen führte das Finanzamt für Steuerstrafsachen und Steuerhinterziehung … (StraFA) mit Datum vom 20. September 2001 eine Fahndungsprüfung durch, die sich über die Jahre 1998 bis 2000 und Januar bis Juni 2001 erstreckte.
Nach einem Vermerk des StraFA sei der Kläger die Schlüsselfigur. In Fachkreisen sei er als Spezialist im Bereich … bekannt. Aufgrund seiner Kenntnisse und der über die Jahre geschlossenen Kontakte übernehme er die Führungsfunktion auf den Baustellen und pflege die Geschäftsverbindungen zu den Auftraggebern. Seine Ehefrau habe Verfügungsberechtigung über das Gesellschaftskonto, obwohl sie weder Gesellschafterin noch Angestellte der B GmbH sei. Innerhalb der von Bediensteten des Arbeitsamtes durchgeführten Kontrollen erklärten die jeweils an den Objekten angetroffenen Personen, insbesondere während der Befragung in 2000 und 2001, dass ihr Arbeitgeber der Kläger sei, nicht die B GmbH. Auch innerhalb der mit Verantwortlichen der W geführten Unterredungen käme eindeutig zum Ausdruck, dass der Kläger der eigentliche Ansprechpartner des Unternehmens sei. Die Absprachen und Weisungen seien unmittelbar mit bzw. gegenüber dem Kläger getroffen worden. Auf Bl. 502 und 503 der Akte … Js… III wird verwiesen.
Ein ebenfalls Beschuldigter F sagte u.a. am 9. Oktober 2001 aus, dass er Blankorechnungen von den einzelnen als Subunternehmern aufgeführten Firmen bei sich geführt habe und diese an den Kläger übergeben habe. Auf Bl. 543 bis 552 der Akte … Js… III wird verwiesen.
Die B GmbH erwarb …baumaterialien von der Q. Sowohl der Kläger als auch seine Ehefrau übernahmen die betragsmäßig unbegrenzte, unbefristete und selbstschuldnerische Bürgschaft für sämtliche Forderungen der Q. Gegenüber der B GmbH. Auf Bl. 560 und 561 der Akte … Js… III.
Die getroffenen Feststellungen fasste das StraFA im Prüfungsbericht vom 13. November 2001 zusammen. Hinsichtlich der Ermittlung der Lohnsteuer wird auf Anlage 1 zum Bericht des StraFA vom 13. November 2011 in der Lohnsteueraußenprüfungsakte verwiesen.
Am 8. November 2011 wurde unter dem Aktenzeichen …/01 über das Vermögen der B-GmbH das Insolvenzverfahren eröffnet. Der Beklagte meldete die rückständigen Steuern zur Insolvenztabelle an.
Mit Schreiben vom 4. März 2002 teilte der Beklagte dem Kläger mit, dass er beabsichtigte ihn gemäß § 191 Abs. 1 der Abgabenordnung (AO) i.V.m. § 69 AO und § 34 AO unter Hinweis auf die Vorschriften des § 41a des Einkommensteuergesetzes in der für die Streitjahre gültigen Fassung (EStG) und § 38 Abs. 2 Satz 1 EStG in Anspruch zu nehmen.
Nachdem der Kläger sich hierzu in der vom Beklagten gesetzten Frist nicht äußerte, erließ der Beklagte gegenüber dem Kläger am 6. August 2002 einen Haftungsbescheid, mit dem er den Kläger für Lohnsteuer, Kirchensteuer, Solidaritätszuschlag sowie Säumnis- und Verspätungszuschläge für den Zeitraum der Kalenderjahre 1998 bis 2001 laut Anlage 1 zum Haftungsbescheid in Höhe eines Betrages von … EUR in Anspruch nahm.
Hiergegen hat der Kläger fristgerecht Einspruch eingelegt. Zu dessen Begründung trug er vor, dass er weder Gesellschafter, Mitgesellschafter noch Geschäftsführer der B-GmbH gewesen sei. So habe er insbesondere auch keine gesetzlichen Pflichten des Vertreters oder Eigentümers erfüllen können. Er sei zu keinem Zeitpunkt Zeichnungsberechtigt gewesen. Die Eigentumsverhältnisse und die Vertretungsberechtigung für die B-GmbH ergäben sich im einzelnen und abschließend aus dem Handelsregister. Er sei lediglich bei der B-GmbH angestellt gewesen. Das Anstellungsverhältnis habe sich ausschließlich auf seine Tätigkeit a...