Entscheidungsstichwort (Thema)
Berufliche Veranlassung gegenläufiger Fahrzeitänderungen von Ehegatten
Leitsatz (redaktionell)
Umzugskosten sind als Werbungskosten des Steuerpflichtigen zu berücksichtigen, wenn sich die tägliche Fahrzeit um mehr als eine Stunde verkürzt. Dies gilt auch dann, wenn sich die Fahrzeit des Ehegatten in gleicher Höhe verlängert.
Normenkette
EStG § 9 Abs. 1 S. 1, Abs. 1
Nachgehend
Tatbestand
Streitig ist die steuerliche Berücksichtigung von Aufwendungen der Kläger im Zusammenhang mit ihrem Umzug als Werbungskosten bei den Einkünften des Klägers aus nichtselbständiger Arbeit.
Die Kläger sind Eheleute, die im Streitjahr – 1998 – zusammen zur Einkommensteuer veranlagt werden. Die Kläger erzielten im Streitjahr beide Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit, und zwar der Kläger als … und die Klägerin als …. Beide wohnten zunächst in R., … Straße …, und sind am 24. April 1998 nach A. in die …straße … umgezogen. Die Arbeitsstelle der Klägerin befand sich im Streitjahr in B., die des Klägers in A.
In der Einkommensteuererklärung machte der Kläger Werbungskosten in Höhe von 3.834 DM für Umzugskosten geltend, die er im einzelnen wie folgt bezifferte und erläuterte:
„Spediteur” |
2.494,– DM |
„doppelte Miete April 1998” |
640,– DM |
„Renovierung alte Wohnung” |
500,– DM |
„Reisekosten Umzugsvorbereitung” |
200,– DM |
Gesamtbetrag: |
3.834,– DM |
Im Einkommensteuerbescheid vom 7.4.1999 berücksichtigte der Beklagte die genannten Aufwendungen nicht. Er begründete dies damit, dass es angesichts der erheblichen Verlängerung des Weges der Klägerin zu deren Arbeitsstätte an einer beruflichen Veranlassung fehle. Den dagegen eingelegten Einspruch wies der Beklagte mit Einspruchsentscheidung vom 8. Juni 1999 als unbegründet zurück. Zur Begründung wiederholte er seine Rechtsauffassung, dass trotz erheblicher Wegezeitverkürzung bei dem einen Ehegatten wegen der entsprechenden Wegezeitverlängerung bei dem anderen Ehegatten keine ausschließliche berufliche Veranlassung mehr zu bejahen sei. Eine verfassungsrechtlich bedenkliche Benachteiligung berufstätiger Eheleute liege nicht vor.
Daraufhin haben die Kläger die vorliegende Klage erhoben, mit der sie ihr Begehren auf Anerkennung der Umzugskosten als Werbungskosten weiterverfolgen, da sie der Ansicht sind, die Wegezeitverkürzung beim Kläger müsse zur Berücksichtigung der geltend gemachten Aufwendungen als Werbungskosten des Klägers führen.
Unstreitig stellt sich der Sachverhalt nach Durchführung eines Erörterungstermins vor dem Berichterstatter wie folgt dar:
Der Kläger fuhr bis zum Umzug mit dem PKW zur Arbeit; die Fahrtstrecke betrug 96 km und erforderte eine Wegezeit von günstigstenfalls 1 1/4 Stunde pro Fahrtstrecke. Seit dem Umzug benutzt der Kläger einen Linienbus; die Wegezeit beträgt einschließlich Fußweg zur Haltestelle und zur Arbeitsstätte 15 bis 20 Minuten.
Die Klägerin benutzte bis zum Umzug die Straßenbahn und benötigte von der Wohnung bis zum Arbeitsstätte 30 bis 40 Minuten. Seit dem Umzug benutzte sie im Streitjahr den PKW und fuhr eine Strecke von 98 km, für die sie pro Strecke 1 1/4 bis 1 3/4 Stunden benötigte. Wegen der genauen Wegestreckenbeschreibungen wird auf den Schriftsatz der Kläger vom 15.8.2001 (Bl. 37 bis 41 FG-Akte) verwiesen.
Der Kläger war Mitte 1996 mit 49 Jahren arbeitslos geworden; seit dem 17.02.1997 ist er bei der Stadt A. beschäftigt. Seine Probezeit dort dauerte sechs Monate. Der Kläger trägt dazu vor, er sei sehr froh gewesen, die dortige Arbeitsstelle im öffentlichen Dienst gefunden zu haben. Hätte er eine Stelle in der Privatwirtschaft gefunden und wäre womöglich in wenigen Jahren erneut – z. B. wegen Konkurses des Arbeitgebers – arbeitslos geworden, so habe er eine große Gefahr gesehen, dann wegen seines Alters keine Arbeitsstelle mehr zu finden.
Die Kläger suchten seit den Ablauf der Probezeit des Klägers – im August 1997 – eine Wohnung in A. Zugleich begann die Klägerin mit einer Stellensuche im dortigen Raum und bis nach … hin. Zur Auswertung der Stellenanzeigen brachte der Kläger der Klägerin die Zeitung aus A. mit. Sie – die Klägerin – hat die damaligen Bewerbungsunterlagen und die darauf eingegangenen Antworten nicht mehr aufbewahrt, zumal sie – wie sie vorträgt – geglaubt habe, die dabei entstandenen Aufwendungen nicht als Werbungskosten geltend machen zu können, weil sie sich aus einem ungekündigten Arbeitsverhältnis heraus beworben hatte.
Da sie – die Klägerin – als gelernte Buchhalterin in B. als Verkäuferin im …handel gearbeitet hatte, bewarb sie sich zum Beispiel bei den in A. ansässigen Firmen … und …, aber auch bei weiteren potentiellen Arbeitgebern, die nichts mit …handel zu tun haben, wie z. B. bei … in A. Zum Ende Mai 2001 hat die Klägerin die Stelle in B. gekündigt und arbeitet seit ab dem 1. Juni 2001 bei … in A. Dorthin fährt sie mit dem PKW eine Strecke von 8 km, für die sie etwa 10 Minuten benötigt. Von der Einkommensse...