Entscheidungsstichwort (Thema)
Versäumen der Einspruchsfrist
Leitsatz (redaktionell)
Der Irrtum eines Steuerberaters, ein Steuerbescheid sei unter dem Vorbehalt der Nachprüfung ergangen, kann die Versäumung der Einspruchsfrist nicht entschuldigen.
Normenkette
AO §§ 110, 355
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Einsprüche des Klägers gegen die Einkommensteuerbescheide 2005 und 2006 zulässig sind.
Der Kläger wurde in den Streitjahren mit seiner Ehefrau zusammen zur Einkommensteuer veranlagt und von seiner jetzigen Prozessbevollmächtigten – der K-GmbH – steuerlich beraten. Innerhalb der K-GmbH war ein Steuerberater für den Kläger zuständig. Der Kläger erzielte gewerbliche Einkünfte als Estrich- bzw. Bodenverleger. Seine Ehefrau war nichtselbständig tätig. Darüber hinaus erzielten der Kläger und seine Ehefrau Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung.
Da der Kläger und seine Ehefrau zunächst keine Steuererklärungen abgegeben hatten, schätzte der Beklagte die Besteuerungsgrundlagen und setzte die Einkommensteuer für das Jahr 2005 mit Steuerbescheid vom 5.7.2007 und für das Jahr 2006 mit Steuerbescheid vom 13.5.2008 fest. Der Bescheid für das Jahr 2005 erging unter dem Vorbehalt der Nachprüfung.
Nachdem der Kläger und seine Ehefrau ihre Einkommensteuererklärung für 2005 eingereicht hatten, erließ der Beklagte am 29.10.2007 einen weiterhin unter dem Vorbehalt der Nachprüfung stehenden Änderungsbescheid und forderte den Kläger und seine Ehefrau in der Anlage zum Bescheid auf, weitere Unterlagen vorzulegen. Mit Schreiben vom 28.11.2007 kündigte der steuerliche Berater eine Berichtigung der Einkommensteuererklärung für 2005 an und bezog sich auf eine beigefügte Stellungnahme des Buchhalters vom 8.11.2007, wonach die privaten Fahrzeugkosten irrtümlich als Betriebsausgaben erfasst worden seien. Dem Schreiben lag eine hinsichtlich der Kraftfahrzeugkosten geänderte Gewinnermittlung des Klägers bei.
Der Beklagte forderte den steuerlichen Berater in der Folgezeit mehrfach erfolglos zur Vorlage der angekündigten Unterlagen bzw. der berichtigten Steuererklärung auf und erließ schließlich mit Datum vom 13.5.2008 einen geänderten Einkommensteuerbescheid. Dabei setzte er den gewerblichen Gewinn des Klägers mit dem vom steuerlichen Berater in der „geänderten Gewinnermittlung” mitgeteilten Wert an. Gleichzeitig hob er den Vorbehalt der Nachprüfung auf.
Eine Steuererklärung für das Jahr 2006 wurde bisher nicht eingereicht.
Mit Schreiben vom 1.7.2008 erhob der durch seinen steuerlichen Berater vertretene Kläger gegen die Steuerbescheide vom 13.5.2008 Einspruch und beantragte mit Blick auf die versäumte Einspruchsfrist eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach § 110 AO. Die Ehefrau legte keinen Einspruch ein.
Der Beklagte verwarf die Einsprüche mit Einspruchsentscheidung vom 26.8.2008 wegen Versäumung der Einspruchsfrist als unzulässig und lehnte eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ab. Zur Begründung führte er aus, dass die Einsprüche am 1.7.2008 nicht fristgerecht erhoben worden seien und die Voraussetzungen für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht vorlägen. Der vom Kläger geltend gemachte Umstand, dass sein damaliger steuerlicher Berater irrtümlicherweise angenommen habe, dass die Steuerbescheide unter dem Vorbehalt der Nachprüfung stünden und daher auch noch nach Ablauf der Einspruchsfrist gemäß § 164 Abs. 2 AO geändert werden könnten, rechtfertige keine Wiedereinsetzung. Die fehlerhafte Annahme eines Vorbehalts der Nachprüfung sei ein von § 110 AO nicht erfasster Rechtsanwendungsfehler. Der steuerliche Berater habe die Einspruchsfrist vielmehr bewusst verstreichen lassen. Das Verschulden des Steuerberaters sei dem Kläger zuzurechnen. Dem stehe eine Erkrankung des Steuerberaters nicht entgegen, zumal die Steuerberatungsgesellschaft von mehreren Berufsträgern vertreten werde und der für den Kläger zuständige Steuerberater im Fall einer Erkrankung Vorkehrungen für eine Vertretungsregelung hätte treffen müssen. Im Übrigen sei das Fristenkontrollbuch auch ordnungsgemäß geführt worden.
Mit seiner Klage wendet sich der Kläger gegen die Einspruchsentscheidung und begehrt die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Zur Begründung trägt er vor, dass der seinerzeit zuständige Steuerberater die Steuerbescheide erhalten und die jeweiligen Einspruchsfristen ordnungsgemäß in das Fristenkontrollbuch eingetragen habe. In der Folgezeit sei der Steuerberater – dessen Ehefrau zudem kurz vorher verstorben war – jedoch wegen einer plötzlichen Erkrankung unerwartet in ein Krankenhaus eingeliefert worden. Mit Blick auf eine bereits überstandene schwere Erkrankung habe der Steuerberater sehr um seine eigene Gesundheit gesorgt. Daher habe er sich in einer entsprechend schlechten seelischen Verfassung befunden und erst nach Abschluss der Krankenhausbehandlung seinen Dienst wieder antreten können. Erst zu diesem Zeitpunkt habe sich – nachdem die Einspruchsfristen bereits abgelaufen waren – herausgestellt, dass der Steuerbera...