Entscheidungsstichwort (Thema)
Spontanauskunft an niederländische Finanzbehörden
Leitsatz (redaktionell)
1) Nach § 117 Abs. 2 AO i.V. mit § 2 Abs. 2 Nr. 1 EG-AHG können Finanzbehörden eines Mitgliedstaats ohne besondere Auskunftsersuchen die in § 1 Abs. 2 EG-AHG bezeichneten Auskünfte erteilen, wenn tatsächliche Anhaltspunkte die Vermutung rechtfertigen, dass Steuern dieses Mitgliedstaats verkürzt worden sind oder werden könnten.
2) Eine Spontanauskunft ist bereits dann zulässig, wenn sich die Vermutung der Steuerverkürzung ergibt; unter einer Steuerverkürzung ist dabei ein nicht gerechtfertigter Steuervorteil zu verstehen.
3) Es reicht aus, wenn das Verhalten des Steuerpflichtigen nach der allgemeinen Lebenserfahrung den Rückschluss erlaubt, er wolle verhindern, dass die zuständigen Finanzbehörden Kenntnis von einem steuerlich relevanten Sachverhalt erlangen.
4) Spontanauskünfte über rechtmäßig ermittelte Zufallserkenntnisse - im Rahmen einer Steuerfahndungsprüfung bei einer Bank - an niederländische Finanzbehörden sind ermessensgerecht und verstoßen weder gegen die Dienstleistungs- und Kapitalverkehrsfreiheit, noch gegen § 30a Abs. 3 AO.
Normenkette
BGB § 1004; AO 1977 §§ 30, 30a, 117 Abs. 2, § 208 Abs. 1 Nr. 3; EG-AHG § 2 Abs. 2 Nr. 1; EGV Art. 49 ff.; FGO § 114
Tatbestand
I.
Die Beteiligten streiten um die Rechtmäßigkeit einer Spontanauskunft der deutschen Finanzverwaltung an die niederländischen Finanzbehörden. Streitentscheidend ist die Frage, ob dem Antragsgegner eine Ermächtigung für die Erteilung der Auskunft zusteht.
Vom Finanzamt für Steuerstrafsachen und Steuerfahndung … wurden im Rahmen eines Ermittlungsverfahrens gegen bekannte und unbekannte Kunden und Mitarbeiter der Antragstellerin Adress-Handelsbücher auf Microfiches beschlagnahmt. Dieser Beschlagnahme lag ein entsprechender Beschluss des Amtsgerichts … vom 24.07.1997 zu Grunde. Aufgrund dieser Adress-Handelsbücher können Konten bestimmten Kunden zugeordnet werden. Die Adress-Handelsbücher, die dem Senat in ausgedruckter Form zumindest teilweise vorliegen, beinhalten folgende Angaben:
- ▹ Stamm-Nr. (Kontonummer),
- ▹ Name,
- ▹ Vorname,
- ▹ Anschrift,
- ▹ Bereichsnummer,
- ▹ Vermerk zu einer eventuellen Löschung des Kontos und
- ▹ Beginn der Benutzung des Kontos durch den Kunden.
Im Rahmen der Auswertung der beschlagnahmten Adress-Handelsbücher wurde eine Vielzahl von Niederländern bekannt, die bei der Antragstellerin Konten unterhielten. (Nur) Diese Personen sind im Klartext erkennbar; andere Namen sind geschwärzt, so dass es nicht möglich ist, eine Identifizierung vorzunehmen.
Der Antragsgegner beabsichtigt, diese Listen mit den erkennbaren Namen von Niederländern, die bei der Antragstellerin Konten unterhalten, der niederländischen Steuerverwaltung mitzuteilen. Hiergegen hat die Antragstellerin den vorliegenden Antrag gestellt, den sie wie folgt begründet:
Der Anordnungsgrund ergebe sich daraus, dass die Weitergabe der Daten einen Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb der Antragstellerin darstelle, der nicht gerechtfertigt sei. Öffentliche Interessen an der Informationsweitergabe überwögen nicht.
In der Sache selbst ergebe sich ein Verwertungsverbot bereits daraus, dass in dem Beschluss des Landgerichts … III Qs 241/94 vom 28.10.1994 ausdrücklich ausgeführt sei, dass aufgrund des bestehenden Vertrauensverhältnisses zwischen Bank und Kunde sicherzustellen sei, dass bislang unverdächtigte Kunden vor sog. Zufallsfunden und einer Weitergabe ihrer Daten geschützt werden müssten. Zu vermeiden sei allein der Eindruck, dass eine solche Datenerhebung und Weitergabe geschehe, denn dies sei bereits der Punkt, der das Vertrauensverhältnis störe und damit die Antragsstellerin in unverhältnismäßiger Weise beeinträchtige. Das Landgericht habe deswegen angeordnet, dass die Kundenliste in der Bankniederlassung verbleibe und von dem Beamten der Staatsanwaltschaft nur dort eingesehen werden dürfte. Entgegen diesen Begrenzungen hätten die Ermittlungsbehörden dagegen im vorliegenden Fall flächendeckend Daten bezüglich niederländischer Kunden, gegen die sich die Ermittlungen gar nicht gerichtet hätten, entnommen; eine Ausschau nach bestimmten Umständen, die die einzelnen Fälle hätten individualisieren können, sei nicht erfolgt. Vielmehr sei in der Art einer Rasterfahndung vorgegangen worden. Dies sei weder von § 108 StPO noch von § 208 AO gedeckt.
Nach der Rechtsprechung des BVerfG sei es zwingend notwendig, dass der Grundrechtseingriff durch geeignete richterliche Formulierungen auf ein Mindestmaß beschränkt werde und dass der Eingriff in einem angemessenen Verhältnis zur Stärke des Tatverdachts stehen müsse (BVerfG-Urteile vom 09.03.2004 2 BvL 17/02, BVerfGE 110, 94 zur Spekulationsgewinnbesteuerung; vom 03.03.2004 1 BvR 2378/98, BVerfGE 109, 279, sog. Großer Lauschangriff). Das LG habe ausdrücklich angeordnet, dass Zufallsfunde zu vermeiden seien. Darüber hätten sich die Strafverfolgungsbehörden hinweg gesetzt.
Unabhängig von dem bereits danach bestehenden Verw...