Entscheidungsstichwort (Thema)
Leistungen der deutschen gesetzlichen Rentenversicherung an einen in Norwegen lebenden Rentner. Behandlung als unbeschränkt steuerpflichtig. einschränkende Auslegung des Begriffs der inländischen Einkünfte, die nach einem DBA nur der Höhe nach beschränkt besteuert werden dürfen
Leitsatz (redaktionell)
1. Leistungen aus der deutschen gesetzlichen Rentenversicherung, die ein in Norwegen lebender Rentner bezieht, können gemäß Art. 18 Abs. 1 DBA Norwegen in Deutschland der Einkommensteuer unterworfen werden, wobei die erhobene Steuer 15 % der Bruttozahlung nicht übersteigen darf.
2. § 1 Abs. 3 Satz 3 EStG, wonach inländische Einkünfte, welche nach einem Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung nur der Höhe nach beschränkt besteuert werden dürfen, bei der Prüfung der Voraussetzungen des § 1 Abs. 3 Satz 2 1. Halbsatz Alt. 1 EStG nicht als der deutschen Einkommensteuer unterliegend gelten, ist einschränkend dahin auszulegen, dass es nicht auf die abstrakte Beschränkung des Besteuerungsrechts, sondern vielmehr darauf ankommt, ob das Besteuerungsrecht der Bundesrepublik Deutschland konkret der Höhe nach beschränkt wurde.
3. Eine Person, welche ihr komplettes Berufsleben in ihrem Herkunftsstaat (im hiesigen Streitfall: Deutschland) verbracht hat und den Wohnsitz erst nach Eintritt in den Ruhestand in den jetzigen Wohnsitzstaat (im hiesigen Streitfall: Norwegen) verlegt, kann sich zwar nicht auf Art. 28 des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum, aber gemäß der Freizügigkeitsrichtlinie auf das allgemeine Freizügigkeitsrecht der Unionsbürger gemäß Art. 21 AEUV berufen.
Normenkette
EStG § 1 Abs. 3 Sätze 1-3, Abs. 4, § 22 Nr. 1 S. 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa, § 49 Abs. 1 Nr. 7; DBA NOR Art. 18 Abs. 1; EWR-Abkommen Art. 28; AEUV Art. 21; EG RL 38/2004
Nachgehend
Tenor
1. Unter Änderung des Bescheides für 2017 über Einkommensteuer vom 22.03.2019, in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 06.11.2019, wird der Kläger als fiktiv unbeschränkt einkommensteuerpflichtig gemäß § 1 Abs. 3 Satz 1 EStG behandelt. Die Berechnung der konkreten Steuer wird dem Beklagten übertragen.
2. Die Kosten des Verfahrens trägt der Beklagte.
3. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung des Klägers gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht Kläger vorher Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
4. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten wegen der Behandlung des Klägers als beschränkt einkommensteuerpflichtig i.S.v. § 1 Abs. 4 des Einkommensteuergesetzes (EStG).
Der am 19.10.1937 geborene Kläger ist deutscher Staatsbürger und seit 1974 mit einer norwegischen Staatsbürgerin verheiratet. Das Ehepaar verzog im Jahr 2008 aus der Bundesrepublik Deutschland in das Königreich Norwegen. Seit dem 01.11.2002 – und so auch im Streitjahr – bezieht er Leistungen von der Deutschen Rentenversicherung Bund (im Folgenden: DRVB).
Die Bruttozahlungen der DRVB beliefen sich im Veranlagungszeitraum 2017 auf insgesamt 26.326,98 EUR, worin ein Anpassungsbetrag in Höhe von 3.948,18 EUR enthalten war. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Ausdruck der Rentenbezugsmitteilung (im Folgenden: RBM) Bezug genommen (Blatt 48 der Rechtsbehelfsakte).
Unter dem 12.06.2018 reichte der Kläger für das Streitjahr seine Einkommensteuererklärung ein. Die Leistungen der DRVB erklärte er darin in identischer Höhe, wie dem Beklagten in der RBM mitgeteilt. Der Kläger beantragte die Behandlung als unbeschränkt steuerpflichtig gemäß § 1 Abs. 3 EStG, wobei er die Einzelveranlagung von Ehegatten wählte. Zum Nachweis der Voraussetzungen des § 1 Abs. 3 EStG reichte er hierzu einen norwegischen Steuer-Vorauszahlungsbescheid „Foreløpig beregning av skatter og avgifter 2017” = „Vorläufige Berechnung der Steuern und Gebühren 2017”, Blatt 61 der Einkommensteuerakte) für das Streitjahr ein und erklärte zudem, neben seiner deutschen Rente lediglich geringfügige weitere Einnahmen in Norwegen aus Sparzinsen in Höhe von 488 EUR zu erzielen.
Der Beklagte veranlagte den Kläger als beschränkt einkommensteuerpflichtig und setzte die Einkommensteuer mit Bescheid vom 22.03.2019 in Höhe von 3.584 EUR zzgl. eines Solidaritätszuschlages in Höhe von 197,12 EUR fest. Zur Begründung wies er in dem Bescheid darauf hin, dass aufgrund der ab dem 01.01.2015 gültigen Fassung des Doppelbesteuerungsabkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Königreich Norwegen (im Folgenden: DBA) der Bundesrepublik Deutschland nur noch ein eingeschränktes Recht zur Besteuerung der aus Deutschland stammenden Renten und Ruhegehälter zustehe. Das Besteuerungsrecht sei der Höhe nach auf maximal 15 % der Bruttozahlungen begrenzt. Dies führe dazu, dass bei der Prüfung der Voraussetzungen einer fiktiven unbeschränkten Steuerpflicht die deutschen Renteneinkünfte ge...