Entscheidungsstichwort (Thema)

Beweiswürdigung des Finanzamts und des Finanzgerichts im Verfahren der Aussetzung der Vollziehung (AdV). zu den tatsächlichen Voraussetzungen einer vGA. Einkommensteuer 1996, 1997, 1998

 

Leitsatz (amtlich)

Übereinstimmende schriftliche Aussagen des Antragstellers, seines Steuerberaters und eines Vertragspartners können ernstliche Zweifel am Vorliegen einer vGA im AdV-Verfahren begründen.

 

Normenkette

AO § 88; FGO § 113 Abs. 1 i. V. m, § 96 Abs. 1 S. 1, § 69 Abs. 3; EStG § 20 Abs. 1 Nr. 1 S. 2

 

Tenor

1. Die Vollziehung der geänderten Einkommensteuerbescheide 1996, 1997 wird für die Dauer der Rechtshängigkeit des Einspruchsverfahrens gegen Sicherheitsleistung wie folgt ausgesetzt:

  • DM für 1996 und
  • DM für 1997.

Im Übrigen wird der Antrag abgelehnt.

2. Die Kosten des Verfahrens tragen der Antragsteller zu 7 %, der Antragsgegner zu 93 %.

 

Tatbestand

I.

Streitig ist im Einspruchsverfahren, ob dem Antragsteller (ASt) verdeckte Gewinnausschüttungen (vGA) von Seiten der … GmbH (AuV GmbH) in Form von Zahlungen der GmbH in den Jahren 1996–1998, die als Darlehensrückzahlungen deklariert wurden, zugeflossen sind. Insbesondere geht es um die Frage, wann der ASt ein auf den 8. November 1995 datierendes Dokument betr. einen Forderungsverzichtsvertrag unterzeichnet hat.

Wegen des Sachverhalts im Einzelnen wird auf die Einspruchsentscheidung (EE) vom 2. Juli 2002 (Bl. 28–30 FG-Akte), den Bericht über die Außenprüfung vom 7. Dezember 2000, die Akten und die von den Beteiligten eingereichten Schriftsätze Bezug genommen.

Der ASt beantragt,

die Vollziehung der Einkommensteuer (ESt-)Bescheide 1996–1998 vom 23. Oktober und 2. November 2001 i.H.v. 68.973 DM (1996), 23.725 DM (1997) und 7.172 DM (1998) wegen ernstlicher Zweifel an der Rechtmäßigkeit auszusetzen.

Der Antragsgegner (Finanzamt –FA–) beantragt,

den Antrag abzulehnen.

 

Entscheidungsgründe

II.

1. Für 1998 ist der Antrag unzulässig, da das FA den AdV-Antrag nur für die Jahre 1995–1997 abgelehnt und hierüber durch EE entschieden hat (§ 69 Abs. 4 Satz 1 Finanzgerichtsordnung –FGO–). Die Ausnahmetatbestände des § 69 Abs. 4 Satz 2 FGO liegen nicht vor.

2. Der Antrag ist für 1996, 1997 begründet.

An der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Verwaltungsakte bestehen ernstliche Zweifel im Sinne von § 69 Abs. 3 Satz 1 Halbsatz 2 i.V.m. mit Abs. 2 Satz 2 FGO.

Ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit eines angefochtenen Verwaltungsaktes bestehen, wenn bei überschlägiger Prüfung anhand des aktenkundigen Sachverhalts neben für die Rechtmäßigkeit sprechenden Umständen gewichtige, dagegen sprechende Gründe zutage treten, die Unentschiedenheit oder Unsicherheit in der Beurteilung der Rechtsfragen oder Unklarheit in der Beurteilung der Tatfragen bewirken. Der Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ist bereits dann begründet, wenn ein nicht nur geringer Grad von Wahrscheinlichkeit dafür spricht, dass der gegen den Verwaltungsakt eingelegte Rechtsbehelf Erfolg haben wird (Bundesfinanzhof-BFH-Urteil vom 7. Juni 1994 IX R 141/89, BStBl II 1994, 756; BFH-Beschlüsse vom 15. Januar 1998 IX B 25/97, BFH/NV 1998, 994; vom 23. Juli 1999 VI B 116/99, BStBl II 1999, 684).

Diese Voraussetzungen sind im Streitfall erfüllt, weil nach den übereinstimmenden Bekundungen des Anteilsveräußerers (S. S.), des ASt als Käufer der Anteile und ihres gemeinsamen steuerlichen Vertreters (des Prozessbevollmächtigten) gewichtige Gründe dafür sprechen, dass S. den auf den 8. November 1995 datierten Forderungsverzichtsvertrag versehentlich und außerdem auch noch zeitlich nach dem auf den 12. Dezember 1995 datierten Forderungsabtretungsvertrag unterzeichnete (Hinweis auf das Einspruchsschreiben vom 19. Oktober 2000, Bl. 11 ff. FG-Akte, die Aktennotiz des als Zeugen in Betracht kommenden S. vom 2. Juni 2000, Bl. 31 f. FG-Akte, und den Aktenvermerk des ASt vom 5. Juni 2000, Bl. 33 f. FG-Akte; ferner das Schreiben des Rechtsanwalts des Prozessbevollmächtigten vom 14. Dezember 2000, Bl. 38–40 FG-Akte).

Nach Aktenlage handelte es sich um drei Dokumente, die von S. unterzeichnet wurden:

  1. Erster Forderungsverzichtsvertrag (datiert auf den 8. November 1995). Hierbei soll es sich lediglich um einen Entwurf gehandelt haben, den S. lt. Angabe erst nach dem Forderungsabtretungsvertrag und nach dem zweiten Forderungsverzichtsvertrag (s. Buchstabe c) unterzeichnete, und zwar in der Kanzlei des Prozessbevollmächtigten;
  2. Forderungsabtretungsvertrag (datiert auf den 12. Dezember 1995). Dieser Vertrag soll am 14. Dezember 1995 zuerst unterzeichnet worden sein und betraf die Forderungen des S. gegenüber der AuV GmbH, insbes. die hier strittigen Darlehensforderungen des S. Durch Abtretung an den ASt wären sie nicht erloschen, sondern standen diesem zu;
  3. zweiter Forderungsverzichtsvertrag (datiert auf den 12. Dezember 1995). Er soll von S. nach dem Forderungsabtretungsvertrag und vor dem ersten Forderungsverzichtsvertrag unterzeichnet worden sei und betraf lt. Angabe alle noch entstehenden oder außerhalb des Gesellschafterverrechnungskontos beste...

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