rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
LSt-Haftung des Geschäftsführers bei Liquiditätsengpass
Leitsatz (redaktionell)
1. Bei Liquiditätsengpässen darf der Geschäftsführer Löhne nur entsprechend gekürzt auszahlen und muss die Verwendung der einbehaltenen flüssigen Mittel zur Abführung der Lohnsteuer sicherstellen.
2. Das Vertrauen darauf, dass ein Schuldner seine Schuld begleichen werde, entschuldigt nicht.
Normenkette
AO § 191 Abs. 1, § 69; EStG § 38 Abs. 3, § 41a
Tenor
1. Der Antrag auf Aussetzung der Vollziehung wird abgelehnt.
2. Die Kosten des Verfahrens trägt der Antragsteller.
Tatbestand
I.
Streitig ist in der Hauptsache die Geschäftsführerhaftung des Antragstellers für nichtabgeführte Lohnsteuern vor einer Insolvenz.
1. Der Antragsteller war im Streitzeitraum (Mai 2004) Geschäftsführer der F GmbH (im Folgenden: GmbH), die Komplementärin der F GmbH & Co KG (im Folgenden: KG) war. Die KG zahlte Ende Mai 2004 Nettolöhne an ihre Arbeitnehmer aus und meldete die für Mai 2004 einzubehaltenden Lohnsteuern (LSt: 2.911,64 EUR), Solidaritätszuschlag zur Lohnsteuer (SoliZ: 141,26 EUR) und römisch-katholische Kirchenlohnsteuer (KiSt: 187,13 EUR) am 10. Juni 2004 beim Antragsgegner – dem Finanzamt (FA) – an. Allerdings führte die KG die angemeldeten Beträge nicht ab. Am Freitag, den … Juli 2004 ging der auf den … Juli 2004 datierende und vom Antragsteller unterzeichnete Insolvenzantrag wegen Zahlungsunfähigkeit für die KG und die GmbH beim Insolvenzgericht ein. Den Geschäftsbetrieb stellte die KG im Wesentlichen bis zum 31. Juli 2004 ein. Zu einem späteren Zeitpunkt wurde das Insolvenzverfahren eröffnet.
2. Nach Anhörung nahm das FA den Antragsteller mit einem auf § 69 Abgabenordnung (AO) gestützten Haftungsbescheid vom 30. Mai 2006 für die bis dahin nicht beglichenen, angemeldeten Abzugssteuern in Höhe von 3.240,03 EUR samt Säumniszuschlägen von 378,00 EUR in Anspruch. Der Einspruch blieb ohne Erfolg.
Das FA begründete den Haftungsbescheid im Wesentlichen wie folgt (wegen der Einzelheiten wird auf den Bescheid und die EE verwiesen): Der Antragsteller habe die Pflicht gehabt, die angemeldeten Abzugsbeträge spätestens am 10. Juni 2004 auch abzuführen. Bei unzureichenden flüssigen Mitteln hätte er die Lohnzahlung entsprechend kürzen müssen. Eine hypothetische Anfechtungsbefugnis des Insolvenzverwalters sei als hypothetischer Kausalverlauf nicht zu berücksichtigen. Der Drei-Wochen-Zeitraum, in dem möglicherweise eine Kollision der Abführungspflicht mit der Pflicht zur Masseerhaltung (§ 64 Gesetz betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung [GmbHG]) auftreten könne, könne frühestens am 19. Juni 2004 begonnen haben, da der Insolvenzantrag am 9. Juli 2004 gestellt worden sei.
3. Der an das FA gerichtete Antrag auf Aussetzung der Vollziehung (AdV) für das Klageverfahren vor dem Finanzgericht blieb erfolglos. Mit seinem Antrag an das Gericht verfolgt der Antragsteller sein Begehren weiter.
Er trägt im Wesentlichen vor, im Zeitpunkt der Fälligkeit der Abführungsverpflichtung habe Zahlungsunfähigkeit vorgelegen. Es komme daher nicht darauf an, dass der Insolvenzantrag etwas später als 3 Wochen nach diesem Zeitpunkt gestellt worden sei. Der Antragsteller habe sich innerhalb der 3-Wochen-Frist an den Rechtsanwalt H – den späteren Insolvenzverwalter – gewendet (Bl. 72 der Rechtsbehelfsakte). Etwaige Verzögerungen danach habe der Antragsteller nicht zu verantworten.
Grund der Zahlungsunfähigkeit sei die endgültige Weigerung eines der Hauptschuldner der GmbH, Herrn F O., gewesen, seine Verbindlichkeiten von rd. 75.000 EUR zu zahlen (in einem Telefonat „Mitte Juni 2004”, vgl. Bl. 62 der Rechtsbehelfsakte). Bei Zahlung der Löhne Ende Mai 2004 sei der Antragsteller davon ausgegangen, dass der Schuldner bis zur Fälligkeit der Abführungspflicht seine offenen Schulden zahlen werde (Bl. 71 der Rechtsbehelfsakte).
Früher, also etwa bereits zu Beginn des Jahres 2004, habe entgegen der Meinung des Insolvenzverwalters noch keine Insolvenzantragspflicht aufgrund Überschuldung bestanden. Selbst bei einer solchen hätte die Lohnsteuer gezahlt werden können, wie die tatsächliche Abführung der Lohnabzüge bis einschließlich April zeige.
Der Antragsteller beantragt,
die Vollziehung des Haftungsbescheids vom 30. Mai 2006 in Gestalt der Einspruchsentscheidung (EE) vom 15. Oktober 2008 auszusetzen.
Das FA beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Es verweist im Wesentlichen auf die EE.
4. Das Gericht hat die in der Steuerakte enthaltenen Unterlagen berücksichtigt, insbesondere das Schreiben des Insolvenzverwalters an das Insolvenzgericht vom 8. November 2004 (Bl. 52 der Rechtsbehelfsakte).
Entscheidungsgründe
II.
1. Dem Antrag ist nicht stattzugeben.
Nach § 69 Abs. 2 und 3 Finanzgerichtsordnung (FGO) ist die Vollziehung eines angefochtenen Verwaltungsaktes auszusetzen, wenn ernstliche Zweifel an dessen Rechtmäßigkeit bestehen. Ernstliche Zweifel i. S. des § 69 Abs. 2 und 3 FGO bestehen, wenn bei überschlägiger Prüfung anhand des aktenkundigen Sachverhalts neben für d...