rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Beteiligung an einem Leistungsaustausch richtet sich gundsätzlich nach dem Zivirecht. Strohmann kein Leistungserbringer, wenn der Leistungsempfänger vom „Scheingeschäft” weiß oder von einem solchen ausgehen musste
Leitsatz (redaktionell)
1. Wer Beteiligter eines Leistungsaustausches i. S. d. § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG ist, richtet sich grundsätzlich nach den zwischen den Beteiligten bestehenden zivilrechtlichen Leistungsbeziehungen (vgl. z. B. BFH v. 27.1.2011, V R 7/09, BFH/NV 2011, 1030).
2. Da die Begriffe der „Lieferung” oder „sonstigen Leistung” an tatsächliche Vorgänge anknüpfen, kann die Person des leistenden Unternehmers im Einzelfall aber auch abweichend von den Ergebnissen des Zivilrechts zu bestimmen sein (vgl. z. B. BFH-Urteil v. 28.11.1990, V R 31/8, BStBl II 1991, 381).
3. Auch ein vorgeschobener, aber erkennbar im eigenen Namen nach außen auftretender „Strohmann” kann als den Umsatz ausführender Unternehmer anzusehen sein.
4. Das vorgeschobene „Strohmanngeschäft” ist allerdings unbeachtlich, wenn es zwischen dem Leistungsempfänger und dem Strohmann i. S. v. § 177 BGB nur zum Schein (d h. bei in Wirklichkeit gewolltem Eintritt der Rechtsfolgen gegenüber dem Hintermann) abgeschlossen wurde und der Leistungsempfänger weiß oder davon ausgehen musste, dass der Strohmann keine eigene (gegebenenfalls auch durch Einschaltung von Subunternehmern zu erfüllende) Verpflichtung aus dem Rechtsgeschäft übernehmen und insoweit auch keine eigenen Leistungen versteuern wollte
Normenkette
UStG § 1 Abs. 1 Nr. 1
Tenor
1. Die Vollziehung der Umsatzsteuerbescheide für die Jahre 2000 bis 2006 jeweils vom 16. Februar 2011 wird für die Dauer des Einspruchsverfahrens ausgesetzt.
2. Die Kosten des Verfahrens trägt der Antragsgegner.
Tatbestand
I.
Streitig ist, ob das Finanzamt (FA) der Antragstellerin die Umsätze im Zusammenhang mit dem Betrieb von Blockheizkraftwerken zurechnen darf.
Die Antragstellerin ist Eigentümerin der Grundstücke an der T-Straße 180 und 182 in N. Für die Streitjahre hatte sie keine steuerpflichtigen Umsätze erklärt.
Im Rahmen einer Betriebsprüfung traf das FA folgende Feststellungen:
Am 7. Dezember 1999 hatte die Antragstellerin von der Firma S GmbH mit Sitz an der T-Straße 180 ein Blockheizkraftwerk 180 KW zu einem Kaufpreis von 316.370,05 DM erworben.
Am 25. Januar 2000 hatte die S GmbH als Betreiber mit den Stadtwerken einen Einspeisevertrag im Zusammenhang mit dem Betrieb einer Stromerzeugungsanlage auf dem Grundstück an der T-Straße 180 und 182 geschlossen, der bereits am 12. Juli 1999 in Kraft getreten war. Die Vergütung erfolgte auf ein Bankkonto der Antragstellerin.
Mit Kaufvertrag vom 27. Januar 2003 hatte die Antragstellerin ein Biomassekraftwerk von der Arbeitskreisinnovative I zu einem Kaufpreis von 249.139 EUR erworben. Wegen Mängel wurde das BHKW 2 im Frühjahr 2003 gegen die Lieferung von Pflanzenöl an I zurückgegeben.
Mit Rechnung vom 7. Februar 2003 hatte die Firma S GbR von der Firma A GmbH für 80.852 EUR ein Blockheizkraftwerk erworben.
Am 17. Januar 2005 hatten die Stadtwerke und die Firma B GmbH, mit Sitz an der T-Straße 182, einen Einspeisevertrag im Zusammenhang mit dem Betrieb einer Stromerzeugungsanlage in der T-Straße 180 und 182 geschlossen. Die Zahlungen erfolgten ebenfalls auf das Bankkonto der Antragstellerin.
Das FA rechnete der Antragstellerin die von den Stadtwerken gezahlten Vergütungen als steuerpflichtige Umsätze zu. Bei der Rückgabe der von I erworbenen Anlage gegen die Lieferung von Pflanzenöl handle es sich um einen Tausch. Als Bemessungsgrundlage wurde der gemeine Wert der erhaltenen Lieferung, der Buchwert der Anlage zum Zeitpunkt des Tausches am 30. April 2003 angenommen und der Umsatzsteuer unterworfen. Da es sich bei I nicht um einen Unternehmer handle, wurde ein Vorsteuerabzug aus dem Kaufvertrag vom 27. Januar 2003 nicht zugelassen.
Mit Bescheid jeweils vom 16. Februar 2011 setzte das FA die Umsatzsteuer für 2000 auf 374,78 EUR, für 2001 auf 3.173,08 EUR, für 2002 auf 9.775,84 EUR, für 2003 auf 28.967,20 EUR, für 2004 auf 14.507,52 EUR, für 2005 auf 22.658,40 EUR und für 2006 auf 20.902,40 EUR fest.
Über den dagegen nach der Einlassung des FA unstreitig eingelegten Einspruch ist noch nicht entschieden.
Mit ihrem bei Gericht gestellten Antrag macht die Antragstellerin im Wesentlichen geltend, dass das FA die Umsatzsteuer ihr gegenüber zu Unrecht festgesetzt habe. Nicht sie, sondern die Firma S GbR sei Steuersubjekt der Betriebsprüfung. Diese Gemeinschaft sei durch den mündlich vereinbarten Zusammenschluss der Gesellschafter I, B GmbH und der S GmbH entstanden. Zweck dieser Gemeinschaft sei die Weiterentwicklung und Forschung an Blockheizkraftwerken. Es sei ausdrücklich vereinbart worden, keinen Gewinn zu erwirtschaften oder Ausschüttungen vorzunehmen. Die Verwertung der Forschungsergebnisse sollte später die Firma S GmbH übernehmen.
Die Antragstellerin habe aus Gefälligkeit gegenüber ihrem Ehemann, der über keine Bankverbindung verfüge...