Entscheidungsstichwort (Thema)
Grenzbeschlagnahmeantrag
Leitsatz (redaktionell)
Können Inhaber von international registrierten Marken ebenso wie Inhaber von Gemeinschaftsmarken bei einem Mitgliedstaat einen alle Mitgliedstaaten bindenden Grenzbeschlagnahmeantrag stellen?
Normenkette
EGVO Nr. 1383/2003 Art. 1-2, 5, Nr. 40/94 Art. 9, 45, 146; Madrider Protokoll Art. 3-4
Nachgehend
Tenor
1. Dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften wird gemäß Art. 234 Abs. 2 des Vertrages zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft folgende Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt:
Ist Art. 5 Abs. 4 der Verordnung (EG) Nr. 1383/2003 des Rates vom 22. Juli 2003 über das Vorgehen der Zollbehörden gegen Waren, die im Verdacht stehen, bestimmte Rechte geistigen Eigentums zu verletzen, und die Maßnahmen gegenüber Waren, die erkanntermaßen derartige Rechte verletzen, im Hinblick auf den Beitritt der Europäischen Gemeinschaft zum Madrider Protokoll dahingehend auszulegen, dass trotz der Verwendung des Begriffs „Gemeinschaftsmarke” auch internationale Registrierungen von Marken im Sinne der Art. 146 ff. der Verordnung (EG) Nr. 40/94 des Rates vom 20. Dezember 1993 über die Gemeinschaftsmarke, geändert durch die Verordnung (EG) Nr. 1992/2003 des Rates vom 27. Oktober 2003, erfasst werden?
2. Das Verfahren wird bis zur Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften über die Vorabentscheidungsfrage ausgesetzt.
Tatbestand
I.
Streitig ist, ob die Klägerin einen Anspruch auf Tätigwerden der Zollbehörden hat.
Die Beklagte (die Oberfinanzdirektion – OFD – Nürnberg, jetzt Bundesfinanzdirektion Südost – BFD) lehnte mit Bescheid vom 31. Mai 2007 einen Grenzbeschlagnahmeantrag der Klägerin vom 10. Mai 2007 für zwölf international registrierte Marken (IR-Marken) ab, obwohl sie am 9. August 2006 einem Grenzbeschlagnahmeantrag vom Juni 2006 für acht IR-Marken stattgegeben hatte.
Den hiergegen eingelegten Einspruch wies die OFD mit Einspruchsentscheidung vom 22. August 2007 als unbegründet zurück.
Mit ihrer Klage bringt die Klägerin im Wesentlichen Folgendes vor:
Nach dem Beitritt der Europäischen Gemeinschaft (EG) zum Madrider Protokoll am 1. Oktober 2004 und der infolgedessen erfolgten Änderung der VO (EG) Nr. 40/94 des Rates vom 20. Dezember 1993 über die Gemeinschaftsmarke (MarkenVO) hätten internationale Registrierungen dieselbe Wirkung wie die Anmeldung bzw. Eintragung einer Gemeinschaftsmarke. Die Klägerin sei deshalb hinsichtlich der auf ihren Namen eingetragenen IR-Marken dem Rechtsinhaber einer Gemeinschaftsmarke gleichgestellt. Eine Ungleichbehandlung von Gemeinschaftsmarken einerseits und über das Madrider System eingetragenen Marken andererseits käme daher einer Vertragsverletzung gleich.
Die BFD bringt vor, dass die Aufzählung in Art. 5 Abs. 4 VO (EG) Nr. 1383/2003 abschließend sei. Danach könne Gegenstand eines Antrags auf Tätigwerden der Zollbehörden nur eine Gemeinschaftsmarke sein. IR-Marken, in denen die EG benannt ist, würden vom klaren Wortlaut der Vorschrift nicht erfasst. Zwar habe zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der VO (EG) Nr. 1383/2003 noch keine Möglichkeit für Inhaber von IR-Marken bestanden, die Gemeinschaft in einer Internationalen Registrierung zu benennen, da dies erst mit dem Beitritt der EG zum Madrider Protokoll am 1. Oktober 2004 möglich geworden sei. Trotz des Beitritts zum Madrider Protokoll habe der Verordnungsgeber aber bislang keine Erweiterung des Art. 5 Abs. 4 VO (EG) Nr. 1383/2003 um Internationale Marken, in denen die Gemeinschaft benannt ist, vorgenommen. Mithin existiere derzeit keine Rechtsgrundlage, die ein Tätigwerden der Zollbehörden bei IR-Marken, in denen die Gemeinschaft benannt ist, ermögliche. Außerdem würden sich IR- und Gemeinschaftsmarken in ihrer Funktions- und Wirkungsweise grundlegend unterscheiden. Während Gemeinschaftsmarken mit ihrer Eintragung wirksam würden und sich der Rechtsinhaber sofort auf sie berufen könne, reiche für IR-Marken die bloße Registrierung bei der Weltorganisation für geistiges Eigentum (WIPO) noch nicht aus, um tatsächlich auch in diesem Umfang in der EG Wirkung zu entfalten. Vielmehr seien in diesem Fall noch absolute und ggf. relative Eintragungshindernisse zu prüfen, was dazu führen könne, dass der IR-Marke der Schutz in der EG ganz oder teilweise verweigert werde.
Entscheidungsgründe
II.
Im Streitfall sind gemeinschaftsrechtliche Vorschriften – Art. 5 Abs. 4 Verordnung (EG) Nr. 1383/2003 des Rates vom 22. Juli 2003 über das Vorgehen der Zollbehörden gegen Waren, die im Verdacht stehen, bestimmte Rechte geistigen Eigentums zu verletzen, und die Maßnahmen gegenüber Waren, die erkanntermaßen derartige Rechte verletzen –VO Nr. 1383/2003– (ABl. Nr. L 196 S. 7 vom 2. August 2003) – anzuwenden, bei deren Auslegung Zweifelsfragen bestehen.
1. Anzuwendendes Recht:
Lt. Art. 1 Abs. 1 der VO (EG) Nr. 1383/2003 sind in dieser VO die Voraussetzungen festgelegt, unter denen die Zollbehörden tätig werden können, wenn Waren ...