Entscheidungsstichwort (Thema)
Abgrenzung zwischen aufschiebender Bedingung und aufschiebender Zeitbestimmung
Leitsatz (redaktionell)
Erfolgt der schuldrechtliche Verkauf eines Grundstücks unter der aufschiebenden Bedingung, dass dieser erst dann wirksam wird, wenn die Ausübung des jeweils vereinbarten Rücktrittsrechts ausgeschlossen ist, so handelt es sich dabei bei summarischer Prüfung um eine aufschiebende Bedingung i.S. von § 14 Nr. 1 GrEStG.
Normenkette
GrEStG § 1 Abs. 1 Nr. 2, § 14 Nr. 1; BGB § 158 Abs. 1
Tenor
1. Die Vollziehung der Grunderwerbsteuerbescheide vom 2. Februar 2005 und vom 7. Februar 2005 wird – für die Dauer des Einspruchsverfahrens – ausgesetzt.
2. Die Kosten des Verfahrens trägt der Antragsgegner.
Tatbestand
I.
Streitig ist im Einspruchsverfahren, ob ein aufschiebend bedingter Erwerbsvorgang i.S. des § 14 Nr. 1 Grunderwerbsteuergesetz (GrEStG) vorliegt.
Wegen des Sachverhalts im Einzelnen wird auf die Akten und die von den Beteiligten eingereichten Schriftsätze Bezug genommen.
Die Antragstellerin beantragt
die Aussetzung der Vollziehung der Grunderwerbsteuerbescheide vom 2. Februar 2005 und vom 7. Februar 2005 in Höhe von 691 EUR und in Höhe von 143.472 EUR wegen ernstlicher Zweifel an deren Rechtmäßigkeit.
Der Antragsgegner (Finanzamt = FA) beantragt
die Ablehnung des Antrags.
Entscheidungsgründe
II.
Der Antrag ist begründet.
An der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Verwaltungsakte bestehen ernstliche Zweifel i.S. von § 69 Abs. 3 Satz 1 Halbsatz 2 i.V.m. Abs. 2 Satz 2 Finanzgerichtsordnung (FGO), soweit das FA davon ausgeht, dass die Verpflichtungsgeschäfte unter keiner aufschiebenden Bedingung stehen und daher die Grunderwerbsteuer mit Abschluss der Grundstückskaufverträge vom 21. Oktober 2004 und vom 26. November 2004 entstanden ist.
1. Ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit eines angefochtenen Verwaltungsaktes bestehen, wenn bei überschlägiger Prüfung anhand des aktenkundigen Sachverhalts neben für die Rechtmäßigkeit sprechenden Umständen gewichtige, dagegen sprechende Gründe zu Tage treten, die Unentschiedenheit oder Unsicherheit in der Beurteilung der Rechtsfragen oder Unklarheit in der Beurteilung der Tatfragen bewirken. Der Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ist bereits dann begründet, wenn ein nicht nur geringer Grad von Wahrscheinlichkeit dafür spricht, dass der gegen den Verwaltungsakt eingelegte Rechtsbehelf Erfolg haben wird (vgl. beispielsweise Bundesfinanzhof-BFH-Beschlüsse vom 15. Januar 1998 IX B 25/97 in BFH/NV 1998, 994 und vom 25. August 1998 II B 25/98 in BStBl II 1998, 674).
2. Diese Voraussetzungen sind im Streitfall erfüllt.
Bei aufschiebend bedingten und genehmigungsbedürftigen Erwerbsvorgängen entsteht die Grunderwerbsteuerschuld gemäß § 14 GrEStG erst mit dem Eintritt der Bedingung bzw. mit der Genehmigung, wenn die Wirksamkeit eines Erwerbsvorgangs von dem Eintritt einer Bedingung abhängig ist oder ein Erwerbsvorgang der Genehmigung bedarf. Die Bedingung i.S. des § 14 Nr. 1 GrEStG ist die aufschiebende Bedingung i.S. des § 158 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB).
Die Parteien können frei vereinbaren, von welchem zukünftigen Ungewissen Ereignis die Wirksamkeit ihres Rechtsgeschäfts abhängen soll. Wird die Wirksamkeit des gesamten Erwerbsvorgangs (also insbesondere das schuldrechtliche Verpflichtungsgeschäft) selbst vom Eintritt einer aufschiebenden Bedingung abhängig gemacht, so entsteht die Grunderwerbsteuer nach § 14 Nr. 1 GrEStG erst mit Eintritt der Bedingung. Demgegenüber beeinträchtigt die auflösende Bedingung nicht die Wirkung des Erwerbsvorgangs; diese Wirkung endet nur mit dem Eintritt der Bedingung (§ 158 Abs. 2 BGB). Für Fälle, in denen ein Erwerbsvorgang eine auflösende Bedingung oder auch ein Rücktrittsrecht vorsieht, ist gesetzlich ein abweichender Zeitpunkt des Entstehens der Grunderwerbsteuerschuld nicht vorgesehen. Die Steuerschuld entsteht also mit Verwirklichung des Tatbestands.
Bei aufschiebend bedingten Rechtsgeschäften ist der Eintritt des Erwerbs im Ganzen – nach „ob überhaupt” und nach „wann” – ungewiss. Bei aufschiebend befristeten – unter einer aufschiebenden Zeitbestimmung abgeschlossenen – Rechtsgeschäften ist der Eintritt des Erwerbs aber gewiss. Im grunderwerbsteuerrechtlichen Sinne steht der bedingte Erwerb noch aus; der befristete Erwerb ist (als solcher) bereits erfolgt. Demgemäß ist mangels Eingreifens des § 14 Nr. 1 GrEStG bei letzteren die Entstehung der Steuerschuld nicht hinausgeschoben.
Allerdings sind die Grenzen zwischen aufschiebender Bedingung und aufschiebender Zeitbestimmung flüssig. Auch ob die Wirksamkeit eines Geschäfts von einer aufschiebenden Zeitbestimmung abhängig gemacht oder lediglich die Fälligkeit einer Leistung aus dem sofort wirksamen Geschäft hinausgeschoben worden ist, hängt von den Umständen des einzelnen Falles ab und ist Sache der Vertragsauslegung (vgl. hierzu auch Boruttau, Grunderwerbsteuer, Kommentar, 14. Aufl., § 14 Rz. 45 ff).
Bei Anwendung dieser Grundsätze und nach dem vorliegenden Akteninhalt erscheint...