Entscheidungsstichwort (Thema)
Einstweilige Anordnung gegen Pfändungsmaßnahmen; Einstellung der Vollstreckung wegen Ausübung eines angeblich bestehenden Zurückbehaltungsrechts des Vollstreckungsschuldners
Leitsatz (redaktionell)
1. Ein Antrag auf einstweilige Verfügung gegen eine Pfändung des Finanzamts ist zulässig, wenn mit dem Antrag nicht nur die Aussetzung der Vollziehung einzelner Pfändungsmaßnahmen begehrt wird, sondern die Einstellung der Vollstreckung nach §§ 257, 258 AO.
2. Gegen öffentlich-rechtliche Zahlungsansprüche kann kein Zurückbehaltungsrecht ausgeübt werden.
Normenkette
FGO § 114; ZPO § 920 Abs. 2; AO §§ 257-258; BGB § 278
Gründe
I.
Das Finanzgericht M. ersuchte den Antragsgegner (das Finanzamt – FA –), fällige Gerichtskosten in Höhe von 3.511 DM bei der Antragstellerin (AStin) zu vollstrecken (Vollstreckungsersuchen vom 28.08.2000). Auf eine entsprechende Zahlungsaufforderung hin teilte die AStin mit Schreiben vom 04.09.2000 dem FA mit, dass sie gegen alle Forderungen, die das FA gegen die Familie der AStin stelle, vom Zurückbehaltungsrecht gemäß § 273 BGB Gebrauch mache. Der vom FA gegenüber der Familie der AStin angerichtete Schaden übersteige bei weitem dessen Forderung. Der Ehemann der AStin sei durch eine eidliche Falschaussage zweier Mitarbeiter des FA ins Gefängnis gebracht worden.
Am 02.10.2000 erließ das FA gegenüber dem Arbeitgeber der AStin eine Pfändungs- und Überweisungsverfügung und pfändete wegen der Abgabenschulden der AStin gegenüber dem Freistaat Bayern in Höhe von 3.572 DM (3.511 DM zuzüglich Pfändungsgebühren und Auslagen von 61 DM) die gegenwärtigen und zukünftigen Ansprüche der AStin auf Zahlung von Arbeitseinkommen. Der Arbeitgeber der AStin gab am 11.10.2000 eine Drittschuldnererklärung ab, in der die gepfändete Forderung als begründet anerkannt wurde und teilte mit, dass monatlich ab Oktober 92,80 DM abgeführt würden. Das Arbeitsverhältnis sei bis 31.12.2000 befristet. Am 31.10.2000 erfolgte eine erste Zahlung in Höhe von 92,80 DM. Die AStin erhielt eine Abschrift der Pfändungs- und Einziehungsverfügung und die Aufforderung, sich jeder Verfügung über den gepfändeten Teil der Ansprüche zu enthalten.
Die AStin beantragt
im Wege der einstweiligen Verfügung einen Pfändungs- und Überweisungsbeschluss des FA aufzuheben. Dieser Beschluss sei rechtswidrig und aufzuheben, weil sie von ihrem Zurückbehaltungsrecht gem. § 273 BGB Gebrauch mache. Das FA habe einen Vertragsbruch begangen, was zu einem Schaden in Millionenhöhe geführt habe. Eine Klage sei bereits beim VG anhängig. Sie habe, da sich die Forderung auf eine Kostenstellung des Finanzgerichts M. beziehe, die einstweilige Anordnung an das Finanzgericht gerichtet und leider nicht an das FA. In der Anlage – so ihr Schreiben vom 20.12.2000 – befinde sich ihr gesonderter Einspruch gegen die Pfändungs- und Einziehungsverfügung vom 02.10.2000. Wegen der der übermittelten Verfügung nicht beigefügten Rechtsmittelbelehrung und auch aufgrund ihrer gesundheitlichen Probleme und der Abwesenheit ihres Mannes seien ihr die Zusammenhänge nicht geläufig gewesen. Im Übrigen stelle die Vollstreckung zum jetzigen Zeitpunkt eine unbillige Härte dar, die mit dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz nicht zu vereinbaren sei. Wegen der Einzelheiten wird auf den Schriftsatz der AStin vom 20.12.2000 verwiesen. Dem Schriftsatz waren keine Anlagen beigefügt.
Das FA beantragt sinngemäß
den Antrag als unzulässig, hilfsweise als unbegründet zurückzuweisen. Zur Begründung führt es aus: Gemäß § 114 Abs. 5 Finanzgerichtsordung – FGO – gälten die Vorschrift über die einstweilige Anordnung nicht in den Fällen, in denen eine Aussetzung der Vollziehung nach § 69 FGO möglich sei. Dies sei hier der Fall, da es sich bei der Pfändungs- und Einziehungsverfügung um einen vollstreckbaren, belastenden Verwaltungsakt handele. Das Verfahren auf Aussetzung der Vollziehung schließe den Antrag auf Einstellung der Zwangsvollstreckung im Wege der einstweiligen Anordnung nur dann nicht aus, wenn sich der Antragsteller gegen die Vollstreckung als solche mit der Begründung, diese sei unbillig im Sinne von § 258 Abgabenordnung – AO – wende. Gründe, warum die Vollstreckung unbillig im Sinne von § 258 AO sei, seien jedoch nicht ersichtlich. Auch ergebe sich aus dem Antrag, dass die AStin überhaupt nicht gewillt sei, Zahlungen zu leisten, so dass für einen Vollstreckungsaufschub nach § 258 AO kein Raum sei. Eine Umdeutung des Schreibens der AStin in einen Antrag nach § 69 Abs. 3 FGO sei nicht möglich, da die AStin gegen den Pfändungs- und Überweisungsbeschluss keinen Einspruch eingelegt habe.
II.
Der Antrag ist nicht begründet.
1. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung (e.A.) wäre unzulässig, wenn mit ihm nur eine vorläufige Maßnahme wegen der bereits durchgeführten Forderungspfändung des FA begehrt würde. In diesem Fall wäre der zutreffende vorläufige Rechtsschutz die Aussetzung der Vollziehung der Pfändungsverfügung nach § 69 Abs. 2 und 3 FGO (Bundesfinanzhof – BFH – Beschluss vom 1...