Entscheidungsstichwort (Thema)
Umsatzsteuerrechtliche Konsequenzen aus einem Scheinrechnungskreislauf
Leitsatz (redaktionell)
- Das Recht auf Vorsteuerabzug setzt die Ausführung eines Umsatzes an den Unternehmer voraus.
- Die in Rechnung gestellte Umsatzsteuer für einen nicht stattgefundenen Umsatz schuldet der Unternehmer nach § 14 Abs. 3 UStG.
Normenkette
UStG 1993 § 14 Abs. 3; UStG 1999 § 14 Abs. 3; AO 1977 § 163; FGO § 69 Abs. 3
Tatbestand
Streitig sind bei den Umsatzsteuerfestsetzungen 1998 und 1999 die umsatzsteuerrechtlichen Konsequenzen aus einem Scheinrechnungskreislauf. Nach den Ermittlungen der Steuerfahndungsstelle beim Finanzamt ... initiierte der Geschäftsführer der Antragstellerin (AStin) einen Scheinrechnungskreislauf, in dessen Rahmen Unternehmer über tatsächlich nicht erbrachte Leistungen mit der AStin abrechneten (Scheinrechnungen) und andererseits die AStin diesen Firmen Rechnungen mit Mehrwertsteuerausweis erteilte, ohne daß diesen Rechnungen eine Lieferung oder sonstige Leistung zugrunde lag. Durch diese so erhöhten Umsatzzahlen sollte beim geplanten Börsengang der AStin ein höherer Emissionspreis erzielt werden.
Betreffend der an dem Rechnungskreislauf beteiligten Firmen und der Feststellungen zu den Scheinrechnungen im einzelnen wird auf die Ausführungen im Fahndungsbericht vom 6. Juni 2000 Bezug genommen.
Noch während des laufenden Steuerermittlungsverfahrens gab die AStin Umsatzsteuer-Jahreserklärungen für 1998 und 1999 ab, in denen sie die Umsätze und Vorsteuern entsprechend dem Ermittlungsergebnis erklärte. Entsprechend diesen Erklärungen wurde mit Bescheid vom 4. Mai 2000 die Umsatzsteuer für 1998 auf ... DM und für 1999 mit Anmeldung vom 14. April 2000 auf ... DM festgesetzt.
Die AStin legte dagegen mit Schreiben vom 4. Mai 2000 umgehend Einspruch ein. Zugleich beantragte sie die Aussetzung der Vollziehung. Zur Begründung des Einspruchs trägt die AStin im wesentlichen vor, daß kein Schaden am Steueraufkommen durch die Rechnungserteilungen eingetreten sei, weil zwar deren Empfänger den Vorsteuerabzug geltend machten, der Rechnungsaussteller jedoch jeweils die ausgewiesene Steuer erklärt und abgeführt habe. Unter Hinweis auf einschlägige BFH-Entscheidungen und dessen Vorabentscheidungsersuchen an den Europäischen Gerichtshof (EuGH) ist sie der Auffassung, daß bereits im Festsetzungsverfahren eine Berichtigung der Rechnungen zu erfolgen habe und dadurch die infolge der Nichtanerkennung des Vorsteuerabzugs bei nach § 14 Abs. 3 Umsatzsteuergesetz (UStG) geschuldeter Umsatzsteuer entstandenen Mehrsteuern korrigiert werden müßten, weil kein Schaden am Steueraufkommen eingetreten und eine Gefährdungslage für die Umsatzsteuer nicht vorgelegen habe.
Mit Verfügung vom 5. Juni 2000 lehnte das Finanzamt (FA) die Aussetzung der Vollziehung der Umsatzsteuerbescheide 1998 und 1999 ab.
Mit Antragsschriftsatz vom 20. September 2000 stellt die AStin Antrag auf Aussetzung der Vollziehung an das Gericht gemäß § 69 Abs. 3 FGO. Ergänzend zu ihrem bisherigen Vorbringen trägt sie vor, daß nach den dem Mehrwertsteuerrecht zugrundeliegenden Regelungen der Sechsten Richtlinie zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern - Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage - 6. MwSt-Richtlinie - bei Ausstellung von Scheinrechnungen, wenn das Gleichgewicht von Steuer des Rechnungsausstellers und Vorsteuer des Rechnungsempfängers gewährleistet ist, der Grundsatz der Neutralität der Mehrwertsteuer es gebiete, von einer gemäß § 14 Abs. 3 UStG festgesetzten Steuer abzusehen. Zur Begründung ihrer Rechtsauffassung bezieht sich die AStin auf die Schlußanträge des Generalanwalts in der Rechtssache ... gegen Finanzamt ... sowie ... gegen Finanzamt ... und das in dieser verbundenen Rechtssache ergangene Urteil des EuGH vom 19. September 2000, IStR 2000, 595; UVR 2000, 424.
Die AStin beantragt,
- die geänderten Umsatzsteuerfestsetzungen für 1998 und 1999 wegen ernstlicher Zweifel an deren Rechtmäßigkeit von der Vollziehung auszusetzen und
- die Vollziehung insoweit aufzuheben, als durch Umbuchung der Guthaben aus den Umsatzsteuervoranmeldungen Oktober 1999 bis Juli 2000 diese Steueranmeldungen 1998 und 1999 vollzogen wurden
- hilfsweise die Gewährung der Aussetzung der Vollziehung gegen Sicherheitsleistung von 1 bis 2 Mio. DM sowie die Beschwerde zuzulassen.
Das FA beantragt die Ablehnung des Antrags, hilfsweise die Aussetzung bzw. Aufhebung der Vollziehung gegen Sicherheitsleistung zu gewähren.
Zur Begründung wird auf die Schriftsätze des FA Bezug genommen.
Wegen des Sachverhalts und des Beteiligtenvorbringens im einzelnen wird auf die dem Gericht vorgelegten Steuerakten und den Inhalt der FG-Akte 3 V 4418/00 Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Der Antrag ist nicht begründet.
Ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Verwaltungsakte im Sinne des § 69 Abs. 3 Satz 1 Halbsatz 2 i. V. m. Abs. 2 Satz 2 FGO bestehen nach Aktenlage nicht.
1. Ernstliche Zweif...