rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Grenzen der Bindungswirkung einer tatsächlichen Verständigung. Zuschätzung von Betriebseinnahmen aus anderen Veranlagungszeiträumen. Kein Wahlrecht für die Einleitung eines Steuerstrafverfahrens
Leitsatz (redaktionell)
1. Ein in der Schlussbesprechung einer Betriebsprüfung fachkundig vertretener Steuerpflichtiger kann gegen eine tatsächliche Verständigung über streitige Besteuerungsgrundlagen nicht einwenden, er sei sich der steuerlichen Konsequenzen, insbesondere der Höhe der Steuernachzahlungen, die sich aus den der tatsächlichen Verständigung zugrunde gelegten Zuschätzungsbeträgen ergeben haben, nicht bewusst gewesen.
2. Umfasst die in der Schlussbesprechung der Ergebnisse einer Betriebsprüfung getroffene tatsächliche Verständigung eine Regelung, wonach die im Veranlagungszeitraum zuzuschätzenden Betriebseinnahmen teilweise in – von der Betriebsprüfung nicht umfassten – anderen Veranlagungszeiträumen erzielt wurden, bindet die dem Grundsatz der Abschnittsbesteuerung entgegenstehende Regelung die Beteiligten insoweit nicht.
3. Ernstliche Zweifel an der Bindungswirkung der zwischen dem Sachgebietsleiter der Veranlagungsstelle und dem Steuerpflichtigen getroffenen tatsächlichen Verständigung über Besteuerungsgrundlagen besteht, insoweit – unwidersprochen – vorgetragen wird, dass der Abschluss der tatsächlichen Verständigung durch unzulässige Druckmittel, insbesondere durch Androhung von Ermittlungen durch die Steuerfahndungsstelle und der Einleitung eines Strafverfahrens wegen Steuerhinterziehung veranlasst worden ist.
4. Liegen konkrete tatsächliche Umstände vor, die es möglich erscheinen lassen, dass eine Steuerhinterziehung begangen wurde, ist das Strafverfahren von der zuständigen Finanzbehörde zwingend einzuleiten. Keinesfalls besteht diesbezüglich ein Handlungsspielraum zur Gestaltung des Regelungsinhalts einer tatsächlichen Verständigung.
Normenkette
AO §§ 88, 208 Abs. 1 S. 1, §§ 162, 397, 399 Abs. 1, § 201; StPO § 152 Abs. 2; FGO § 69 Abs. 2 S. 2, Abs. 3 S. 1
Tenor
1.) Der Einkommensteuerbescheid für 2003 vom 24.07.2008 in der Fassung der Einspruchsentscheidung vom 10.12.2008 wird für die Dauer des Klageverfahrens in der Hauptsache (15 K 181/09) zugunsten der Antragstellerin zu 2) in Höhe von 4.162 EUR von der Vollziehung ausgesetzt.
2.) Der Einkommensteuerbescheid für 2004 vom 24.07.2008 in der Fassung der Einspruchsentscheidung vom 10.12.2008 wird für die Dauer des Klageverfahrens in der Hauptsache (15 K 181/09) zugunsten der Antragstellerin zu 2) in Höhe von 5.765 EUR von der Vollziehung ausgesetzt.
3.) Der Einkommensteuerbescheid für 2005 vom 13.08.2008 in der Fassung der Teileinspruchsentscheidung vom 10.12.2008 wird für die Dauer des Klageverfahrens in der Hauptsache (15 K 181/09) zugunsten der Antragstellerin zu 2) in Höhe von 1.396 EUR von der Vollziehung ausgesetzt.
4.) Der Gewerbesteuermessbescheid für 2003 vom 24.07.2008 in der Fassung der Einspruchsentscheidung vom 10.12.2008 wird für die Dauer des Klageverfahrens in der Hauptsache (15 K 181/09) in Höhe eines Gewerbesteuermessbetrags von 378 EUR von der Vollziehung ausgesetzt.
5.) Der Gewerbesteuermessbescheid für 2004 vom 24.07.2008 in der Fassung der Einspruchsentscheidung vom 10.12.2008 wird für die Dauer des Klageverfahrens in der Hauptsache (15 K 181/09) in Höhe eines Gewerbesteuermessbetrags von 405 EUR von der Vollziehung ausgesetzt.
6.) Der Gewerbesteuermessbescheid für 2005 vom 13.08.2008 in der Fassung der Einspruchsentscheidung vom 10.12.2008 wird für die Dauer des Klageverfahrens in der Hauptsache (15 K 181/09) in Höhe eines Gewerbesteuermessbetrags von 80 EUR von der Vollziehung ausgesetzt.
7.) Der Umsatzsteuerbescheid für 2003 vom 24.07.2008 wird für die Dauer des Klageverfahrens in der Hauptsache (15 K 181/09) in Höhe von 1.978,59 EUR von der Vollziehung ausgesetzt.
8.) Der Umsatzsteuerbescheid für 2004 vom 24.07.2008 wird für die Dauer des Klageverfahrens in der Hauptsache (15 K 181/09) in Höhe von 2.816,62 EUR von der Vollziehung ausgesetzt.
9.) Der Umsatzsteuerbescheid für 2005 vom 13.08.2008 wird für die Dauer des Klageverfahrens in der Hauptsache (15 K 181/09) in Höhe von 1.873,95 EUR von der Vollziehung ausgesetzt.
10.) Die Einspruchsentscheidung vom 10.12.2008 betreffend die gemeinsame Einkommensteuer für 2003 und 2004 sowie die Teileinspruchsentscheidung vom 10.12.2008 betreffend die gemeinsame Einkommensteuer 2005 werden für die Dauer des Klageverfahrens in der Hauptsache (15 K 181/09) auch insoweit von der Vollziehung ausgesetzt, als sie sich an den Antragsteller zu 1) richten.
11.) Für den Zeitraum ab Fälligkeit der nach Nr. 1.) bis 10.) von der Vollziehung ausgesetzten Steuerbeträge und Messbeträge wird die Vollziehung aufgehoben.
12.) Im Übrigen wird der Antrag abgelehnt.
13.) Die Kosten des Verfahrens trägt der Antragsgegner.
Tatbestand
I.
Streitig ist im Hauptsacheverfahren, ob die Antragsteller an eine im Rahmen einer Außenprüfung zwischen der Antragstellerin zu 2) und dem Antragsgeg...