Entscheidungsstichwort (Thema)

Erweiterung der Prüfungsanordnung. Ermessensentscheidung

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Es ist nicht ermessensfehlerhaft, wenn in die Prognose des Antragsgegners über nicht unerhebliche Änderungen der Besteuerungsgrundlagen ungeklärte Differenzen eingeflossen sind und der Antragsgegner von zusätzlichen bisher unversteuerten Bareinnahmen ausgegangen ist.

2. Es ist nicht grundsätzlich ausgeschlossen, eine Prüfung für solche Steuern anzuordnen, für die Festsetzungsverjährung eingetreten ist, weil sich die Frage der Verjährung vielfach erst nach der Klärung des Sachverhalts durch die Außenprüfung zuverlässig beantworten lässt.

 

Normenkette

AO § 194 Abs. 1 S. 2, § 196; BpO § 4 Abs. 3 S. 2; FGO §§ 102, 69 Abs. 3 S. 1, Abs. 2 S. 2

 

Tenor

1. Der Antrag wird abgelehnt.

2. Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.

 

Tatbestand

I.

Streitig ist im Hauptsacheverfahren (2 K 2627/16) die Erweiterung der Prüfungsanordnung für die Jahre 2008 und 2009.

Der Antragsteller ist von Beruf Maurer. Seit 2000 betrieb er zunächst nebenberuflich und ab 2007 hauptberuflich einen Handel mit gebrauchten Fahrzeugen und Landmaschinen im Rahmen eines nicht im Handelsregister eingetragenen Einzelunternehmens. Reparaturen nahm er an den Fahrzeugen nicht vor. Der Antragsteller wickelte seine Geschäfte nahezu ausschließlich über Bareinnahmen und Barausgaben ab. Dabei kaufte er in der Regel die gebrauchten Fahrzeuge erst an und bot sie dann zum Kauf an. Er veräußerte auch beschädigte oder fahruntüchtige Kfz im unteren Preisbereich.

Der Antragsteller ermittelte seinen Gewinn nach § 4 Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG). Der Prozessbevollmächtigte des Antragstellers erstellte quartalsweise Aufzeichnungen mit Excel über die Einnahmen und Ausgaben des Gebrauchtwagenhandels auf der Grundlage von gesammelten Belegen des Antragstellers (vgl. FG-Akte, Bl. 5). Dabei wurden zum Teil Eingangsrechnungen zu den Ausgangsrechnungen geheftet und beide zusammen abgelegt.

Der Gewerbebetrieb des Antragstellers befand sich seit 2011 in einer Halle auf dem von ihm mit Bankkredit finanzierten und für 85.000 EUR erworbenen Grundstück in T. Das Finanzamt X stellte seither die Einkünfte des Antragstellers aus Gewerbebetrieb gesondert fest.

Mit Prüfungsanordnung vom 29. Juli 2014 ordnete der dafür zuständige der Antragsgegner eine steuerliche Außenprüfung nach § 193 Abs. 1 der Abgabenordnung (AO) beim Antragsteller an, die sich auf die gesonderte Feststellung der Einkünfte aus Gewerbebetrieb (§ 180 Abs. 1 Nr. 2b AO), die Umsatzsteuer sowie die Gewerbesteuer (einschließl. ges. Feststellung des vortragsfähigen Gewerbeverlustes 31. Dezember) –jeweils für die Jahre 2010 bis 2012– erstreckte. Die Prüfung erfolgte aufgrund einer anonymen Anzeige, der Ausdrucke über vom Antragsteller geschaltete Inserate bei mobile.de beilagen.

Die Prüferin meldete den Antragsteller der Bußgeld- und Strafsachenstelle des Finanzamts Y (vgl. Zusammenstellung der Gründe, BP-Akte, Bd. 2/4, Bl. 396 ff.).

Mit Verfügung vom 5. März 2015 leitete die Bußgeld- und Strafsachenstelle des Finanzamts Y ein Strafverfahren gegen den Antragsteller ein (vgl. BP-Akte, Bd. 2/4, Bl. 403).

Am 24. März 2015 übersandte die Prüferin dem Antragsteller eine Zusammenstellung der Gründe für die Meldung an die Bußgeld- und Strafsachenstelle (mangelhafte Kassenaufzeichnungen, hohe Fehlbeträge nach Geldverkehrsrechnung, fehlende Fahrzeuge nach Abgleich mit den bei mobile.de geschalteten Inseraten, vgl. BP-Akte, Bd. 2/4, Bl. 404 ff).

Darauf erwiderte der Antragsteller u.a., dass er einen bescheidenen Lebensstil pflege und im Kreise seiner Landwirtsfamilie wohne. Er verfüge –seit er eigene Einkünfte erziele– über hohe Bargeldbestände. Seine Familie und er hätten eine ausgeprägte Bargeldpräferenz. Der Antragsteller legte eine alternative Geldverkehrsrechnung mit einen anfänglichen Bargeldbestand von 45.000 EUR vor. Das Bankenwesen sei ihm suspekt. Er wickle daher nur die Geschäfte über sein Bankkonto ab, bei denen es unvermeidlich sei. Eine körperliche Kasse führe er nicht. Zu den festgestellten fehlenden Barmitteln laut Geldverkehrsrechnung der Prüferin legte er handschriftliche Bestätigungen seiner Mutter bzw. Eltern über eine Schenkung von Bargeld von 30.000 EUR Anfang 2010 und seines Bruders über ihm Mitte 2010 überlassenes Bargeld in Höhe von 40.000 EUR vor (vgl. BP-Akte, Bd. 2/4, Bl. 425 und 426, sowie weitere handschriftliche Bestätigungen, vgl. Bl. 441, 442, Kontoauszüge und Schriftverkehr mit der Bausparkasse …, vgl. Bl. 445 ff., Schreiben der Unfallversicherung seines Bruders vom 25. Januar 2008 sowie zwei Kontoauszüge des Jahres 2008, Bl. 457).

Mit Bescheid vom 10. November 2015 erweiterte der Antragsgegner die Prüfungsanordnung vom 29. Juli 2014 auf die Jahre 2008 und 2009; die Steuerklärungen für diese Jahre seien im Jahr 2010 bei der Finanzbehörde eingereicht worden. Die Erweiterung des Prüfungszeitraums begründete der Antragsgegner damit, dass ein Steuerstrafverfahren gegen den Antragsteller ...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Haufe Finance Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge