rechtskrätig

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Erfordernis einer einheitlichen, in sich schlüssigen Schätzungsmethode

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Zusätzlich zu der Schätzung nach der sogenannten Kalkulation nach Anteilen hat das FA auch „pauschale Schätzungen” vorgenommen. Auf welcher Grundlage die pauschalen Schätzungen erfolgt sind und wie die Höhe der zugeschätzten Beträge ermittelt worden ist, wurde vom FA nicht ausgeführt.

2. Das Finanzamt hat keine ausreichenden Belege vorgelegt, um die vorgenommene Schätzung der Höhe nach durch die Offenlegung einer nachvollziehbaren Kalkulation zu substantiieren. Bei summarischer Prüfung kann das FG daher nicht nachprüfen, ob die gewonnenen Schätzergebnisse in sich schlüssig, wirtschaftlich möglich und vernünftig sind.

 

Normenkette

AO § 162 Abs. 1

 

Tenor

1. Die Bescheide vom 6. November 2017 zur Körperschaftsteuer 2011 bis 2015 werden in Höhe von 54.529 EUR (2011), 32.185 EUR (2012), 43.207 EUR (2013), 45.000 EUR (2014) und 45.000 EUR (2015) und zum Gewerbesteuermessbetrag 2011 bis 2015 in Höhe von 12.722 EUR (2011), 7.507 EUR (2012), 10.080 EUR (2013), 10.500 EUR (2014) und 10.500 EUR (2015) für die Dauer der Rechtshängigkeit des Hauptsacheverfahrens von der Vollziehung ausgesetzt. Die Aussetzung der Vollziehung entfällt rückwirkend, sofern nicht innerhalb von 3 Monaten nach Zustellung dieses Beschlusses eine Sicherheit im Höhe von 271.230 EUR geleistet wird.

2. Die Kosten des Verfahrens trägt der Antragsgegner.

 

Tatbestand

I.

Streitig ist die Rechtmäßigkeit der Steuerfestsetzung nach Durchführung einer Steuerfahndungsprüfung. Die Antragstellerin wurde am 1. Dezember 2010 gegründet. Gegenstand des Unternehmens der Antragstellerin ist der Betrieb gastronomischer Betriebe auf verschiedenen Volksfesten.

Aufgrund von Ermittlungen der Steuerfahndung erließ das Finanzamt am 20. September 2017 eine Arrestanordnung betreffend Körperschaftsteuer 2011, 2012 und 2013. Die Steuerfahndung war zu dem Ergebnis gekommen, dass die Buchführung der Antragstellerin der Besteuerung nicht zugrunde gelegt werden könne. Für die täglich erzielten Umsatzerlöse bei großen Veranstaltungen seien in manchen Fällen handschriftliche Zahlenkolonnen mit teils fünfstelligen Beträgen erstellt und der Buchführung als Beleg – anstelle der Z-Bons der elektronischen Registrierkasse – zugrunde gelegt worden. Für einige Veranstaltungen seien für die geprüften Veranlagungszeiträume überhaupt keine Erlöse gebucht worden. Die Belege seien sehr ungeordnet, insbesondere in einem Wäschekorb bzw. Müllbeutel, und in loser Form aufbewahrt worden. Als Buchungsbelege hätten in vielen Fällen Mahnungen oder Zahlungserinnerungen, nicht jedoch die eigentlichen Rechnungen gedient. Getränke- und Speisekarten seien nur für größere Veranstaltungen aufbewahrt worden. Wareneinkäufe im Zusammenhang mit größeren Veranstaltungen seien mit hohen Pauschalbeträgen eingebucht worden. Anhand von vorliegenden Z-Bons sei ersichtlich, dass wegen inhaltlicher Unstimmigkeiten Manipulationen vorgenommen worden seien. In einer Vielzahl von Fällen seien in bar vereinnahmte Erlöse ohne Beleg (Z-Bon) gebucht worden. Für das Volksfest XXX im April/Mai 2013 lagen nur X-Bons, d.h. Zwischenberichte, vor. Die darin ausgewiesenen Umsätze seien wesentlich höher als die gebuchten Umsätze.

Das Finanzamt nahm daraufhin eine Schätzung der Umsatzerlöse vor, insbesondere eine Nachkalkulation auf Grundlage des bekannten Getränkeeinkaufs. Anhand von beschlagnahmten EDV-Daten des Kassensystemaufstellers ermittelte das Finanzamt ein ungefähres Verhältnis von 30 % Speiseumsätzen zu 70 % Getränkeumsätzen bei den meisten Veranstaltungen, die einem Festzeltbetrieb vergleichbar waren.

Entsprechend der Feststellungen der Außenprüfung erließ das Finanzamt am 6. November 2017 zur Körperschaftsteuer und zum Gewerbesteuermessbetrag für das Jahre 2011 einen Änderungsbescheid bzw. erstmalig Bescheide für die Jahre 2012 bis 2015.

Im dagegen gerichteten Einspruchsverfahren reichte die Antragstellerin am 9. Januar 2018 für die Jahre 2013 und 2014 Steuererklärungen und Bilanzen ein. Auf die Anforderung des Finanzamts, weitere Unterlagen vorzulegen, erfolgte keine Reaktion. Über die Einsprüche hat das Finanzamt noch nicht entschieden. Ein Antrag auf Aussetzung der Vollziehung wurde beim Finanzamt nicht gestellt.

Mit ihrem bei Gericht gestellten Antrag wendet sich die Antragstellerin gegen die Steuerfestsetzung der Jahre 2011 bis 2015. Die Schätzung der Steuerfahndung sei unzutreffend. Obwohl für die Jahre 2011 bis 2014 Steuererklärungen abgegeben worden seien, hätte das Finanzamt die Einsprüche noch nicht bearbeitet. Im Übrigen habe die Steuerfahndung die Unterlagen für das Jahr 2015 bis 30. April 2015 einbehalten, so dass für das Jahr 2015 noch keine Bilanz und Steuererklärungen erstellt werden konnten.

Die Antragstellerin beantragt sinngemäß,

die Vollziehung der Bescheide jeweils vom 6. November 2017 zur Körperschaftsteuer 2011 bis 2015 in Höhe von 54.529 EUR (2011), 32.185 EUR (2012), 43.207 EUR ...

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