Entscheidungsstichwort (Thema)
Gegenvorstellung nach Ablehnung der Protokollberichtigung
Leitsatz (redaktionell)
1. Eine Gegenvorstellung ist nur gegen abänderbare gerichtliche Entscheidungen statthaft.
2. Eine Gegenvorstellung ist nur zulässig, wenn substantiiert dargelegt wird, dass die angegriffene Entscheidung auf schwerwiegenden Grundrechtsverstößen beruht oder unter keinem denkbaren Gesichtspunkt vertretbar erscheint und jeder gesetzlichen Grundlage entbehrt.
3. Die Gegenvorstellung ist kein gesetzlich geregelter Rechtsbehelf.
Normenkette
GG Art. 103 Abs. 1, Art. 17; FGO §§ 128, 133a
Tenor
Die Gegenvorstellung der Kläger wird als unzulässig verworfen.
Tatbestand
I.
Mit Urteil vom 26. Mai 2020 (Az. 12 K 3052/18) – aufgrund mündlicher Verhandlung – hat das Finanzgericht München (FG) der Klage der Kläger wegen der Einkommensteuer 2010 und 2012 teilweise entsprochen, die Einkommensteuerfestsetzungen für 2010 herabgesetzt und im Übrigen die Klage abgewiesen. Das Urteil und das Protokoll über die mündliche Verhandlung wurden den Klägern am 10. Juni 2020 zugestellt. Die Kläger haben gegen dieses Urteil die Nichtzulassungsbeschwerde zum Bundesfinanzhof (BFH) erhoben (Az. des BFH: VIII B 67/20).
Mit Schriftsatz vom 13. November 2020 beantragten die Kläger (vertreten durch ihren Prozessbevollmächtigten ≪RA≫) eine Berichtigung des Protokolls. Sie beantragten das Protokoll über die öffentliche Sitzung vom 26. Mai 2020 wie folgt zu berichtigen: „Der Kläger zu 2) stellte nach der Information des Vorsitzenden, dass das Gericht den zweiten Fristverlängerungsantrag zur Vorlage von Unterlagen nicht erhalten habe, Wiedereinsetzungsantrag. Hierüber wurde nicht entschieden.” Mit Schreiben vom 26. November 2020 und 27. November 2020 haben die Sitzungsvertreterin des Beklagten zu dem Berichtigungsantrag der Kläger Stellung genommen. Mit Vermerk vom 2. Dezember 2020 hat die Protokollführerin des Gerichts ihre Stellungnahme abgegeben. Mit Schreiben vom 2. Dezember 2020 wurden die Stellungnahmen der Sitzungsvertreterin des Beklagten und Protokollführerin dem Prozessbevollmächtigten der Kläger zur Kenntnisnahme übersandt. Mit Beschluss vom 10. Dezember 2020 wurde der Antrag auf Berichtigung des Protokolls vom 26. Mai 2020 vom Vorsitzenden abgelehnt (wegen der weiteren Einzelheiten wird auf diesen Beschluss verwiesen).
Gegen den Beschluss des Gerichts vom 10. Dezember 2020 erheben die Kläger eine Gegenvorstellung. Mit ihrer Gegenvorstellung verfolgen sie das Ziel weiter, eine Änderung des Protokolls vom 26. Mai 2020 entsprechend ihrem Protokollberichtigungsantrag zu erreichen. Zur Begründung führen sie aus, dass der Wiedereinsetzungsantrag, den der Kläger zu 1) gegenüber dem Vorsitzenden Richter gestellt habe, aufgrund der Corona-bedingten schlechten akustischen Verhältnisse eventuell überhört worden sein könnte. Da der Antrag vom Kläger zu 1) in der Mitte des Sitzungssaales mit Mundschutz lediglich in Richtung des Vorsitzenden Richters und nicht in Richtung der Protokollführerin oder in Richtung der Prozessvertreterinnen des Beklagten gestellt worden sei, komme es nicht darauf an ob diese sich an den Antrag erinnern könnten oder nicht. Sie hätten den Antrag eventuell gar nicht hören können.
Die Nichtberücksichtigung von Unterlagen verletze im Übrigen das Recht auf rechtliches Gehör der Kläger, da es sich um entscheidungserhebliche Betriebsausgaben und Erklärungen für 2012 gehandelt habe.
Die Kläger beantragen sinngemäß,
den Beschluss vom 10. Mai 2020 aufzuheben und das Protokoll vom 26. Mai 2020 dahin zu ändern: Der Kläger zu 2) stellte nach der Information des Vorsitzenden, dass das Gericht den zweiten Fristverlängerungsantrag zur Vorlage von Unterlagen nicht erhalten habe, Wiedereinsetzungsantrag. Hierüber wurde nicht entschieden.
Die Gegenvorstellung wurde dem Beklagten zur Kenntnisnahme übersandt. Die beiden Sitzungsvertreterinnen haben zu der Gegenvorstellung mit Schreiben vom 11. März 2021 und 16. März 2021 Stellung genommen. Diese Stellungnahmen wurden dem Prozessbevollmächtigten der Kläger RA zur Kenntnis gebracht.
Entscheidungsgründe
II.
Die Gegenvorstellung gegen den Beschluss vom 10. Dezember 2020 ist unzulässig.
Selbst wenn man davon ausgeht, dass eine Gegenvorstellung statthaft sein kann (vgl. Beschluss des Bundesverfassungsgerichts ≪BVerfG≫ vom 5. November 2013 1 BvR 2544/12, NJW 2014, 681, Rz 15; Lange in Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, Vorbemerkungen zu §§ 115-134 Rz. 71 [Sept. 2017]; Seer in Tipke/Kruse, AO/FGO, vor §§ 115-134 Rz. 43 [Aug. 2018]), wäre sie allenfalls dann zulässig, wenn substantiiert dargelegt würde, die angegriffene Entscheidung beruhe auf schwerwiegenden Grundrechtsverstößen oder erscheine unter keinem denkbaren Gesichtspunkt vertretbar und entbehre jeder gesetzlichen Grundlage (Beschlüsse des Bundesfinanzhofs ≪BFH≫ vom 8. Mai 2014 II S 18/14, BFH/NV 2014, 1220, Rz 4, vom 28. Oktober 2016 V S 29/16, BFH/NV 2017, 306, Rn. 3; vom 7. April 2017 IX S 3/17, BFH/NV 2017, 1049; vom 22. November 2019 II S 11-13/19 un...