Entscheidungsstichwort (Thema)
Mantelkauf trotz Übertragung von weniger als 75 % der Anteile im Jahr 1995. „Wiederaufnahme des Geschäftsbetriebs” nach Anteilsübertragung bei einer Holdinggesellschaft. gesonderter Feststellung des verbleibenden Verlustabzugs zur Körperschaftsteuer zum 31.12.1996. Gewerbesteuermessbetrag 1996. gesonderter Feststellung des vortragsfähigen Gewerbeverlustes auf den 31.12.1996
Leitsatz (amtlich)
1. Auch bei Übertragung von weniger als 75 % der Anteile ist es denkbar, dass nach einem Mantelkauf die Gesellschaft vor der Anteilsübertragung nicht mehr wirtschaftlich mit der Gesellschaft nach der Anteilsübertragung identisch ist und ein Abzug der von der „alten” Gesellschaft erzielten Verluste bei der „neuen” Gesellschaft ausscheidet.
2. Die Rechtfolgen von § 8 Abs. 4 KStG (Mantelkauf) können auch dann in Betracht kommen, wenn erst nach Wiederaufnahme des Geschäftsbetriebs mehr als 75 % der Anteile übertragen werden, der spätere Anteilsinhaber aber schon im Zeitpunkt der Wiederaufnahme des Geschäftsbetriebs bzw. der Zuführung neuen Betriebsvermögens eine Rechtsposition innehat, die der eines Anteilsinhabers von mehr als 75 % sehr nahe kommt (hier: Anteilserwerb von zunächst 60 % i.V.m. einer Übernahme fast aller gegen die Gesellschaft gerichteten Forderungen durch Abtretung an den Anteilserwerber).
3. Zum Begriff der „Wiederaufnahme des Geschäftsbetriebs” i. S.v. § 8 Abs. 4 KStG bei einer Holdinggesellschaft mit nur einer –wertlosen– Beteiligung.
Normenkette
KStG 1991 § 8 Abs. 4 Sätze 1-2; GewStG § 10a S. 4
Nachgehend
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kosten des Verfahrens trägt die Klägerin.
3. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
I.
Streitig ist, ob die Klägerin gemäß § 8 Abs. 4 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) im Jahr 1995 ihre wirtschaftliche Identität verloren hat und demzufolge die bis dahin erlittenen Verluste vom Verlustabzug ausgeschlossen sind.
Die Klägerin ist eine am 12. Juli 1990 gegründete GmbH. Das Stammkapital beträgt 50.000 DM. Alleiniger Gesellschafter und Geschäftsführer war seit dem 17. Dezember 1990 Herr … Gegenstand des Unternehmens ist seitdem die Beteiligung an Unternehmen aller Art, vornehmlich im Bereich der … und Bürokommunikation.
Die Klägerin erlitt in den Jahren nach ihrer Gründung erhebliche Verluste. Im Einzelnen nahm ihre wirtschaftliche Entwicklung folgenden Verlauf:
Die Klägerin übernahm am 2. Januar 1991 sämtliche Geschäftsanteile der Firma … … GmbH zu einem Kaufpreis von 2,95 Mio. DM. Zur Finanzierung der Anschaffungskosten nahm die Klägerin Kredite bei der Sparkasse …-… auf. Bereits im Jahr 1992 schrieb die Klägerin den Wertansatz der Beteiligung auf einen Erinnerungswert von 1 DM ab. Da die Klägerin zur Tilgung der Darlehen nicht in der Lage war, führte das Anwachsen der Zinsverbindlichkeiten zu weiteren Verlusten. In dieser wirtschaftlichen Situation war der Klägerin der Erwerb weiterer Beteiligungen gemäß ihrem Satzungszweck unmöglich.
In ihrer Bilanz zum 31. Dezember 1994 wies die Klägerin einen Kapitalfehlbetrag von 4.505.451,20 DM aus. Der körperschaftssteuerliche Verlustvortrag betrug 4.555.453 DM.
Mit notariellem Vertrag vom 29. Juni 1995 veräußerte der Alleingesellschafter der Klägerin, Herr …, seine Beteiligung zu 60 v.H. an die HPS … GmbH Steuerberatungsgesellschaft, deren alleiniger Gesellschafter Herr Dr. … ist. Der Kaufpreis wurde mit 50.000 DM vereinbart. Mit der Anteilsveräußerung beendete Herr … seine Tätigkeit als Geschäftsführer. Zum Geschäftsführer der Klägerin wurde nunmehr Herr … … bestellt; Herr … wurde zum Prokuristen berufen.
Zum Zeitpunkt der Anteilsveräußerung am 29. Juni 1995 waren die Verbindlichkeiten der Klägerin gegenüber der Sparkasse …-… auf 4.924.964,48 DM angewachsen. In einer mit Herrn und Frau … sowie Herrn Dr. … getroffenen Vereinbarung trat die Sparkasse gegen eine Zahlung von 200.000 DM diese Ansprüche an Herrn Dr. … ab. Gegenüber der Klägerin verzichtete Herr … für das Jahr 1995 auf eine Verzinsung der auf ihn übergegangenen Forderungen.
Bereits am 29. Juni 1995, dem Tag der Anteilsveräußerung, begann die Klägerin, die bis dahin lediglich im Besitz der wertlosen Anteile an der … GmbH gewesen war, mit dem Erwerb weiterer Beteiligungen. Noch am gleichen Tag übertrug ihr Herr Dr. … seine Anteile an der HPS … GmbH. Im Einzelnen wird auf die von der Klägerin im Einspruchsverfahren vorgelegte Übersicht Bezug genommen.
Auf die Veräußerung des Teilgeschäftsanteils von 60 v.H. an der Klägerin durch Herrn … am 29. Juni 1995 folgte mit notariellem Vertrag vom 3. September 1996 die Veräußerung des Herrn … verbliebenen Geschäftsanteils an Herrn Dr. …. In einer gesonderten Vereinbarung zwischen Herrn … und Herrn Dr. … ist dazu allerdings bestimmt, dass Herr Dr. … den am 3. September 1996 erworbenen Geschäftsanteil für Herrn … treuhänderisch halten sollte. Wie es im Treuhandvertrag ausdrücklich heißt, sollte die Treuhandstellung des Treuhänders geheim gehalten werden.
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