Entscheidungsstichwort (Thema)
Sonderausgabenabzug österreichischer Sozialversicherungsbeiträge
Leitsatz (redaktionell)
Österreichische Sozialversicherungsbeiträge, die dort von der Bemessungsgrundlage der Lohnsteuer abgezogen wurden, können nicht nochmals in Deutschland unter Berufung auf das Unionsrecht als Sonderausgaben abgezogen werden.
Normenkette
EStG § 10 Abs. 2 S. 1 Nr. 1
Nachgehend
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
I.
Streitig ist, ob in Österreich gezahlte Sozialversicherungsbeiträge als Sonderausgaben abziehbar oder zumindest bei der Bemessung des Progressionsvorbehalts zu berücksichtigen sind.
Die Klägerin wird für das Streitjahr 2015 beim Beklagten – dem Finanzamt (FA) – zur Einkommensteuer veranlagt. Neben ihren in Deutschland erzielten selbstständigen Einkünften erzielte sie im Streitjahr in Österreich Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit.
1. Ausweislich eines im Besteuerungsverfahren vorgelegten Lohnzettels und Beitragsgrundlagennachweises (Einkommensteuerakte Blatt 11) wurden die in Österreich steuerpflichtigen Bezüge wie folgt ermittelt (in EUR):
Bruttobezüge |
14.916,33 |
abzüglich „Bezüge gemäß § 67 Abs. 1 und 2 …” |
1.745,52 |
abzüglich einbehaltene Sozialversicherungsbeiträge |
2.383,03 |
abzüglich übrige Abzüge |
504,00 |
ergibt steuerpflichtige Bezüge |
10.283,78 |
Als „insgesamt einbehaltene Lohnsteuer” ist ein Betrag von 2.323,54 EUR ausgewiesen.
Die Klägerin erklärte in ihrer Einkommensteuererklärung für Zwecke des Progressionsvorbehalts den Bruttolohn von 14.916,33 EUR, sowie hiermit zusammenhängende Werbungskosten in Höhe von 3.518 EUR. Die daraus ermittelten Einkünfte in Höhe von 11.398 EUR unterwarf das Finanzamt im Einkommensteuerbescheid vom 04.07.2017 dem Progressionsvorbehalt.
2. Mit ihrem Einspruch beantragte die Klägerin unter Berufung auf die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes, die österreichischen Sozialversicherungsbeiträge in Höhe von 2.384 EUR als Sonderausgaben zu berücksichtigen. Das Finanzamt wies den Einspruch in der Einspruchsentscheidung vom 27.04.2018 als unbegründet zurück.
3. Mit ihrer Klage verfolgt die Klägerin ihr Ziel weiter, dass die in Österreich entrichteten Beiträge zur Renten- und Krankenversicherung als Sonderausgaben steuermindernd berücksichtigt werden. § 10 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Einkommensteuergesetz (EStG) sei nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH, Urteil vom 22.06.2017 – C-20/16 –, BStBl II 2017, 1271) nicht mit dem Unionsrecht vereinbar. Zwar sei es so, dass im Fall der Klägerin der österreichische Staat bei der Bemessung der Quellensteuer (Lohnsteuer) die Sozialversicherungsbeiträge berücksichtigt habe. Ob dies allein die Ablehnung einer Berücksichtigung im Rahmen des Sonderausgabenabzugs oder im Rahmen des Progressionsvorbehalts rechtfertige, sei aus Sicht der Klägerin eine offene Rechtsfrage. Der EuGH habe in der genannten Entscheidung die Vorlagefrage 2 des vorlegenden Bundesfinanzhofs (BFH, EuGH-Vorlage vom 16.09.2015 – I R 62/13 –, BStBl II 2016, 205) nicht beantwortet. Im Vorlagebeschluss gehe der BFH davon aus, dass ein Abzugsausschluss im Wohnsitzstaat voraussetze, dass die zur Vermeidung der Doppelbesteuerung verwendeten Mechanismen oder die nationalen Steuersysteme gewährleisten, dass die gesamte persönliche und familiäre Situation des Steuerpflichtigen im Ganzen gebührend berücksichtigt werde. Eine solche Gewährleistung böten die Regeln über den Abzugsausschluss nach § 10 Abs. 2 Satz 1 Nummer 1 EStG nicht.
Wegen der Einzelheiten wird auf das schriftsätzliche Vorbringen verwiesen.
Die Klägerin beantragt sinngemäß,
den Einkommensteuerbescheid 2015 vom 04.07.2017 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 27.04.2018 EUR zu ändern und unter Berücksichtigung eines zusätzlichen Sonderausgabenabzugs in Höhe von 3.697 die Einkommensteuer entsprechend niedriger festzusetzen,
hilfsweise bei der Berechnung des Progressionsvorbehalts anstelle eines Betrages von 11.398 EUR lediglich Einkünfte in Höhe von 8.727 EUR zu berücksichtigen und die Einkommensteuer entsprechend niedriger festzusetzen,
hilfsweise die Revision zuzulassen.
Das Finanzamt beantragt,
die Klage abzuweisen.
Es verweist im Wesentlichen auf die Einspruchsentscheidung.
Sinngemäß trägt es weiter vor, der BFH habe im Urteil vom 18.04.2012 (– X R 62/09 –, BStBl II 2012, 721, Rn. 39) unter Berufung auf das EuGH-Urteil vom 19.11.2009 Rs. C-314/08 – Filipiak –, Slg. 2009, I-11049, Rz 60 ff. und 71) in einem ähnlichen Sachverhalt keinen Verstoß gegen die Niederlassungsfreiheit nach Art. 43 EG (jetzt Art. 49 AEUV) gesehen, da auch der EuGH einen solchen Verstoß nur unter der Prämisse bejaht habe, dass die von einem Steuerpflichtigen im Staat der Niederlassung entrichteten Pflichtbeiträge in diesem Staat nicht abgezogen werden konnten.
Wegen der Einzelheiten wird auf die Einspruchsentscheidung und das schriftliche Vorbringen verwiesen.
Entscheid...