Entscheidungsstichwort (Thema)
Klage auf Feststellung der Nichtigkeit eines Verwaltungsakts;. Heilung einer unwirksamen öffentlichen Zustellung.. Einkommensteuer 1988, 1989, 1990
Leitsatz (amtlich)
Die Klage auf Feststellung der Nichtigkeit eines Steuerbescheids ist an keine Frist gebunden.
Eine unwirksame öffentliche Zustellung kann durch die nachträgliche Übergabe einer Kopie des Bescheids an den Steuerplichtigen geheilt werden.
Normenkette
FGO §§ 41, 47; VwZG § 9 Abs. 1, § 15
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Tatbestand
I.
Die Klägerin (Klin) ist österreichische Staatsangehörige.
Durch eine Kontrollmitteilung der Lohnsteuer-Außenprüfung vom 5.2.1991 wurde dem Beklagten (Finanzamt –FA–) bekannt, dass die Klin in den Jahren 1988 bis 1990 für die Firma … an deren Betriebsstätte in … selbständig tätig geworden ist und hierfür im Jahr 1988 15.122 DM, in 1989 23.048 DM und in 1990 19.448 DM erhalten hat. Die Wohnanschrift der Klin wa. … angegeben.
Mit Schreiben vom 16.3.1993 forderte das FA die Klin auf, bis zum 20.4.1993 Steuererklärungen für die Jahre 1988 bis 1991 einzureichen. Die Klin gab weder Steuererklärungen ab noch nahm sie Stellung zu dem Schreiben des FA. Auch das Erinnerungsschreiben vom 31.8.1993 blieb unbeantwortet.
Mit Einkommensteuerbescheiden vom 21.6.1994 schätzte das FA daraufhin die Einkünfte in den Streitjahren auf 15.000 DM, 23.000 DM und 19.000 DM. Die Bescheide kamen als unzustellbar zurück. Zur Ermittlung des Aufenthalts der Klin richtete das FA am 29.6.1994 ein Amtshilfeersuchen an das Meldeamt bei der Bundespolizeidirektion … Lt. Antwortschreiben vom 12.7.1994 ist der Aufenthalt der am 17.6.1949 geborenen Klin seit 4.11.1993 unbekannt. Im November 1999 stellte das FA nochmals ohne Erfolg Ermittlungen nach dem Aufenthalt der Klin beim Finanzamt … Stadt an. Da die Vergütungen It. Auskunft auch in Österreich nicht versteuert wurden, sah das FA den Tatbestand der Steuerverkürzung als gegeben an und setzte die Einkommensteuer 1988, 1989 und 1990 mit Bescheiden vom 29.11.1999 erneut fest (Einkommensteuer 1988: 3.750 DM, 1989: 5.750 DM und 1990: 4.750 DM). Die Steuerbescheide wurden gemäß § 15 VwZG öffentlich zugestellt. Der Aushang der Benachrichtigung gemäß § 15 Abs. 2 VwZG erfolgte am 19.11.1999, deren Abnahme am 3.1.2000.
Am 29.3.2000 stellte die Vollstreckungsstelle des FA neuerliche Wohnsitzermittlungen an. Nach Ermittlungen beim Stadtamt bzw. der Bezirkshauptmannschaft … konnte das FA einen telefonischen Kontakt zur Klin herstellen. Bei Vorsprache der Klin am 2.5.2000 bei der Veranlagungsstelle des FA wurden der Klin unter Hinweis auf die eingetretene Bestandskraft der Bescheide Kopien der Einkommensteuerbescheide 1988 bis 1990 ausgehändigt.
Mit Schreiben vom 20.3.2001 ließ die Klin gegen die Schätzungsbescheide vom 29.11.1999 Einspruch einlegen. Den Einspruch verwarf das FA am 13.9.2001 als unzulässig. Die Einspruchsentscheidung wurde im Einvernehmen mit der Klin mit einfachem Brief an ihre Wohnanschrift … in Österreich bekannt gegeben.
Dagegen richtet sich die Klage vom 18.11.2001, die beim Finanzgericht am 19.11.2001 eingegangen ist. Zur Begründung trägt die Klin im Wesentlichen vor, es sei richtig, dass sie in den genannten Jahren Entgelte für Übersetzungsarbeiten erhalten habe. Im Jahr 1992 sei sie Gesellschafterin der genannten Firma geworden. 1991/1992 habe sie sich bereit erklärt, aktiv an der Rettung und Sanierung des Unternehmens beizutragen, auch dadurch, indem sie ihre alten Honorare zurückgezahlt habe. Das Finanzamt … sei informiert worden. Ihre Person als auch die schwierige Situation des Unternehmens sei dem FA hinreichend bekannt gewesen. Die öffentliche Bekanntgabe der Einkommensteuerbescheide ohne Kontaktaufnahme mit ihr habe sie hart und völlig unerwartet getroffen. Alle Weichen seien gestellt gewesen, dass das FA in den Jahren 1992 bis 1999 die Klin jederzeit und täglich hätte kontaktieren können. Wegen der Einzelheiten des Vorbringens der Klin wird auf den Schriftsatz vom 18.11.2001 Bezug genommen.
Die Klin beantragt sinngemäß,
die Einkommensteuerbescheide 1988, 1989 und 1990 jeweils vom 29.11.1999 aufzuheben.
Das FA beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung verweist das FA auf seine Einspruchsentscheidung vom 13.9.2001. Ergänzend trägt es vor, die Klageschrift sei um sechs Tage verspätet. Die Klage sei daher unzulässig.
Entscheidungsgründe
II.
Es erscheint als sachgerecht, durch kostengünstigeren Gerichtsbescheid zu entscheiden (§ 90 a i.V.m. § 79 a Abs. 2, 4 FGO).
1. Die Klage ist unzulässig.
Die Klage wurde verspätet erhoben.
Die Frist für die Erhebung der Anfechtungsklage beträgt einen Monat; sie beginnt mit der Bekanntgabe der Entscheidung über den außergerichtlichen Rechtsbehelf (§ 47 Satz 1 FGO). Die Einspruchsentscheidung vom 13.9.2001, die der Klin durch die Post unter ihrer Anschrift in Österreich übermittelt wurde, gilt gemäß § 122 Abs. 2 Nr. 2 AO einen Monat nach Aufgabe zur Post als bekannt gegeben. Die Klagefrist en...