rechtskräftig

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Wiedereinsetzung. Krankheit muss schwer sein. ein Prozessbevollmächtigter muss Vorsorge in der Büroorganisation treffen

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach Fristversäumnis wegen Krankheit (hier: Traumatisierung nach Raubüberfall auf Urlaubsreise) kann nur gewährt werden, wenn die Krankheit so schwer ist, dass es nachweislich unzumutbar ist, die Frist einzuhalten oder rechtzeitig einen Vertreter zu bestellen.

2. Handelt es sich um eine Krankheit eines Prozessbevollmächtigten, so ist dieser verpflichtet, durch eine geeignete Büroorganisation Vorsorge für den Fall einer Erkrankung zu treffen.

 

Normenkette

FGO §§ 65, 155; ZPO § 294

 

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

 

Tatbestand

I.

Die Klägerin erzielte im Streitjahr 2009 Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit bis zum 30. Juni sowie Einkünfte aus Kapitalvermögen und aus Vermietung und Verpachtung und wird beim Beklagten, dem Finanzamt D, zur Einkommensteuer veranlagt, Sie erhob gegen den Einkommensteuerbescheid 2009 vom 02.03.2011 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 02.01.2012 Klage, ohne sie zu begründen. Eine Begründung sollte nachgereicht werden.

Nach erfolgloser Aufforderung der die Senatsgeschäftsstelle (Schreiben vom 07.02.2012 wurde mit Anordnung vom 04.04.2012 (zugestellt am 11.04.2012) gemäß § 65 Abs. 2 Satz 2 Finanzgerichtsordnung (FGO) eine Frist mit ausschließender Wirkung bis zum 15.05.2012 zur Bezeichnung des Gegenstands des Klagebegehrens gesetzt. Diese Frist blieb ungenutzt.

Mit Schreiben vom 25. Mai 2012 teilte der Klägervertreter mit, er sei während seines Osterurlaubs in Sizilien am 14. April 2012 überfallen und ausgeraubt worden. Dies habe ihn mental sehr mitgenommen, sodass er in der Folgezeit seinen Posteingang nicht richtig eingeordnet und abgearbeitet habe. Er bitte deshalb, die Versäumung der Frist zur Bezeichnung des Klagebegehrens nachzusehen und Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Seine Kanzlei sei zwar so organisiert, dass die Vertretung für normale Tätigkeiten durch Steuerfachangestellte sichergestellt sei; Rechtsbehelfe und Klagen sowie die diesbezügliche Terminüberwachung bearbeite er jedoch ausschließlich selbst. Aus der Schocksituation heraus habe er den Begründungstermin versäumt.

Die Klägerin wende sich gegen die Zuschätzung von Arbeitslosengeld, da sie für die Zeit der Arbeitslosigkeit ab Juli 2009 keinen Antrag auf Arbeitslosengeld gestellt habe. Die vom Beklagten geforderte Negativbescheinigung erteile die Agentur für Arbeit nicht. Es seien auch die beantragten Werbungskosten für Fortbildung der Klägerin zu gewähren. Wenn sich der Beklagte an der Bezeichnung der Kurse störe, sei dies noch lange kein Grund für eine Versagung des Abzugs. Schließlich seinen auch die belegmäßig nachgewiesenen Pflichtbeiträge der Klägerin zum Versorgungswerk der Ärzte beim Sonderausgabenabzug zu berücksichtigen.

Mit einer weiteren gerichtlichen Anordnung wurde die Klägerin aufgefordert, nach § 79b Abs. 2 FGO eine Negativbescheinigung der Arbeitsverwaltung, eine Bescheinigung des Arbeitgebers über die Eignung der besuchten Kurse zur Förderung der beruflichen Tätigkeit der Klägerin sowie eine Bescheinigung über Zahlungen an die ärztliche Versorgungseinrichtung vorzulegen. Hierauf legte die Klägerin ein Protokoll der Legione Carabiniere Sicilia vom 14. April 2012 und drei Kopien über besuchte Fortbildungsveranstaltungen der Bayerischen Landesärztekammer (5. Dezember 2012 Oberstaufen) bzw. des Instituts für die tantrische Vision e.V. vor (17.-20. September 2009 Seminar „Shaktis Fließen”; 20.-25. Januar und 21.-26. April 2009 Seminar „Jahrestraining I – 4. und 5. Abschnitt”). In dem italienischsprachigen Protokoll ist angekreuzt, der Klägervertreter „denuncia di essere stato derubato”. Neben den persönlichen Daten des Klägervertreters enthält das Protokoll keine weiteren Angaben. Die Klägerin sei jahrelang an psychosomatischen Fachkliniken tätig gewesen. Der Arbeitgeber habe telefonisch die Auskunft gegeben, dass er davon ausgehe, dass sich Ärzte auf Eigeninitiative fortbildeten, aber keine Fortbildung angeordnet und keine Kenntnisse über deren Art und Umfang habe. Lohnersatzleistungen habe sie nicht beantragt.

Die Klägerin beantragt,

Werbungskosten für Fortbildung in Höhe von 3.398,40 EUR bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit zu berücksichtigen und keine Lohnersatzleistungen über den Progressionsvorbehalt zu berücksichtigen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage als unzulässig abzuweisen.

Zur Ergänzung des Sachverhalts und des Vortrags der Beteiligten wird auf die Akten und die Schriftsätze verwiesen.

 

Entscheidungsgründe

II.

1. Die Klage ist unzulässig.

Sie bringt das Klageziel nicht ausreichend deutlich zum Ausdruck. Nach § 65 Abs. 1 FGO muss die Klage unter anderem den Gegenstand des Klagebegehrens bezeichnen. Das Ziel der Klage muss hinreichend deutlich zum Ausdruck gebracht werden (vgl. BFH-Beschluss vom 26. Novemb...

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