Entscheidungsstichwort (Thema)
Inländische Betriebsstätte nach DBA-Ungarn als Voraussetzung für die Steuerpflicht einer im Inland als Subunternehmerin im Baugewerbe tätigen Kapitalgesellschaft ungarischen Rechts
Leitsatz (redaktionell)
1. Ob eine ungarische Kapitalgesellschaft ("KFT") mit Sitz und Geschäftsleitung in Ungarn in Deutschland eine "Betriebsstätte" unterhält, ist nach dem gegenüber dem nationalen Recht vorrangigen DBA-Ungarn zu entscheiden.
2. Eine "Bauausführung" begründet nach DBA-Ungarn nur dann eine Betriebsstätte, wenn sie, bezogen auf das jeweilige Projekt, mindestens 12 Monate dauert. Mehrere, auf unterschiedlichen Verträgen beruhende, für den gleichen Auftraggeber am gleichen Ort durchgeführte Bauausführungen können insoweit als Einheit angesehen werden, wenn sie wirtschaftlich und geographisch ein zusammenhängendes Ganzes bilden (vgl. Art. 5 Nr. 18 Satz 3 des Kommentars zum OECD-Musterabkommen). Entscheidend ist danach, ob die verschiedenen Baustellen wirtschaftlich so zusammenhängen, dass sie üblicherweise den Gegenstand eines einheitlichen Auftrags bilden würden.
3. Die Anforderungen an den inländischen Vertreter gem. Art.5 Abs.4 DBA-Ungarn -als weitere Alternative zur Begründung einer inländischen Betriebsstätte- sind erheblich enger als in § 13 AO 1977. Die nach DBA vorausgesetzte Vollmacht des Vertreters zum Vertragsabschluss kann zwar auch dann angenommen werden, wenn der Vertreter die Vertragsverhandlungen unabhängig bis zur Abschlussreife führt und der von ihm ausgehandelte Vertrag von der Unternehmensleitung nurmehr formell unterzeichnet wird. Eine Abschlussvollmacht im Sinne des DBA ist aber zu verneinen, wenn der Vertreter schon während der Vertragsverhandlungen Rücksprache mit seiner Zentrale im Ausland nehmen muss.
4. Zu den Anforderungen an einen "unabhängigen Vertreter" im Sinne von Art. 5 Abs.5 DBA-Ungarn.
Normenkette
KStG 1991 § 2 Nr. 1; EStG § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a; GewStG § 2 Abs. 1; AO 1977 § 12 Abs. 2 Nr. 8, Abs. 1; DBA HUN Art. 7 Abs. 1, Art. 5 Abs. 4, 2 Buchst. g, Abs. 5
Nachgehend
Gründe
I.
Streitig ist die Steuerpflicht einer ausländischen Kapitalgesellschaft, die im Inland als Subunternehmerin im Baugewerbe tätig gewesen ist.
Die Klägerin ist eine nach ungarischem Recht gegründete Kapitalgesellschaft in der Rechtsform der „Korlátoltfelelözségü” (KFT). Sie hat ihren Sitz in Békés/Ungarn.
In den Jahren 1992 bis 1997 war die Klägerin in Deutschland als Subunternehmerin im Baugewerbe tätig. Im Streitjahr führte sie Bauarbeiten (überwiegend Verputzarbeiten) im Stadtgebiet von … aus, und zwar auf Baustellen in der … (Dauer der Arbeiten: 9/1993 bis 3/1995), … (12/1993 bis 11/1994) und … (12/1994). Auftraggeber der Klägerin war jeweils die Firma …
Für die Bauarbeiten wurden ausschließlich ungarische Arbeitnehmer eingesetzt, die bei der Klägerin in Bekes/Ungarn angestellt waren. Die Arbeitnehmer reisten von Ungarn nach Deutschland ein und wohnten in Baucontainern, die vom inländischen Auftraggeber am jeweiliger or der Bauausführung zur Verfügung gestellt werden waren
Mit ihrer Vertretung im Inland hat die Klägerin Herrn … (im folgenden: Herr F) beauftragt. Zwischen ihm und der Klägerin wurden am 1. März und 15. März 1993 Vereinbarungen geschlossen, die jeweils mit „Auftrag” überschrieben sind. Darauf wird Bezug genommen. Eine Vollmacht zum Abschluß von Verträgen im Namen der Klägerin ist Herrn F in diesen „Aufträgen” nicht erteilt. Zwar hat Herr F nach den Feststellungen des Beklagten (Finanzamt –FA–) zusammen mit anderen Firmenvertretern an Vertragsverhandlungen mit inländischen Auftraggebern der Klägerin teilgenommen, mußte dabei in aller Regel aber Rücksprache mit der Hauptniederlassung der Klägerin in Budapest nehmen. Dorthin wurden die Verträge auch zur Unterzeichnung übersandt. Allerdings liege dem FA auch ein Werkvertrag zwischen der Klägerin und einem inländischen Bauunternehmer samt den zugehörigen Teilleistungsverträgen vor, die Herr F mit dem Zusatz „i.A.” selbst unterzeichnet hat (Verträge vom 5. Juli 1995 betreffend die Baustelle … Auch die Rechnungen über die erbrachten Leistungen aus diesem Geschäft waren von Herrn F selbst unterschrieben.
Neben der Mitwirkung beim Abschluß der Verträge gehörten zur Tätigkeit von Herrn F auch die Verwaltungsarbeiten im Zusammenhang mit der Durchführung der übernommenen Bauarbeiten (Anträge auf Visa sowie Arbeitserlaubnis für die ungarischen Arbeitnehmer).
Als inländische Geschäftsadresse der Klägerin war – mit dem Zusatz „Vertretung BRD” – die Privatanschrift von Herrn F in der … Str. …, … bei … angegeben. Über diese Adresse lief der gesamte inländische Schriftverkehr der Klägerin.
Die für die Klägerin von Herrn F ausgeführten Tätigkeiten sind in der Einspruchsentscheidung vom 2. Oktober 1998 zusammengestellt, auf die verwiesen wird. Zwischen den Beteiligten ist dazu lediglich streitig, ob Herr F auch die Beförderung der Arbeitnehmer zu den Baustellen organisiert und dort auch Kon...