Entscheidungsstichwort (Thema)
Erwerb von Forderungen gegen die Kapitalgesellschaft durch den Gesellschafter-Geschäftsführer als verdeckte Gewinnausschüttung; Geschäftschancen-Lehre
Leitsatz (redaktionell)
1. Nach den vom BFH entwickelten Grundsätzen zur sog. Geschäftschancen-Lehre kann eine verdeckte Gewinnausschüttung vorliegen, wenn die alleinige Gesellschafter-Geschäftsführerin der GmbH - anstatt mit den Gläubigern der GmbH einen Teilerlass auszuhandeln - deren Forderungen gegen die GmbH zu einem deutlich unter dem Nennwert liegenden Betrag erwirbt und damit die Chance zur Entschuldung der GmbH nicht nutzt.
2. Es ist sachgerecht, die Geschäftschancen-Lehre auch in Fällen anzuwenden, in denen sich der Gesellschafter-Geschäftsführer zwar nicht wirtschaftlich als Konkurrent der Kapitalgesellschaft betätigt, aber dennoch sein eigenes Interesse über das der Gesellschaft stellt und ihr damit eine Geschäftschance entzieht. Ob diese Chance marktgängig ist - d.h. ob ein fremder Dritter daür ein Entgelt zahlen würde - ist insoweit unbeachtlich.
Normenkette
KStG § 8 Abs. 3 S. 2
Nachgehend
Gründe
I.
Streitig ist das Vorliegen einer verdeckten Gewinnausschüttung.
Die Klägerin (Klin) ist eine GmbH. Alleinige Gesellschafterin war ursprünglich die C. … GmbH, ein Unternehmen der sog. N.-Gruppe. Anteilseigner der C. GmbH war Herr … B., der hinter der N.-Gruppe steht. Durch Vertrag vom 21.10.1983 erwarb Frau … S. die Anteile an der O. GmbH, durch Vertrag vom 31.3.1990 veräußerte diese ihre Anteile an der Klin an Frau S.. Letztgenannte ist seit dem 1.1.1990 auch Geschäftsführerin der Klin.
Die Klin war als gewerbliche Zwischenvermieterin tätig, weiterhin übernahm sie Mietgarantien für Objekte, die von Unternehmen der N.-Gruppe errichtet wurden. Auch war sie Verwalterin dieser Objekte. Die Übernahme der Garantien führte bei der Klin zu Verlusten. Die finanziellen Mittel zur Abdeckung dieser Verluste wurden ihr von anderen Unternehmen der N.-Gruppe zur Verfügung gestellt. In den Jahresabschlüssen der Klin wurden insoweit Verbindlichkeiten gegenüber den einzelnen Unternehmen der N.-Gruppe passiviert.
Durch Verträge vom 31.3.1990 veräußerten folgende Firmen Forderungen gegenüber der Klin an Frau S.
Firma |
Forderung |
Preis |
N. Beteiligungs AG |
592.233,10 DM |
35.000,00 DM |
N. Imm.- und Treuhand GmbH |
186.210,43 DM |
2.210,43 DM |
N. Projekt- u. Baumanagement GmbH |
100.808,81 DM |
2.000,00 DM |
Summe |
879.252,34 DM |
39.210,43 DM |
Der Kaufpreis der Forderungen der N. AG wurde in Höhe von 35.000 DM durch Verrechnung mit Gehaltsforderungen der Frau S. erbracht, einen Betrag von 5.137,80 DM leistete Frau S. bar. Im übrigen wurden die Forderungen der Gläubigerfirmen in deren Jahresabschlüssen zum 31.12.1990 ausgewiesen, später wurden die restlichen Kaufpreise nach Vortrag von Frau S. durch sie an Herrn B. entrichtet.
Durch Verträge vom 31.12.1990 wurden weitere Forderungen gegenüber der Klin an Frau S. veräußert, die aus der Nachbuchung von Zinsen für die Jahre 1987 bis 1989 resultierten. Im einzelnen handelte es sich um folgende Forderungen:
Firma |
Forderung |
Preis |
N. Beteiligungs AG |
42.992,27 DM |
5.137,80 DM |
N. Imm.- und Treuhand GmbH |
41.971,00 DM |
1.971,00 DM |
N. Projekt- und Baumanagement GmbH |
6.552,56 DM |
361,37 DM |
R. Grundstücks GmbH |
157.564,63 DM |
2.564,63 DM |
Summe |
249.080,46 DM |
10.034,80 DM |
In der Buchhaltung der Klin wurden die Verbindlichkeiten gegenüber den bisherigen Gläubigerfirmen um insgesamt 1.128.332,80 DM vermindert, der genannte Betrag wurde auf dem zwischen der Klin und Frau S. bestehenden Verrechnungskonto verbucht.
Die Klin leistete in den Jahren 1989 bis 1991 an Frau S. folgende Beträge, die auf dem Verrechnungskonto erfasst wurden:
1989 |
25.319,33 DM |
1990 |
26.094,27 DM |
1991 |
59.973,27 DM |
In den Jahren ab 1989 war die Klin in Geschäftsbereichen tätig, in denen sich bislang die übrigen Unternehmen der N.-Gruppe betätigt hatten. Die Klin erzielte in der Folgezeit folgende Betriebsergebnisse:
1990 |
555.316 DM |
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1991 |
./. 1.312.245 DM |
(resultierend aus nicht zu aktivierenden Finanzierungs- und Verkaufskosten) |
1992 |
1.147.737 DM |
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1993 |
731.239 DM |
|
Dieser Sachverhalt wurde anläßlich einer bei der Klin durchgeführten Außenprüfung festgestellt, die den Zeitraum 1989 bis 1991 umfasste. Der Prüfer war der Ansicht, in Höhe von 1.079.087,57 DM liege eine verdeckte Gewinnausschüttung vor. Der genannte Betrag ergibt sich aus der Differenz der von Frau S. erworbenen Forderungen (1.128.332,80 DM) und des hierfür aufgewandten Kaufpreises (49.245,23 DM). Der Prüfer führte hierzu aus, aufgrund einer mündlichen Vereinbarung zwischen Herrn … B. und Frau S. sei anläßlich des Anteilserwerbs durch Frau S. eine Vereinbarung getroffen worden, derzufolge die Verluste der Klin durch einzelne Unternehmen der N.-Gruppe abgedeckt werden sollten. Durch den Schuldenerlass sollten Nachteile der Klin gegenüber anderen Firmen der N.-Gruppe ausgeglichen werden. Der Preis, zu dem die Gläubigerfirmen die Forderungen veräußert hätten, hätte jederz...