rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Haftung des GmbH-Geschäftsführers. Grundsatz der anteiligen Tilgung bei Umsatzsteuerverbindlichkeiten
Leitsatz (redaktionell)
1. Selbst wenn sich ein abberufener Geschäftsführer weiter als Geschäftsführer geriert, ergibt sich die Verantwortlichkeit des neuen Geschäftsführers als Haftender für die Erfüllung der steuerlichen Pflichten der GmbH allein aus seiner nominellen Bestellung zum Geschäftsführer und ohne Rücksicht darauf, ob sie auch tatsächlich ausgeübt werden konnte.
2. Ohne klare und eindeutige Aufgabenverteilung kann der neue Geschäftsführer nicht einfach darauf vertrauen, dass der abberufene, aber noch für die GmbH tätige, Geschäftsführer die steuerlichen Pflichten der GmbH erfüllen werde.
3. Rückständige Umsatzsteuer ist vom Geschäftsführer in ungefähr dem gleichen Verhältnis zu tilgen wie die Verbindlichkeiten gegenüber anderen Gläubigern. Ist dies nicht geschehen, so liegt im Umfang des die durchschnittliche Tilgungsquote unterschreitenden Differenzbetrages (= Haftungssumme) eine schuldhafte Pflichtverletzung vor, für die der Geschäftsführer als Haftungsschuldner einzustehen hat.
4. Der Geschäftsführer haftet auch für Säumniszuschläge, die nach seiner Abberufung oder nach Einstellung der Geschäftstätigkeit durch die GmbH entstehen.
Normenkette
AO §§ 34-35, 37 Abs. 1, §§ 69, 90, 149, 162, 191 Abs. 1, § 240; UStG § 18 Abs. 1, 3; FGO § 102
Tenor
1. Unter Änderung des Haftungsbescheids vom 12. Mai 2009 und des Änderungsbescheids vom 23. September 2009 sowie der Einspruchsentscheidung vom 6. Oktober 2009 wird die Haftungsschuld des Klägers auf 10.800,– EUR herabgesetzt.
2. Die Kosten des Verfahrens trägt der Kläger zu 9/10, der Beklagte 1/10.
Tatbestand
I.
Streitig ist, ob der Kläger für Steuerschulden der Fa. E-GmbH(GmbH) haftet.
Die GmbH erzielte steuerpflichtige Umsätze u. a. aus der Projektentwicklung im Bereich der Elektrotechnik sowie der Planung und Ausführungsvorbereitung für haustechnische Gewerke. Geschäftsführer der GmbH waren zunächst Herr S (1. Oktober 1995 bis 5. November 1998) und Frau PS (5. November 1998 bis 4. September 2006). Bei der Gesellschafterversammlung am 1. Juli 2005 wurde der Gegenstand des Unternehmens der GmbH u. a. auf Unternehmungsberatung, Insolvenzverwaltung und die Vermittlung von Unternehmensbeteiligungen erweitert. Der Kläger wurde, neben der Alleingesellschafterin PS zum weiteren, einzelvertretungsberechtigten Geschäftsführer bestellt (vgl. notarielle Urkunde vom 1. Juli 2005). Nachdem Frau PS am 4. September 2006 abberufen worden war, war der Kläger bis zum 28. November 2007 alleinvertretungsberechtigter Geschäftsführer der GmbH. Ab diesem Zeitpunkt bis zum 14. April 2008 war F zum Geschäftsführer bestellt. Zum 31. März 2008 wurden die Geschäftsanteile der GmbH von einer bulgarischen Firma erworben und das Gewerbe in Deutschland abgemeldet.
Da die Steuerrückstände (Umsatzsteuer 2005 bis März 2008, Verspätungs- und Säumniszuschläge) der GmbH Ende April 2009 insgesamt 34.269,87 EUR betrugen, nahm der Beklagte (das Finanzamt) den Kläger nach vorheriger Anhörung mit Haftungsbescheid vom 12. Mai 2009 gemäß § 69 Abgabenordnung (AO) in Höhe von 16.400,– EUR für ausstehende Umsatzsteuern der Jahre 2005 und 2006 sowie der Monate Januar bis August 2007 zzgl. Verspätungs- und Säumniszuschlägen unter Berücksichtigung einer Tilgungsquote von 80 % in Haftung.
Am 16. Juni 2009 erging eine entsprechender Haftungsbescheid gegenüber Herrn F, mit dem dieser in Höhe von 8.700,– EUR für von der GmbH ab dem Jahr 2006 geschuldete Steuern und steuerliche Nebenleistungen in Anspruch genommen wurde.
Nachdem beim Finanzamt die Steuererklärungen der GmbH für 2007 eingegangen waren, ergab sich eine Minderung der Steuerrückstände, für die der Kläger haftet. Das Finanzamt widerrief deshalb mit Bescheid vom 22. September 2009 den Haftungsbescheid vom 12. Mai 2009 zum Teil, indem es die Haftungsschuld auf 12.100,– EUR herabsetzte. Mit Einspruchsentscheidung vom 6. Oktober 2009 wies es den Einspruch gegen den Haftungsbescheid vom 12. Mai 2009 in Gestalt des Bescheids vom 22. September 2009 als unbegründet zurück.
Mit der hiergegen erhobenen Klage bringt der Kläger im Wesentlichen Folgendes vor:
Während der Ausübung seiner Tätigkeit als Geschäftsführer sei er im Wesentlichen für die aus der Erweiterung des Gegenstands der Gesellschaft resultierenden Tätigkeitsfelder zuständig gewesen. Die organisatorische Abwicklung der laufenden Verwaltung, insbesondere hinsichtlich Zahlungsverkehr, Mahnwesen und Buchhaltung habe der alleinigen Gesellschafterin und Geschäftsführerin PS oblegen. Im Vertrauen auf die fristgerechte Erfüllung der Steuererklärungsfristen durch diese habe er die Einhaltung dieser Verpflichtungen nicht kontrolliert. Unter Beachtung der tatsächlichen Ausübung der Geschäftsführung durch ihn liege somit hinsichtlich der Verletzung der Steuererklärungspflichten keine grobe Fahrlässigkeit vor, da mehrere Geschäftsführer vorhanden gewesen seien und aufgrund der ...