rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Lohnsteuerhaftung des faktischen Geschäftsführers
Leitsatz (redaktionell)
Der faktische Geschäftsführer kann sich nicht darauf berufen, die Steuerschuld der GmbH sei unzutreffend angemeldet worden, wenn er zumindest aufgrund Duldungsvollmacht es in der Hand gehabt hätte, die Anmeldung zu korrigieren.
Normenkette
AO § 69 S. 1, § 191 Abs. 1, § 166; EStG § 34 Abs. 1 S. 2, § 41a
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Tatbestand
I.
Streitig ist, ob der Kläger als Geschäftsführer einer GmbH für von dieser nicht abgeführte Lohnsteuern haftet.
Der Kläger wird vom Beklagten – dem Finanzamt (FA) – für von der K GmbH, P (im Folgenden: GmbH; nunmehr in Liquidation) nicht abgeführte Lohnsteuer, Solidaritätszuschlag und Lohnkirchensteuer des Monats November 2006 in Anspruch genommen.
Der Kläger war im November und Dezember 2006 faktischer Geschäftsführer der GmbH. Die GmbH meldete am 20.12.2006 für den Monat November 2006 Lohnsteuern und Nebenleistungen in Höhe von 1.461,70 EUR beim FA an. Am 26.01.2007 beantragte ein Gläubiger der GmbH die Eröffnung des Insolvenzverfahrens. Diese lehnte das Amtsgericht Passau mit Beschluss vom 21.08.2007 mangels Masse ab. Das FA zog daraufhin mit Haftungsbescheiden vom 30.10.2008 die beiden Geschäftsführer der GmbH zur Haftung nach § 69 Abgabenordnung (AO) heran. Die Haftungssumme von insgesamt 1.630,35 EUR setzt sich zusammen aus den angemeldeten Steuerabzugsbeträgen (1.461,70 EUR), Verspätungszuschlag (25 EUR) sowie der Hälfte der darauf entfallenden Säumniszuschläge (143,75 EUR). Den Haftungsbescheid begründete das FA im Wesentlichen damit, dass der Kläger als faktischer Geschäftsführer und tatsächlich Verfügungsberechtigter gemäß § 35 AO die steuerlichen Pflichten der GmbH zu erfüllen hatte. Der Kläger habe entgegen dieser Verpflichtung die angemeldeten Lohnsteuern nicht rechtzeitig (§ 41a Abs. E Satz 1 Einkommensteuergesetz [EStG]) abgeführt. Aufgrund der Zahlungsunfähigkeit der GmbH werde er für die Säumniszuschläge nur mit dem hälftigen Betrag herangezogen. Wegen der Begründung des Haftungsbescheids im einzelnen und insbesondere der Begründung der Ermessensausübung wird auf den Bescheid und die hierzu ergangene Einspruchsentscheidung verwiesen.
Der Einspruch des Klägers blieb in der Einspruchsentscheidung vom 26.03.2009 ohne Erfolg.
Mit seiner Klage wendet sich der Kläger gegen den Haftungsbescheid mit der Begründung, die GmbH habe die Lohnsteuer falsch angemeldet. Die Arbeitnehmer seien in Deutschland steuerfrei gestellt gewesen. Wegen der Darlegung des Klägers im Einzelnen wird auf die Klageakte, die Einspruchsakte, auf die darin enthaltenen Unterlagen und Belege verwiesen.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
den gegen ihn ergangenen Haftungsbescheid vom 30.10.2008 für Lohnsteuern der GmbH für den Zeitraum November 2006 aufzuheben.
Das Finanzamt beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Senat hat den Rechtsstreit dem Einzelrichter mit Beschluss vom 5. April 2011 zur Entscheidung übertragen
Entscheidungsgründe
II.
Obgleich die Klageschrift unter einem Briefkopf verfasst ist, die den Kläger und seine Schwester E nennt, legt das Gericht sie als Klage nur des Klägers aus. Das ergibt sich einmal aus der Unterschrift nur des Klägers. Darüber hinaus richtet sich die Klage – wie das zitierte Az. ergibt – gegen den Haftungsbescheid, der gegen den Kläger gerichtet ist. Eine Klage der Schwester gegen diesen Bescheid wäre unzulässig, so dass das Gericht insoweit eine interessenwahrende Auslegung vorgenommen hat.
Die Klage ist nicht begründet.
Der angefochtene Haftungsbescheid in Gestalt der Einspruchsentscheidung verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten.
Nach der ständigen Rechtsprechung des BFH ist die Entscheidung über die Inanspruchnahme eines Haftungsschuldners zweigliedrig (vgl. BFH-Urteil vom 13. April 1978 V R 109/75, BFHE 125, 126, BStBl II 1978, 508, und Senatsurteil vom 4. Oktober 1988 VII R 53/85, BFH/NV 1989, 274, 275). Das FA hat zunächst zu prüfen, ob in der Person oder den Personen, die es heranziehen will, die tatbestandlichen Voraussetzungen der Haftungsvorschrift erfüllt sind (hierzu unten 1.). Dabei handelt es sich um eine vom Gericht in vollem Umfang überprüfbare Rechtsentscheidung. Daran schließt sich die nach § 191 Abs. 1 AO zu treffende Ermessensentscheidung des FA an, ob und wen es als Haftenden in Anspruch nehmen will (hierzu unten 2.). Diese auf der zweiten Stufe zu treffende Entscheidung ist gerichtlich nur im Rahmen des § 102 Satz 1 FGO auf Ermessensfehler (Ermessensüberschreitung, Ermessensfehlgebrauch) überprüfbar.
1. Haftungstatbestand
Nach den §§ 34 Abs. 1, 69 Satz 1 und 191 Abs. 1 AO kann durch Haftungsbescheid in Anspruch genommen werden, wer vorsätzlich oder grob fahrlässig die ihm als gesetzlichem Vertreter einer juristischen Person auferlegten Verpflichtung verletzt, dafür zu sorgen, dass die steuerlichen Pflichten seiner Gesellschaft dem FA gegenüber nicht oder nicht rechtzeitig erfüllt werden...