Entscheidungsstichwort (Thema)
Zinslose Darlehensgewährung einer Kapitalgesellschaft an ihre Enkelgesellschaft als Gestaltungsmissbrauch
Leitsatz (redaktionell)
Die zinslose Überlassung von Darlehen durch eine Kapitalgesellschaft an ihre Enkelgesellschaft ist nicht als Missbrauch rechtlicher Gestaltungsmöglichkeiten anzusehen, wenn durch die veränderte Zurechnung der Zinserträge der Verbrauch eines Verlustvortrages bei der Enkelgesellschaft erreicht werden kann, der bei einer in Aussicht genommenen Verschmelzung untergehen würde. Es ist den Gesellschaftern einer Kapitalgesellschaft freigestellt, eine Vermögensmehrung bei einer Kapitalgesellschaft auch durch (befristete) Überlassung einer Einkunftsquelle herbeizuführen. Etwas anderes könnte gelten, wäre die Enkelgesellschaft eine wirtschaftlich funktionslose Gesellschaft.
Normenkette
AO 1977 § 42; EStG § 4
Nachgehend
Gründe
I.
Streitig ist, ob die Gewährung zinsloser Darlehen durch die Klägerin an ihre Enkelgesellschaft gestaltungsmißbräuchlich ist mit der Folge, daß die von der Enkelgesellschaft aus der Anlage der Darlehensbeträge als Festgelder erzielten Zinsen der Klägerin zugerechnet werden müssen.
Die Klägerin ist eine Aktiengesellschaft mit einem vom Kalenderjahr abweichenden Wirtschaftsjahr vom 1. Oktober bis zum 30. September. Sie ist zu 49 v.H. an der … … (im folgenden: SSG) beteiligt. Die übrigen Anteile von 51 v. H. hält die … (S-AG). Zwischen dieser und der Klägerin besteht eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts zum Zwecke der Beherrschung der SSG.
Die SSG war ihrerseits zu 51 v. H. an der … (PVE) beteiligt. Die übrigen Anteile von 49 v.H. hielt die A… Inc., USA. Zum 31. August 1990 hat die SSG deren Anteile an der PVE erworben und wurde dadurch deren alleinige Gesellschafterin.
Mit Vertrag vom 2. Oktober 1991 nahm die SSG die PVE zum 30. September 1991 im Wege der Verschmelzung auf. Damit wurde ein entsprechender Beschluß vom 21. November 1990 umgesetzt. Die Verschmelzung war bereits zuvor mehrfach in Aussicht genommen worden (s. dazu den Konsortialvertrag vom 29. September 1989).
Die PVE hatte seit ihrer Gründung im Jahr 1986 erhebliche Verluste erwirtschaftet. Obgleich ihr Kapital über das ursprüngliche Stammkapital von 50.000 DM hinaus durch Zuführungen von Seiten der Gesellschafter auf über 18 Mio. DM aufgestockt worden war, wies sie in ihrer Bilanz zum 30. September 1990 ein Fehlkapital von 582.009 DM aus.
Bereits zum Ende des Wirtschaftsjahres 1989/90 hatte die Klägerin der PVE in Höhe von 90.650.000 DM ein zinsloses Darlehen mit einer Laufzeit vom 3. September 1990 bis zum 3. Oktober 1990 gewährt. Aus der verzinslichen Anlage dieser Gelder als Festgeld ergaben sich für die PVE Zinserträge von 601.689 DM. Auch im folgenden – der Verschmelzung vorangegangenen Wirtschaftsjahr 1990/91 – wurden der PVE erneut zinslose Darlehen in erheblichem Umfang überlassen und zwar sowohl von Seiten der Klägerin als auch durch die (ebenfalls mittelbar über die SSG an der PVE beteiligte) S-AG. Aus der verzinslichen Anlage dieser Gelder flossen der PVE in diesem Jahr Zinserträge von über 20 Mio. DM zu.
Bei der Darlehensgewährung an die PVE wurde jeweils in der Weise verfahren, daß die Darlehensbeträge auf ein Konto überwiesen wurden, dessen Inhaberin die PVE war. Auf Veranlassung der PVE übernahm sodann die S-AG, die eine eigene Abteilung für Finanzanlagen hatte, die Anlage der Gelder. Die S-AG legte die Gelder im Namen und für Rechnung der PVE an. Die PVE veranlaßte selbst gegenüber der Bank die Rückzahlung der von PVE getätigten Gesamtanlage samt Zinsen an die Klägerin bzw. die S-AG durch Abtretung des Anspruchs auf Rückzahlung und Zinszahlung. Dadurch tilgte die PVE zugleich ihre Darlehensverbindlichkeiten gegenüber ihren Darlehensgebern. Dabei wurde ausdrücklich klargestellt, daß der Zinsertrag von den Darlehensgebern an die PVE weitergeleitet werden würde. Infolge der Gutschrift der Zinserträge verfügte die PVE im Zeitpunkt der Verschmelzung – noch über dem früheren Höchststand ihres Eigenkapitals von über 18 Mio. DM – über ein Kapital von über 19 Mio. DM (zur Kapitalentwicklung der PVE sowie den jeweiligen Zinsgutschriften vgl. die Darstellung auf S. 4 der Einspruchsentscheidung vom 16. September 1998).
In ihrer Steuererklärung für das Streitjahr verrechnete die PVE ihre Verluste des Wirtschaftsjahres 1989/90 mit den gutgeschriebenen Zinserträgen von 601.689 DM. Im Folgejahr, das nicht Gegenstand dieses Rechtsstreits ist, kürzte die PVE in ihrer Steuererklärung die Zinserträge um die in den Vorjahren aufgelaufenen Verluste. Nach deren Abzug ergab sich für das Wirtschaftsjahr 1990/91 (dem letzten Jahr vor der Verschmelzung) für die PVE ein zu versteuerndes Einkommen von 93.863 DM.
Im Rahmen einer bei der SSG als Rechtsnachfolgerin der PVE durchgeführten Außenprüfung vertrat der Prüfer die Auffassung, die Gewährung zinsloser Darlehen an die PVE, die diese verzinslich angelegt habe, stelle einen Mißbrauch von rechtlic...